Das Reden vom Arbeitskräftemangel macht nichts besser.

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Wir haben zu wenig Arbeits­kräf­te. Das ist schein­bar Gott gege­ben. Unser Hang zum Indi­vi­dua­lis­mus, bes­ser gesagt, der Ego­is­mus unse­rer Gene­ra­ti­on, hat uns demo­gra­fi­sche Ver­wer­fun­gen beschert, in denen ein beacht­li­ches Kri­sen­po­ten­zi­al steckt. 

Viel­leicht liegt es auch an der Ein­füh­rung des Fern­se­hens, der Pil­le oder dem schwin­den­den Ein­fluss der Kir­che? Wer weiß das schon so genau?

Pro­fes­sor Bie­den­kopf – man­che wer­den sich erin­nern – hat die­se Ent­wick­lung schon in den 1970-er Jah­ren the­ma­ti­siert. Kei­ner woll­te es hören! Jetzt haben wir zu wenig Arbeits­kräf­te, zu wenig Kin­der und das Ren­ten­sys­tem steht vor dem Kol­laps. Das kommt davon, wenn man nicht auf die Wis­sen­schaft hört.

Aus­län­der sol­len es rich­ten. Dabei leben jetzt schon mehr Men­schen im Land als je zuvor, davon Mil­lio­nen Migran­ten. Wann wird der Punkt erreicht sein, an dem Merz und die Rech­ten rufen: „Das Boot ist voll“? Klar, das wäre nicht ganz neu. Eben­so wie die blö­ken­den Reak­tio­nen, die fol­gen wür­den. Sobald wird sich das kei­ner trau­en (außer in Sach­sen oder Thü­rin­gen natürlich). 

Dabei wer­den gewis­se öko­no­mi­sche Regeln in die­sem Bild eine weit­aus grö­ße­re Rol­le spie­len, als das zu NPD-Zei­ten der Fall gewe­sen ist. Sicher ist nur, dass es Wage­mut ver­langt, in die­sem Land der­art pla­ka­ti­ve und tabu­be­haf­te­te Bil­der zu zeich­nen. Jeden­falls, wenn man Mit­glied einer der poli­tisch akti­ven Par­tei­en im Lan­de ist und noch Kar­rie­re­am­bi­tio­nen hat.

84 Mio., davon über 45 Mio. Erwerbstätige

Rund 84 Mio. Ein­woh­ner hat die­ses Land. Lei­der sind auch so vie­le wie nie in Ren­te oder sonst wie auf Trans­fer­leis­tun­gen des Staa­tes ange­wie­sen. 2019 waren 21,6 Mio. Men­schen Rent­ner. Es wur­den über 25,8 Mio. Ren­ten ausgezahlt. 

Es gibt bei­spiels­wei­se auch einen immer wie­der beklag­ten Ärz­te­man­gel in Deutsch­land. Also es herrscht nicht nur bei den Klemp­nern Not an Män­nern und Frau­en. Das sagen die Ver­bän­de und Lobbygruppen. 

Ich wun­de­re mich immer wie­der über die­se spe­zi­el­le, Ärz­te betref­fen­de Aus­sa­ge. Ich glau­be, das wer­den die meis­ten, die die­se Zah­len schon ein­mal her­aus­ge­sucht haben. Man braucht Schüt­zen­hil­fe, um so ein Para­do­xon zu klä­ren. Ich kann sie hier nicht leisten.

Dass die Zah­len der Men­schen über 65 stark gestie­gen sind und wei­ter­hin stei­gen wer­den, ist eine Bin­se, die seit Jah­ren bekannt ist (demo­gra­fi­sche Ent­wick­lung). Seit Janu­ar 2020 zäh­len wir zudem 1,3 Mio. Pensionäre.

„In Sum­me wur­den im Jahr 2019 den Rent­ne­rin­nen und Rent­nern 328 Mil­li­ar­den Euro aus­ge­zahlt. Das waren 16,3 Mil­li­ar­den bzw. 5,2 Pro­zent mehr als im Vor­jahr.“ (Quel­le)

Die Ren­ten­bei­trä­ge rei­chen längst nicht mehr aus. Weit über 100 Mrd. Euro wur­den aus dem Sozi­al­etat an Steu­er­mit­teln benö­tigt. Die Ten­denz ist stark steigend.

Die zah­len­mä­ßi­ge Ent­wick­lung der Erwerbs­tä­ti­gen in unse­rem Land passt irgend­wie nicht zu dem Jam­mer­tal, in dem wir uns auch bei die­sem The­ma befin­den. Seit 2015 bewe­gen wir uns in Deutsch­land zwi­schen 43 und 45 Mio. Erwerbs­tä­ti­gen. Die­se Zah­len lie­gen deut­lich über denen der 1990-er Jahre. 

Ver­mut­lich liegt das Pro­blem auch dar­in, dass zu vie­le Teil­zeit­jobs aus­ge­führt wer­den. Ob der Schluss aller­dings zuläs­sig ist, dass dies nur den indi­vi­du­el­len Wün­schen der Arbei­ter geschul­det ist, wäre zu hin­ter­fra­gen. Genau dies wird bei Frau­en, glau­be ich, oft behaup­tet. Frau­en zie­hen Teil­zeit­jobs vor – wegen der Kinder … 

Kanzler will, dass wir länger arbeiten und mehr Frauen berufstätig werden. So will er den Arbeitskräftemangel bekämpfen

Heu­te las ich, dass der Bun­des­kanz­ler genau die­sen Umstand the­ma­ti­siert hat. Ich fra­ge mich aller­dings, woher das Per­so­nal für die zusätz­li­chen Kita-Plät­ze kom­men soll. Schließ­lich hört man auch aus die­sem Bereich, dass es gewal­ti­ge Per­so­nal­pro­ble­me gibt. 

Schulabgänger ohne Abschluss oder berufliche Qualifikationen

Wir wis­sen, dass die Zahl der Schul­ab­gän­ger ohne Abschluss in unse­rem Land 2021 rund 47.000 betrug. Es ist ein fast sta­ti­scher Wert in den ver­gan­ge­nen Jah­ren. Es gibt Hun­dert­tau­sen­de von Men­schen, die kei­ne Qua­li­fi­ka­tio­nen vor­wei­sen kön­nen. Die Zah­len waren – was mich per­sön­lich ange­sichts aktu­el­le­rer Dis­kus­sio­nen über­rascht hat – in frü­he­ren Jah­ren bedeu­tet höher. Wir sind also bes­ser gewor­den, auch wenn die Zah­len wirk­lich nicht gut sind.

Im Jahr 2019 hat­ten 12,8 Pro­zent der Per­so­nen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund kei­nen all­ge­mein­bil­den­den Schul­ab­schluss und 36,7 Pro­zent kei­nen berufs­qua­li­fi­zie­ren­den Abschluss. Dabei waren die Wer­te bei den Aus­län­dern mit eige­ner Migra­ti­ons­er­fah­rung am höchs­ten (19,9 bzw. 47,8 Pro­zent). Bei den Per­so­nen ohne Migra­ti­ons­hin­ter­grund lagen die ent­spre­chen­den Wer­te mit 1,6 bzw. 12,4 Pro­zent hin­ge­gen deut­lich niedriger.

Quel­le: Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bildung

Dass von den seit 2015 ein­ge­reis­ten Syrern nur ein Drit­tel nach sie­ben Jah­ren einer Arbeit nach­geht, wäre auch ein Ansatz. Die Tat­sa­che, dass der Wert so schlecht ist, begrün­de­te eine Jour­na­lis­tin im TV kürz­lich damit, dass damals mehr Frau­en als Män­ner zu uns gekom­men wären, und die müss­ten sich um ihre Kin­der kümmern. 

Junge Männer aus Syrien – bisher wenig Arbeitskräfte

Komisch, ich hat­te eine ande­re Wahr­neh­mung. Waren das nicht über­wie­gend und nach­ge­wie­se­ner­ma­ßen haupt­säch­lich jun­ge Män­ner, die nach Deutsch­land kamen? Die FAZ schrieb im Jah­re 2019, dass drei von vier Syrern von Hartz IV leben wür­den. Das passt eher zu dem aktu­el­len Bild, klärt aber die offe­nen Fra­gen um die­sen Sach­ver­halt und die Grün­de kei­nes­wegs. Wes­halb küm­mern sich um die Grün­de und mög­li­chen Lösungs­an­sät­ze nicht mal Poli­ti­ker? Gern außer­halb der AfD.

Dass der Anteil der Beschäf­tig­ten unter den Geflüch­te­ten aus Syri­en gerin­ger sei, habe womög­lich auch mit dem rela­tiv hohen Anteil von Frau­en in die­ser Grup­pe zu tun. Etwa 40 Pro­zent der syri­schen Geflüch­te­ten sei­en weib­lich. Vie­le syri­sche Frau­en sei­en nach­ge­zo­gen und daher noch nicht lan­ge im Land. Oft stün­den sie dem Arbeits­markt wegen der Betreu­ung von Klein­kin­dern nicht zur Ver­fü­gung. Auch kul­tu­rel­le Grün­de könn­ten hier eine Rol­le spielen.

Quel­le: Rnd

In einer Phoe­nix Dis­kus­si­on behaup­te­te der Jour­na­list Mal­colm Ohan­we, der als Pro­vo­ka­teur und Akti­vist gern Tei­le unse­rer Öffent­lich­keit in Wal­lung bringt, sinn­ge­mäß, dass in Deutsch­land Dis­kri­mi­nie­rung migran­ti­scher Arbeit­neh­mer zur DNA des Lan­des gehö­re. Er hat das nicht so gesagt. Bei mir ist es aber so ange­kom­men. Sie kön­nen sich den Früh­schop­pen ja ein­mal zu Gemü­te führen …

Überall gibt es ihn, den deutschen Rassismus

Es ist also die­ser spe­zi­el­le deut­sche Ras­sis­mus, der dazu führt, dass so vie­le Migran­ten nicht in Deutsch­land ange­kom­men sind bzw. einer Arbeit nach­ge­hen. Man lässt sie ein­fach nicht.

Ich fürch­te, vie­le glau­ben das oder trau­en sich nicht, zu wider­spre­chen. Die Mit­ar­bei­ter der Arbeits­agen­tu­ren oder der Per­so­nal­ab­tei­lun­gen hie­si­ger Unter­neh­men las­sen schließ­lich nichts als die­se typisch deut­schen Ver­hal­tens­wei­sen erwar­ten. Ich wür­de Ohan­wes Behaup­tung nicht rund­weg abstrei­ten. Wenn aller­dings ein sol­ches Ver­hal­ten zum Stan­dard aus­ge­ru­fen wird, for­dert dies mei­nen Wider­stand heraus. 

Agent Provocateur

Mir ist das Gere­de viel zu durch­sich­tig, pau­schal, ein­sei­tig und völ­lig unge­eig­net, die anste­hen­den Pro­ble­me zu lösen. Leu­te wie die­ser Mal­colm Ohan­we ver­än­dern aus mei­ner Sicht nichts zum Bes­se­ren. Im Gegen­teil, sie erhal­ten Applaus von der woken Com­mu­ni­ty und Ver­wün­schun­gen von der ande­ren Seite. 

Das ken­nen wir spä­tes­tens seit 2015. Deutsch­land ist auch durch die dabei zuneh­men­de Pola­ri­sie­rung heu­te an einem Punkt, den immer mehr Men­schen im Land bedau­ern dürf­ten. Die Gren­ze liegt dort ver­mut­lich nicht ein­mal zwi­schen Rechts und Links. Auch, wenn Medi­en gern so tun als ob.

Ewige Vorwürfe gegen Deutschland sollten nicht grundsätzlich unwidersprochen bleiben

Ich bin es so leid, mir die pene­tran­ten Vor­wür­fe gegen unser Land anzu­hö­ren. Kann auch mal einer die­ser Typen, die sich dar­in erge­hen, Deutsch­land mies zu machen, irgend­was Posi­ti­ves sagen oder sind die Lebens­ver­hält­nis­se der Migran­ten in Deutsch­land tat­säch­lich so inak­zep­ta­bel, wie uns sol­che Akti­vis­ten stän­dig erzäh­len? Dass sie ihre Nar­ra­ti­ve so set­zen, dass sie zumin­dest aus der links-grü­nen Com­mu­ni­ty undif­fe­ren­zier­ten Bei­fall erhal­ten, wird immer mehr zum Ärger­nis. Die sehen, fin­de ich, die Dimen­sio­nen der gewal­ti­gen Pro­ble­me unse­res Lan­des nicht ein­mal oder drü­cken sie ein­fach beiseite.

Spo­ra­disch sehe ich – wenigs­tens im Regio­nal­fern­se­hen – posi­ti­ve Berich­te über eine soge­nann­te gelun­ge­ne Migra­ti­on. War­um wer­den sol­che Bei­spie­le nur so sel­ten gefun­den bzw. dar­über berich­tet? Gibt es nur so weni­ge? Garan­tiert nicht. Aber wür­de man die posi­ti­ven Bei­spie­le brin­gen, hät­ten Akti­vis­ten wie Ohan­we weni­ger Muni­ti­on. Und das darf nicht sein, gell?

Ken­ne­dy hat mal den Satz gesagt, dass sei­ne Lands­leu­te nicht danach fra­gen sol­len, was ihr Land für sie tun kön­ne, son­dern was sie für ihr Land tun kön­nen. Die­ser Grund­ge­dan­ke von Soli­da­ri­tät und Eigen­ver­ant­wor­tung ist zu vie­len in unse­rem Land irgend­wo in den Nach­kriegs­jahr­zehn­ten flö­ten gegan­gen. Der Sozi­al­staat soll alles leis­ten und die Poli­ti­ker sug­ge­rie­ren flei­ßig, dass dies auch mög­lich sei. 

Rente mit 63

Mei­ne Frau und ich haben die Mög­lich­kei­ten der von Andrea Nah­les durch­ge­setz­ten Ren­te mit 63 gern in Anspruch genom­men. Wir haben bei­de 47 Jah­re lang gear­bei­tet und las­sen uns des­halb kein schlech­tes Gewis­sen ein­re­den. Dass aus­ge­rech­net ein SPD-Bun­des­kanz­ler nun ver­sucht, die Bereit­schaft einer län­ge­ren Lebens­ar­beits­zeit zu för­dern, geht für uns klar. 

Wir hät­ten uns ver­mut­lich sogar dazu über­re­den las­sen, unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen noch ein paar Jah­re län­ger zu arbei­ten. In mei­nem Fall war das durch­aus nicht erwünscht, und im Fal­le mei­ner Frau man­gel­te es an Ver­ein­ba­run­gen, die man unter­neh­mens­sei­tig aus der Schub­la­de hät­te zie­hen kön­nen. Außer­dem gab es zu die­ser Zeit bereits gesund­heit­li­che Ein­schrän­kun­gen bei mei­ner Schwie­ger­mut­ter, die schließ­lich in die­sem Okto­ber ver­stor­ben ist. 

Es gäbe sicher Mög­lich­kei­ten, die Men­schen län­ger zu beschäf­ti­gen, wenn man fai­re Ver­ein­ba­run­gen (die es lei­der oft nur in gro­ßen Unter­neh­men gibt) fän­de und flä­chen­de­ckend ein­set­zen könn­te. Aber ich fürch­te, dass die Unter­neh­men die Kos­ten für sol­che Maß­nah­men nicht auf­brin­gen wer­den wol­len. So wür­de auch dies zusätz­lich die Staats­kas­se belasten. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Demokratie Deutschland Renten

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