Wenn die Jahre rasen: Eine Reflexion über das Älterwerden

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DALL·E 2024 06 16 14.04.49 An old photo album lying on a wooden table, with a mix of yellowed and colorful photos sticking out slightly. The scene is bathed in soft sunlight, cr

Tiefgründige Gedanken über das Älterwerden errei­chen uns nicht etwa erst im fort­ge­schrit­te­nen Alter. Insbesondere in die­sen unsi­che­ren, oft beängs­ti­gen­den Zeiten rapi­der Veränderungen sind sie selbst bei den ganz Jungen aus­zu­ma­chen. Und doch gibt es einen Unterschied in der Wahrnehmung, der mich auch nicht seit ges­tern beschäf­tigt: Warum scheint es, dass die Jahre, die uns einst end­los erschie­nen, mit jedem Geburtstag schnel­ler an uns vor­bei­zie­hen? Ich bin 70 und ein klei­ner Trost ist, dass vie­le, die mir etwas bedeu­ten, (Gott sei Dank) gemein­sam mit mir altern. Es wäre kaum aus­zu­hal­ten, wür­de der Zahn der Zeit nur an mir nagen.

Keine Sorge!

Ich kann kaum fas­sen, dass ich schon 10 Jahre in Rente bin. Einerseits genie­ße ich die­sen Lebensabschnitt in vol­len Zügen, ande­rer­seits stel­le ich fest, dass die Zeit – mei­ne Zeit – dahin rast. Das Gefühl von Dankbarkeit soll­te domi­nie­ren. Es ist, falls es je domi­niert haben soll­te, Sorgen und Ängsten gewi­chen. Die Gründe sind nicht, bis jetzt nicht, kon­kret. Sie wabern dif­fus durch unse­re Tage. Ob das gut geht, ob sich noch ein­mal ein Gefühl der Unbeschwertheit, der Zuversicht ein­stel­len wird? Welche Auswirkungen wer­den die besorg­nis­er­re­gen­den Entwicklungen auf unser eige­nes Leben haben und auf das unse­rer Familie und Freunde?

Wie es war

Als Kind ist die Zeit ein unend­li­ches Meer. Die Tage sind lang, Sommerferien eine Ewigkeit, und die Stunden im Klassenzimmer deh­nen sich wie Kaugummi. Jede neue Erfahrung, jedes Abenteuer, jedes Spiel ist ein fun­keln­der Edelstein im Mosaik unse­rer Erinnerung. Die Welt ist neu, groß und vol­ler unent­deck­ter Wunder. Es gibt so vie­les, was zum ers­ten Mal erlebt wird, dass die Zeit sich streckt und dehnt, als ob sie selbst neu­gie­rig auf all die­se Entdeckungen wäre.

Doch mit den Jahren ändert sich das. Die neu­en Erfahrungen wer­den sel­te­ner, der Alltag über­nimmt das Kommando. Routinen schlei­chen sich ein, und die Tage begin­nen, sich inein­an­der­zu­fü­gen wie Perlen auf einer Schnur. Das ers­te Mal wird sel­te­ner und das Vertraute tritt an des­sen Stelle. Das Gehirn, die­ses wun­der­ba­re Organ, passt sich an, fil­tert und kom­pri­miert die Flut an Informationen. Momente, die frü­her ein gan­zes Kapitel gefüllt hät­ten, wer­den nun zu Fußnoten.

Lebensfotos

Erinnerungen sind wie eine Sammlung von Fotografien. Als Kind ist das Album groß und jede Seite ist mit bun­ten, leben­di­gen Bildern gefüllt. Doch je älter wir wer­den, des­to mehr Seiten blät­tern wir durch, und die neu­en Fotos wer­den sel­te­ner. Die vie­len gleich­ar­ti­gen Tage ver­schwim­men zu einem Hintergrundrauschen, und nur beson­de­re Ereignisse ste­chen her­vor. Unser Gedächtnis ord­net die Erinnerungen, spei­chert sie effi­zi­en­ter, und so scheint die Zeit schnel­ler zu vergehen.

Vielleicht ist es auch die wach­sen­de Weisheit, die uns die Zeit so flüch­tig erschei­nen lässt. Wir erken­nen erst all­mäh­lich, dass das Leben begrenzt ist, dass die Sanduhr unse­res Daseins unauf­halt­sam rinnt. Dieses Bewusstsein lässt uns die Zeit kost­ba­rer erschei­nen, und das Vergängliche wird deut­li­cher spürbar.

Und so sit­zen wir da, in einem stil­len Moment, und bli­cken zurück. Die Kindheit, die Jugend, sie lie­gen weit hin­ter uns, wie fer­ne Inseln in einem end­lo­sen Meer. Die Zeit mag schnel­ler ver­ge­hen, doch gera­de das gibt jedem Augenblick sei­nen beson­de­ren Wert. Denn in der Flüchtigkeit des Lebens liegt auch sei­ne Schönheit, und in der Erkenntnis der Vergänglichkeit fin­den wir viel­leicht den Ansporn, jeden Moment bewusst zu leben und zu schätzen.

Wir sind mit unse­rem Leben zufrie­den. Es wäre per­fekt, wenn nicht so vie­le Gewissheiten in den ver­gan­ge­nen Jahren ins Rutschen gera­ten wären. Die Verunsicherung gro­ßer Teile der Gesellschaften (nicht nur hier in Deutschland) lässt sich mit Händen grei­fen. Hoffen wir, dass wir noch ein­mal den Turnaround schaf­fen. Ob der Planet uns die­sen ver­rück­ten Wunsch nachsieht? 


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3 Gedanken zu „Wenn die Jahre rasen: Eine Reflexion über das Älterwerden“

  1. Schöner Text, passt wie die Faust auf’s Auge 😉 Im Ernst, ich hät­te nie gedacht, dass die Zeit im Alter gefühlt schnel­ler ver­rinnt. Jetzt mit Ende 50 muss ich fest­stel­len, dass es tat­säch­lich so ist. Leider habe ich auch schon Freunde und Bekannte mei­nes Alters zu Grabe tra­gen müs­sen, das macht dann die Zeit mit den ver­blei­ben­den Freunden umso wert­vol­ler. Am altern kann ich nichts Positives fest­stel­len, außer viel­leicht eine gewis­se Altersmilde und Gelassenheit. 

  2. Für mich ver­geht die Zeit heu­te genau­so viel­fäl­tig schnell oder lang­sam wie mit 35 oder mit 18. Habe/​hatte ich viel und viel­sei­tig zu tun, geht/​ging sie schnell rum, waren die Lebensaktivitäten mal eher ein­för­mig, dehnt/​dehnte sie sich bis zur Langeweile.

    Nie waren in mei­nem Leben 6 Wochen so kurz wie in den Schul-Sommerferien oder 3 Monate in den Sommer-Semesterferien. Eben hat­te ich die Oberstufe (Klasse 11) erreicht, schon hat­te ich Abitur, so schnell waren die­se 3 Jahre rum.

    Das gan­ze Geheimnis scheint dar­in zu bestehen, dass wir in der Regel in unse­ren jun­gen Jahren ein viel­fäl­ti­ge­res oder wech­sel­haf­te­res Leben füh­ren als im Alter. Deswegen mache ich mir dar­aus nichts.

    Ich bin aller­dings heu­te mit 64 (bzw. seit einer gan­zen Reihe von Jahren schon) duld­sa­mer und gelas­se­ner als frü­her. Meine kul­tu­rel­len Horizonte, beson­ders bzgl. Musik, Filmen und Literatur, haben sich seit­dem erwei­tert – ich bin auf­ge­schlos­se­ner geworden. 

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