Einen Mangel an Arbeit wird es zunächst nicht geben

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Die­ses Jahr­zehnt hat wohl das Zeug, das Jahr­hun­dert­jahr­zehnt des Frusts und der Unduld­sam­keit zu wer­den. Die Alten sind unzu­frie­den, die Jun­gen auch. Anstatt uns bei der Hand zu neh­men und zu schau­en, dass wir wenigs­tens die paar Pro­ble­me gemein­sam lösen, stöh­nen vie­le immer lau­ter, wie schlimm doch alles ist und schimp­fen auf die jeweils ande­re Gruppe.

Die Arbeit bzw. die Arbeits­welt steht als Frust­quel­le ziem­lich weit oben. Dabei dürf­te die Viel­zahl der Kri­sen, die uns Men­schen in die­sen Jah­ren quä­len und denen wir uns weit­ge­hend hilf­los aus­ge­lie­fert gegen­über­se­hen, an der gesam­ten Ver­fas­sung von uns Men­schen ihren Anteil haben. 

Zufrieden durch Arbeit?

Irgend­wie schien die Ent­wick­lung aber auch abseh­bar zu sein. Die Unzu­frie­den­heit am Arbeits­platz scheint mir kei­ne Erfin­dung der Gene­ra­ti­on Z zu sein, wie man glau­ben könn­te. Immer, wenn in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten so ein Gedan­ke wie „No Future“ auf­kam, sahen die Älte­ren nicht etwa in den Rück­spie­gel und räum­ten einer offen­sicht­li­chen Logik fol­gend ein, dass ihre Erzie­hung womög­lich ursäch­lich an der Ent­wick­lung bestimm­ter Marot­ten betei­ligt sein könn­te, die ihre Kin­der und Enkel zeigten.

Nun ist also die Gene­ra­ti­on Z dran. Es gibt wel­che, die unter­stel­len, dass sie kei­nen Bock auf Arbeit hät­te. Wie oft mag es sol­che dum­men Debat­ten inzwi­schen schon gege­ben haben? Ich erin­ne­re mich jeden­falls gut, dass mei­ne Gene­ra­ti­on sol­chen „Beschul­di­gun­gen“ eben­so aus­ge­setzt war wie – gefühlt – alle folgenden. 

Produktivität vs. Arbeitsklima

Die Pro­duk­ti­vi­tät und das Arbeits­kli­ma haben sich nicht gut ent­wi­ckelt. Nicht gut jeden­falls im Sin­ne der Beschäf­tig­ten. Inwie­weit die Vor­aus­set­zun­gen ange­sichts der bevor­ste­hen­den bzw. schon spür­ba­ren Ver­knap­pung des Gutes Arbeits­kräf­te die Kar­ten für die heu­ti­gen und mor­gi­gen Arbeit­neh­mer im posi­ti­ven Sinn neu mischen, hängt von eini­gen Fak­to­ren ab. 

Im Sin­ne der gesam­ten Gesell­schaft wird es schwie­rig, wenn als Fol­ge neu­er Arbeits­platz­re­geln, die Pro­duk­ti­vi­tät in Deutsch­land im inter­na­tio­na­len Maß­stab abfal­len wür­de. Schließ­lich haben uns längst die Vor­aus­sa­gen der Wirt­schafts­exper­ten erreicht, dass unser Land durch die Fol­gen des rus­si­schen Krie­ges gegen die Ukrai­ne uns ärmer wer­de. Kürz­lich las ich, dass die Kos­ten, die im Kon­text des Krie­ges ent­stan­den wären, in Deutsch­land pro Kopf bereits bei 2000 Euro brut­to lägen. 

Wohlstand ist nicht alles – Aber wer zieht die Grenzen?

Weni­ger arbei­ten und mög­lichst mit kei­ner all­zu belas­ten­de Arbeit zu tun haben, klingt ja zuerst ein­mal wün­schens­wert. So stel­len sich vie­le Men­schen den Fort­schritt vor. Nicht nur die Kohor­ten der Gene­ra­ti­on Z. Ver­mut­lich wird die­se Vor­stel­lung aller­dings zur Fol­ge haben, dass die Form des Wohl­stan­des, mit der wir uns heu­te die Bil­der aus­ma­len, eine ande­re sein wird. 

Sicher, man kann mit weni­ger aus­kom­men. Es geht viel­leicht, ohne Auto, ohne Haus oder Woh­nungs­ei­gen­tum. Gera­de letz­te­re wer­den durch die stei­gen­den Kos­ten (Infla­ti­on) und Zin­sen für die nächs­te Zeit nicht mehr zu den rea­lis­ti­schen Wunsch­träu­men zählen. 

Weni­ger Arbeits­zeit, mehr Teil­zeit. Ich hät­te wäh­rend mei­ner letz­ten Arbeits­jah­re Abstri­che am Gehalt hin­ge­nom­men. Aber die Zeit war noch nicht gekom­men. Immer­hin hat­te ich erreicht, einen Tag in der Woche im Home­of­fice zu arbei­ten. Aber wie passt mehr Teil­zeit­ar­beit zum Arbeits­kräf­te­man­gel, der gegen­wär­tig längst noch nicht ein­mal voll aus­ge­prägt ist?

Arbeit ist kein Ponyhof

Ich emp­fin­de es als schi­ka­nös, wenn jun­gen Leu­ten vor­ge­hal­ten wird, dass „Arbeit kein Pony­hof“ sei (Nah­les, Bun­des­an­stalt für Arbeit). Ande­rer­seits wäre ich kein rich­ti­ger Rent­ner, wenn ich mir kei­ne Sor­gen um die Zukunft unse­res Lan­des machen wür­de. Schließ­lich sind wir Leis­tungs­trä­ger (aka Boo­mer) in weni­gen Jah­ren raus aus dem Arbeits­le­ben und dar­auf ange­wie­sen, wenn wir nicht ganz woan­ders sind, dass unse­re Ren­ten erar­bei­tet von den weni­gen Jun­gen in der Arbeits­welt von mor­gen bezahl­bar bleiben. 

Nun ändert sich am Ren­ten­sys­tem künf­tig sicher das eine oder ande­re. Ob alle Maß­nah­men unse­rer kurz­sich­ti­gen Regie­run­gen mehr als einen Schim­mer der Hoff­nung ver­spre­chen? Wohl nicht. Schließ­lich ist auch des­halb der Ruf der Ren­te so ramponiert.

Arbeitsfreundliche Gesellschaften

Wahr­schein­lich gibt es men­schen­freund­li­che­re Arbeits­ge­sell­schaf­ten in Euro­pa und wohl auch welt­weit. Damit mei­ne ich nicht etwa die Japa­ner, die kaum Urlaub machen und sich sogar nach unse­ren deut­schen Vor­stel­lun­gen über­ar­bei­ten. Mehr Fle­xi­bi­li­tät, mehr Aner­ken­nung kön­nen bestimmt hel­fen, die Arbeits­welt zu hei­len. Die Pro­duk­ti­vi­tät, so zeig­te eine bri­ti­sche Stu­die, von der ich in die­sen Tagen las, stieg nach einer test­wei­sen Redu­zie­rung der Wochen­ar­beits­zeit von 5 auf 4 Tage. Das macht doch Hoffnung!

Wir brau­chen mehr Kita­plät­ze und das erfor­der­li­che Per­so­nal. Allein­ste­hen­de Müt­ter oder Väter fin­den – wenn über­haupt – nur schwer Kita­plät­ze für ihre Kin­der, deren Öff­nungs­zei­ten sich mit den Ansprü­chen ihrer Arbeit­ge­ber in Ein­klang brin­gen las­sen. Und das ist nur ein Pro­blem, das in ande­ren Län­dern gut (bes­ser) gelöst zu sein scheint. In Deutsch­land klappt das bis­her nicht. Viel­leicht ist das auch des­halb so, weil sich zu weni­ge für sol­che Jobs fin­den. Ob das nur ein finan­zi­el­les Pro­blem ist? 

Was ich aller­dings schwer begrei­fe ist, wel­che Aus­wir­kun­gen sol­che Ver­än­de­run­gen im inter­na­tio­na­len Ver­gleich haben wer­den. In Asi­en leben wahn­sin­nig vie­le jun­ge Men­schen. Die­se Men­schen sind für ihren Ehr­geiz bekannt und im Ver­gleich mit uns Euro­pä­ern von gro­ßem Enga­ge­ment geprägt. Da den­ke ich nicht ein­mal nur an die Chi­ne­sen. Was bedeu­tet das für die Zukunft Deutschlands? 

Wel­che Wir­kung hät­te der Ken­ne­dy-Satz wohl heu­te? Er sag­te Anfang der 1960-er Jah­re zu sei­nen Leu­ten: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, son­dern was ihr für euer Land tun könnt?“ Ver­fan­gen sol­che patrio­ti­schen Atti­tü­den heu­te noch? Ich den­ke nicht. Nase­rümp­fen wird bes­ten­falls die Reak­ti­on sein und viel Unverständnis. 

Deutschland war mal Vorbild

In einem Spie­gel-Arti­kel zum The­ma schreibt die Autorin zum Schluss: „Denn die Jun­gen haben ver­stan­den: Wir leben, um zu leben – und nicht, um zu arbei­ten.“ Nun, es soll ja Natio­nen in Euro­pa geben, in denen sich die­se Sicht aufs Leben schon seit Jahr­zehn­ten manifestiert. 

Ich möch­te jetzt nicht dar­auf ein­ge­hen, wie wenig begeis­tert unse­re Gesell­schaft auf sol­che von der deut­schen Sicht abwei­chen­de Ein­stel­lung reagiert hat. Wir erin­nern uns an die vie­len fie­sen Adjek­ti­ve, die wir dafür gefun­den haben und die schließ­lich wäh­rend und nach der Grie­chen­land­kri­se zu einem wah­ren Sym­pa­thie­tor­na­do führten. 

Nicht, dass wir wie Anfang der 1980-er Jah­re, einem Höhe­punkt der No-Future-Bewe­gung wie­der sin­gen müs­sen: „Jetzt wird wie­der in die Hän­de gespuckt“. Wie passt das alles zusam­men und wohin füh­ren uns die über­kan­di­del­ten Vor­stel­lun­gen einer Work-Life-Balance?

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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5 Gedanken zu „Einen Mangel an Arbeit wird es zunächst nicht geben“

  1. Juri Nello 470 1. März 2023 um 20:37

    Ich fin­de nicht, dass das über­kan­di­delt ist.
    Die meis­te Märk­te sind ohne­hin über­sät­tigt. Es ist kom­plett egal, ob nur 1000000000000 oder nur 2 Autos vom Band lau­fen, daher ver­knappt man künst­lich auch die Märk­te. Der Lebens­mit­temarkt ist kom­plett in der Hand von Mono­po­lis­ten. Noch bis 2005 hat es einen spür­ba­ren Unter­schied gemacht, wo Du ein­kau­fen warst.

    Wer soll denn als Gerüst­bau­er mit 67 noch auf jeder Bau­stel­le sei­nen Job machen? Gera­de wenn noch Mon­ta­ge inner­halb von der EU ange­sagt ist?

    Gibt es da Sozi­al­plä­ne? Nee, aber ggf. einen Platz in einem unbe­zahl­ba­ren Altenheim.

    Arbeit ist durch und durch geprägt von nar­ziss­ti­schen Orga­ni­sa­ti­ons­sys­te­men. Das macht es nicht bes­ser. Dazu kommt das all­ge­gen­wär­ti­ge Inti­gran­ten­sta­del, wenn mehr als 20 Deut­sche zusammenkommen.

    Deutsch­land hat es ver­passt sich Stand­bei­ne außer­halb der Indus­trie auf­zu­bau­en und will auch gar nichts anderes. 

    Immer­hin sind heu­ti­ge Anwär­ter auf Jobs in einer bes­se­ren Ver­hand­lungs­po­si­ti­on. Nur, das nicht jeder die­se auch nut­zen kann.

    Es wird Zeit für not­wen­di­ge Ver­än­de­run­gen. Deutsch­land wird aber auch das ver­schla­fen. Es gefällt sich so, wie es ist.

  2. Juri Nello 470 2. März 2023 um 23:19

    Ich sehe, Du kommst am Ende doch zu ähn­li­chen Schlüssen. 

    Seit Coro­na wis­sen wir, dass der Mit­tel­stand offen­sicht­lich nur begrenzt wich­tig ist.
    Ja, der Mit­tel­stand hat­te mal Deutsch­land über Deka­den am Kacken gehalten. 

    Der neue Mit­tel­stand sind Start Ups, deren Geschäfts­idee es ist, ihren Laden schnell an eine Heu­schre­cke zu ver­klop­pen, un sich dann in die Ren­te zu verabschieden.

    Der Rest der ach so frei­en Märk­te befin­det sich bereits in der Hand von Mono­po­lis­ten, bzw. Oligopolen.
    Jedes digi­ta­le Geschäfts­mo­dell ist heu­te bereits als Mono­pol konstruiert.
    Eine Fir­ma muss­te da sonst lan­ge für agieren.

    Das führt auch zu so lus­ti­gen Din­gen, dass Meis­ter Röh­richt eben nicht für sich, son­dern für die Gas,Wasser & Schei­ße Limi­t­ed inter­na­tio­nal sei­ne Roh­re ver­le­gen muss. Tut er es nicht, ist er bei nächs­ter Gele­gen­heit auf­grund der Kon­ven­tio­nal­stra­fe (nicht nur) vom Markt verschwunden.

    Das war schon nicht so schlecht, dass man den Kapi­ta­lis­mus frü­her etwas gezü­gelt hatte.

  3. Juri Nello 470 4. März 2023 um 00:31

    Frag doch mal Twit­ter. Man braucht einen Dum­men, der Geld dafür aus­gibt, wie immer im Kapitalismus.
    Kun­den sind nur die dum­men Rei­chen. Alle ande­ren sind kei­ne Kun­den. Ent­spre­chend sind die Märk­te strukturiert.

    Erin­nerst Du Dich noch, wie VOX als Sen­der ange­fan­gen hat? Intel­li­gen­ter Fern­se­hen? Knapp 3 Mona­te hiel­ten sie das durch.
    Heu­te wür­de da erst kei­ner mehr was anbie­ten wollen.

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