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Bedröppelter Bundespräsident

Bei Twitter sind viele (zu viele!) der Ansicht, dass Bundespräsident Steinmeier es verdient hätte, vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj so behandelt zu werden.

Kiew hatte die Beteiligung des höchsten Repräsentanten Deutschlands an einer Gruppenreise nach Kiew mit anderen Ost-europäischen Staatsoberhäupter und Steinmeier abgelehnt und ihn damit zur unerwünschten Person erklärt.

Die Reaktionen von meiner Frau und mir waren abzusehen. Als wir aber nur wenig später hörten, dass unser Standpunkt angeblich dem der AfD entsprach, haben wir kurz zurückgezuckt. Keine weitere Unterstützung der Ukraine mehr, das war im ersten Ärger auch unsere Haltung.

Dass ich kein Freund dieses Bundespräsidenten bin, habe ich hier mehrfach ausgeführt. Seine guten Beziehungen zu Lawrow disqualifizieren Steinmeier für viele Deutsche als Bundespräsident, waren aber nicht mein Thema. Ich hatte an dem gepflegten Beziehungen zu Russland nichts auszusetzen.

Schließlich haben unsere Politiker genau das gemacht, was man gemeinhin unter Wahrung der Interessen unseres Landes versteht. Dass dies auch aufgrund der grandiosen Energiewende im Sinn unserer wirtschaftlichen Stärke dringend nötig war, kommt in den Kommentaren zu kurz. Das ist unfair, aber typisch deutsch.

Meine Antipathie gegen Steinmeier rührt aus der Zeit, als er als Kanzleramtsminister unter Schröder die Agenda 2010 entwickelt hat. Darüber wurde auch nie gern geredet, weil dieses Thema den Kapitalisten, der Union und der FDP so in die Karten gespielt hat. Letztlich verdanken wir es der Agenda-Politik, dass Deutschland weiterhin als ein Billiglohnland gilt. Wie sich Vermögen und die zum Teil mickrigen Löhne seitdem entwickelt haben, wird sich schon bald (bei der weiter davon galoppierenden Inflation) als sozialer Sprengstoff erweisen. Da bleibt die Zuversicht auf der Strecke, wenn angesichts des Krieges und der sich abzeichnenden Probleme wichtiger Teile unserer Wirtschaft die Segel streichen könnten.

Die kurzen und heftigen Aussagen bei Twitter suggerieren einen fehlenden Rückhalt des Staatsoberhaupts in der Bevölkerung. Also anders, als sich dies jüngst vor seiner Wiederwahl gezeigt hatte. Es hat sich innerhalb kurzer Zeit viel geändert.

Die Deutschen (nicht zuletzt die, die unsere Medienlandschaft beherrschen) scheinen immer schon gewusst zu haben, dass die Verquickung deutsch-russischer Interessen uns gewaltig auf die Füße fallen würde. Im Land, finde ich, war es diesbezüglich ganz schön ruhig. Wahr ist, dass es im Ausland schon länger rumorte. Nun, inzwischen hat der Ami seine Wünsche durchgesetzt. Wir beziehen US-Fracking-Gas. Der Dollar rollt statt des Rubels.

Viele Deutsche fordern Steinmeier aufgrund einer verfehlten Russlandpolitik vehement zum Rücktritt auf. Ich schließe mich nicht an! Da bin ich ein wenig so wie die von der russischen Regierungspropaganda indoktrinierten Russen (nicht nur die Deutschrussen und ihre Brüder und Schwestern im Geiste, die hier ihr Demonstrationsrecht wahrgenommen haben).

Mir gehen Melnyks und Selenskyjs ständige Vorwürfe gegen unser Land auf den Zeiger. Ihre Aussagen bringen mich dazu, mich hinter Steinmeier zu stellen. Und auch hinter unsere Regierung, die nun wirklich kein gutes Bild abgibt. Trotzdem: Diese Regierung ist die gewählte deutsche Regierung.

Die Ausländer, die sie angreifen, sind nicht meine Freunde. So ähnlich dürften die Erdogan- und Putin-Fans vielleicht auch drauf sein. Irgendwann ist man es leid, dass permanent über das eigene Land geschimpft wird. Dann spielt es auch keine Rolle mehr, wie man zur eigenen Regierung eingestellt ist.

Ja, für manche ist man in diesem Fall ein Nationalist. Und es wird schon was damit zu tun haben.

Naiv und kindisch wäre es nun, wenn wir die Unterstützung der Ukraine jetzt einstellten. Die AfD fordert das. Meine Frau und ich haben gerade noch zurückgezogen. Ich wünschte, Scholz oder andere Mutige aus unserer Regierung, fühlten sich durch den öffentlichen Druck nicht dazu herausgefordert, endlich in die Ukraine zu reisen. Das käme nach diesem Eklat gar nicht gut. Ein bisschen Ehre sollten deutsche Politiker doch im Leib haben.

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