Informelle Selbstbestimmung ist so wichtig

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Dass ein über­aus fried­li­ches Vor­ha­ben in Kol­li­si­on mit der vor allem hier in Deutsch­land hoch­ge­hal­te­nen infor­mel­len Selbst­be­stim­mung gera­ten könn­te, hat­te ich nicht auf dem Zettel. 

Am Wochen­en­de haben wir mit der Fami­lie den hie­si­gen Weih­nachts­markt besucht. Vor­her waren wir in der Kir­che und woll­ten danach einem gemisch­ten Chor beim Sin­gen von Weih­nachts­lie­dern lau­schen. Es war (jeden­falls für unse­re Ver­hält­nis­se) arsch­kalt. Ich habe mir prompt eine Erkäl­tung zugezogen.

Wir haben kei­ne groß­ar­ti­gen Ver­glei­che mit ande­ren Weih­nachts­märk­ten. Die weni­gen, die wir bis­her gese­hen haben, waren nicht so schön wie der in Bedburg. Es gab das unver­meid­li­che Karus­sell, Buden mit frisch geba­cke­nen Rei­be­ku­chen und/​oder Glüh­wein. Die Ange­bo­te der Künst­ler von aller­lei hüb­schem Weih­nachts­kram sta­chen von denen, die wir bis­her sahen, posi­tiv ab. 

Fast nie ohne Kamera

Ich hat­te mei­ne Kame­ra dabei. Ich woll­te ein paar Fotos von den Kin­dern (mei­nem Groß­nef­fen und mei­ner Groß­nich­te) machen. Das hat gut funk­tio­niert. Ansons­ten gabs prompt wie­der Ärger. Die­se Erfah­run­gen sind sicher ein Grund dafür, dass ich Natur und Land­schaft jedem Foto von Per­so­nen vor­zie­he. Wer in die­sem Land, das sich brüs­tet, im inter­na­tio­na­len Ver­gleich einen der höchs­ten Daten­schutz­stan­dards zu haben, ein­fach so foto­gra­fiert und dabei Men­schen ablich­tet, kann Ärger bekom­men. Kein Wun­der, dass wir mit der Digi­ta­li­sie­rung nicht in die Puschen kommen. 

Koch kennt die deut­schen Vor­be­hal­te – Stich­wort Daten­schutz und Abhän­gig­keit von Tech­nik – nur zu gut von Dele­ga­tio­nen, die er in Tal­linn regel­mä­ßig über die Mög­lich­kei­ten im Land infor­miert. „Skep­sis ist okay, wich­tig ist der Schluss, den man dar­aus zieht: Nichts tun – oder ange­mes­sen reagie­ren und Lösun­gen finden.“

Tages­spie­gel

Deutscher Datenschutz – informelle Selbstbestimmung

Klar, ich höre sie schon mit den „Hufen schar­ren“, die Ver­fech­ter eines stren­gen Daten­schut­zes. Aber ▹ wie­weit hat uns die­ser „Vor­zug“ im inter­na­tio­na­len Ver­gleich der Digi­ta­li­sie­rungs­quo­ten gebracht? Wie­so sind die bal­ti­schen Län­der so viel bes­ser bei dem The­ma? Wir bekom­men seit Jah­ren die elek­tro­ni­sche Gesund­heits­kar­te nicht auf die Rei­he, weil angeb­lich in der kon­zep­tio­nel­len Pha­se der Daten­schutz nicht berück­sich­tigt wur­de. Sagt das allein nicht schon viel aus über die Aus­wir­kung selbst­ge­setz­ter Standards?

Die Ein­füh­rung der elek­tro­ni­schen Gesund­heits­kar­te liegt bereits ein paar Jah­re zurück, doch abge­schlos­sen ist das Pro­jekt noch immer nicht – denn die elek­tro­ni­schen Funk­tio­nen rufen gro­ße daten­schutz­recht­li­che Beden­ken hervor.

Daten­schutz­ex­per­te

Ökonomischer Schaden durch Millionen Klicks?

Bevor ich mei­nen wie­der mal abschwei­fen­den Exkurs been­de, muss ich noch die Fra­ge stel­len, wor­in bit­te­schön der Sinn besteht, wenn jeder User am Smart­phone, Tablet oder PC beim Auf­ruf einer Web­site die­se däm­li­chen Coo­kies anneh­men oder ableh­nen muss? 

Ist die­ser User beson­ders eif­rig beim Daten­schutz, löscht er beim Ver­las­sen des Brow­sers nicht nur den Cache, son­dern auch gleich jene Coo­kies mit, damit er beim erneu­ten Auf­ruf einen Tag spä­ter wie­der­um die Annah­me der Coo­kies bestä­ti­gen oder ableh­nen muss. Drin­gend not­wen­dig, die­ser gan­ze Quatsch. 

Wie viel Zeit wir wohl damit ver­plem­pern, sol­che Klicks durch­zu­füh­ren? Ob es einen wirt­schaft­li­chen Scha­den durch die­ses exzes­si­ve, unsin­ni­ge Kli­cken gibt? Auch die Unart der wider­li­chen Abmah­nun­gen irgend­wel­cher unter­be­schäf­tig­ten Anwäl­te für die laut Daten­schutz nicht zuläs­si­ge Ver­wen­dung von Goog­le Fonts, sind nur Was­ser auf mei­ne Müh­len. Die­je­ni­gen, die sich das aus­ge­dacht haben, sind zwei­fel­los ganz groß im Datenschutz. 

Wer hat alles was dagegen, ohne Zustimmung fotografiert zu werden und das Foto auf irgendeiner Plattform zu finden? 

Ich habe wäh­rend des Weih­nachts­markt­be­su­ches ein paar Bil­der in die Aus­la­gen der Buden mit Weih­nachts­kram gemacht. Das hät­te ich bes­ser mal gelas­sen. In einem Fall ranz­te mich der Besat­zer der Bude an: „Kön­nen Sie nicht fra­gen?“. Ich ent­schul­dig­te mich und lösch­te das Foto noch vor sei­nen Augen. Vor­her hat­te ich bereits ein ande­res Foto gemacht. 

Die Besit­ze­rin die­ser Bude frag­te (immer­hin sehr nett) nach, für wen mei­ne Fotos denn bestimmt sei­en. Ich erklär­te ihr, dass ich nur für pri­va­ten Gebrauch foto­gra­fiert hät­te. Ich habe mir gleich die Abmah­nung vor mei­nem geis­ti­gen Auge vor­ge­stellt, wenn ich solch ein Foto viel­leicht in mei­ner dum­men Nai­vi­tät bei Insta­gram oder Flickr gepos­tet hät­te. Nun, so doll waren sie auch nicht, dass ich das hät­te tun wollen.

1971 war ich im Urlaub in Spa­ni­en und Marok­ko. Wir waren gewarnt wor­den, die ver­schlei­er­ten Frau­en, denen wir am Hafen begeg­ne­ten, zu foto­gra­fie­ren. Es kön­ne, so der Hin­weis, gro­ßen Ärger geben. Die meis­ten hiel­ten sich dran. Einer war frech und foto­gra­fier­te ein­fach dar­auf los. Danach muss­te er sich eine neue Kame­ra kau­fen. Ich will damit sagen, dass ich schon weiß, dass Men­schen es nicht unbe­dingt lei­den kön­nen, unge­fragt foto­gra­fiert zu wer­den. Aber seid bit­te ein­mal ehr­lich: Fragt ihr jedes Mal nach, bevor ihr ein Han­dy-Foto macht und dabei womög­lich einen Men­schen ablichtet? 

„Du darfst mich nicht ohne meine Zustimmung fotografieren.“

Ich habe mal davon erzählt, wie ich mit drei Jun­gen (viel­leicht so um die 10 bis 12 Jah­re alt) regel­recht anein­an­der­ge­ra­ten bin, weil sie nicht ein­se­hen moch­ten, dass es nicht das Pro­blem des Foto­gra­fen sei, wenn sie auf einer Rui­ne her­um­klet­ter­ten, die ich als Foto­graf aus gehö­ri­ger Distanz foto­gra­fiert hätte. 

Die Bur­schen sind mich in einer Art und Wei­se ange­gan­gen, die ihren Eltern gewiss Ehre gemacht hät­te. Ja, so sind vie­le Erwach­se­ne ja auch drauf. Sie bestehen auf ihrer infor­mel­len Selbst­be­stim­mung. Auch, wenn sie eine Mas­sen­ver­an­stal­tung besu­chen und dort eher zufäl­lig auf einem Foto abge­lich­tet werden. 

Wir Deut­schen sind sehr dar­auf aus, unser Recht zu wah­ren. Das bele­gen die Zah­len zivil­recht­li­cher Aus­ein­an­der­set­zun­gen an unse­ren Gerich­ten. Das ambi­va­len­te Ver­hal­ten, das man­che im Umgang mit dem Inter­net zei­gen, ist ein wei­te­res Bei­spiel. Die Kla­gen gegen Wind­kraft­an­la­gen und Strom­tras­sen eben­so. Alle gemein­sam kla­gen dann dar­über, dass in Deutsch­land nichts weitergeht. 

Seid ihr freigiebig mit euren Daten?

Einer­seits weiß jeder, dass Daten das Kapi­tal z.B. der Inter­net­rie­sen sind. Die Aus­wir­kun­gen wird jeder ken­nen, der sich halb­wegs regel­mä­ßig im Netz her­um­treibt. Woher weiß Ama­zon nur, wel­che Arti­kel wir viel­leicht noch vor dem Fest gebrau­chen könn­ten? Ihr wisst, was ich mei­ne! Da wer­den Daten und Inhal­te beden­ken­los geteilt – übri­gens auch pri­va­te Fotos von Kin­dern. Und dann gibt es die ande­ren. Sie ver­hal­ten sich aus­ge­spro­chen zurück­hal­tend bei der „Preis­ga­be“ ihrer per­sön­li­chen Daten. Aber natür­lich auch nur, soweit es gera­de ihre eige­nen Krei­se nicht stört. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Datenschutz Deutschland

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5 Gedanken zu „Informelle Selbstbestimmung ist so wichtig“

  1. Ich hat­te bis­her noch kei­ne der­ar­ti­gen Begeg­nun­gen der debi­len Art, also mit Furz­kno­ten, die irgend­wie als ent­fernt her­um­ste­hen­des Bei­werk auf einem mei­ner Fotos lan­den könn­ten, dies bemer­ken und sich des­we­gen zum Popanz auf­bla­sen. Sei’s drum, Glück gehabt.

    Das „Daten­schutz-Ver­hal­ten“ sol­cher Leu­te ist ten­den­zi­ell sowie­so nur als halb­ge­is­tig zu bezeich­nen. Die meis­ten wer­den anschlie­ßend ihren Erfolg stolz als gehö­rig durch­set­zungs­fä­hi­ge Pri­vat­da­ten­schüt­zer an alle „Freun­de“ via Whats­App raus­po­sau­nen… HAHA.

    Ich schät­ze näm­lich, die Schnitt­men­ge aus ener­gi­schen Daten­schutz-Behar­rern und Whats­App-/Tik­to­k/­Face­book-Nut­zern ist ziem­lich groß… HAHAHA.

    Ande­rer­seits, wenn ich auf dem Frank­fur­ter Weih­nachts­markt mal in Buden/​Auslagen hinein­fo­to­gra­fiert habe, habe ich ent­we­der erkenn­bar dar­auf geach­tet, das Per­so­nal nicht ins Bild zu bekom­men oder ich habe freund­lich um Erlaub­nis gefragt.

    Das Ama­zon-Pro­blem ken­ne ich natür­lich auch gut, bin ja selbst reger Kun­de dort. Aller­dings ist es durch­aus mög­lich, sich die pro­fil­ba­sier­ten „guten Rat­schlä­ge“ für pas­sen­de Pro­duk­te halb­wegs vom Hals zu halten:
    Pro­duk­te suchen und aus­wäh­len nur nicht-ein­ge­loggt. Wenn fer­tig mit der Abla­ge in den Waren­korb, „zur Kas­se gehen“. Jetzt ein­log­gen und kau­fen. Vom Bestä­ti­gungs­fens­ter aus wie­der aus­log­gen und den Brow­ser schlie­ßen. Öff­ne ich dann spä­ter wie­der Ama­zon, erhal­te ich kei­ner­lei beson­ders gut (aus Ama­zon-Sicht) pas­sen­de Produktvorschläge.

  2. Gerhard 245 14. Dezember 2022 um 23:07

    Das Vor­ge­hen kann­te ich noch nicht 🙂

  3. Alles nicht so ein­fach. Wobei ich ger­ne Daten­schutz und man­che hirn­ris­si­gen Zustän­de die den Daten­schutz tor­pe­die­ren ger­ne aus­ein­an­der hal­ten wür­de, denn dann kom­men genau die­se Aus­sa­gen zustan­de, dass der Daten­schutz die Digi­ta­li­sie­rung auf­hält zustan­de. Das ist aber, wenn man pro­fit­geil eine Soft­ware ent­wi­ckelt und Daten­schutz und Sicher­heit erst mal nach hin­ten schiebt. Und sich dann beschwert dass das alles so kom­pli­ziert ist.
    Wie gesagt ein schwie­ri­ges Thema.

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