Ukraine-​Krieg: Moral, Kosten und die Folgen für Deutschland

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> 8 Kommentare

In Deutschland sind inzwi­schen (Herbst 2024) ca. 33 % der hier leben­den Ukrainer in Arbeit. Das ist den Unzufriedenen immer noch zu wenig. Dabei liegt die­ser Wert im Durchschnitt der ande­ren euro­päi­schen Länder. 

30 % suchen der­zeit eine Arbeit. Ich fra­ge mich, wie das sein kann, ange­sichts eines Arbeitsmarktes, dem Hunderttausende von Arbeitskräften feh­len. Kürzlich hieß es, dass allein 100.000 Lkw-​Fahrer in Deutschland feh­len. Gut, ich sehe ein, dass nicht alle Ukrainerinnen und Ukrainer poten­zi­el­le Lkw-​Fahrer sind.

Es fehlen Arbeitskräfte

In Talkshows wie „Markus Lanz” wird lie­ber wei­ter mit alten Zahlen (aus den Jahren 2022) han­tiert. Damals popp­te das Thema erst­mals auf. Die Methode ist unka­putt­bar. Und sie scheint zur glei­chen Sorte zu gehö­ren, in der in unse­ren Talkshows und ande­ren Blüten des deut­schen Journalismus am liebs­ten jedem Mitglied der Ampel-​Regierung ein­zeln Versagen vor­ge­hal­ten wird.

Kolumne im Focus
Titel einer Kolumne im Focus

Vom „Zerlegen” reden die Leute auf gewis­sen Kanälen von YouTube immer­zu. Scheinbar mer­ken die Leute nicht, dass wir das Zerlegen inzwi­schen in ganz ande­rem Maßstab trai­nie­ren. Das wird uns als Gesellschaft bestimmt noch ganz weit nach vorn bringen.

Die Beschäftigungsquoten in den ver­schie­de­nen euro­päi­schen Ländern sind sehr hete­ro­gen. Mit einer Beschäftigungsquote von knapp 27 Prozent im ers­ten Quartal 2024 liegt Deutschland im euro­päi­schen Mittelfeld.

Quelle

Ob die­se pene­tran­ten Ampel-​Verriss-​Themen, ein­schließ­lich den Vergleichen mit ande­ren Ländern, die das ja alles so viel bes­ser hin­be­kom­men haben, wohl enden, wenn Merz über­nom­men hat? Ich per­sön­lich glau­be das ja nicht. Die wer­den vor einem Berg von Problemen ste­hen, der natür­lich ganz genau­so aus­schaut wie der, vor denen die Ampel seit ihrem Antritt gestan­den hat.

Energiekosten waren und sind längst zum entscheidenden Wettbewerbsnachteil für unsere Wirtschaft geworden

Für die momen­ta­ne Konjunkturschwäche ist vor allem der Ausfall der bil­li­gen Energie aus Russland ver­ant­wort­lich. Bei der Autoindustrie ver­hält es sich anders. Dort lie­gen eher haus­ge­mach­te Probleme vor. Wir haben die­se durch die auch von die­ser Bevölkerung begrüß­ten, ja sogar vehe­ment gefor­der­ten Sanktionen ver­lo­ren und Putin hat als Ergebnis unter all dem, was „der demo­kra­ti­sche Westen” unter­nom­men hat, wie man­che schon damals befürch­te­ten, nicht den größ­ten Schaden genommen. 

Deutschland gibt das Geld weiter mit vollen Händen aus – andere tun es nicht

Polen zahlt Unterstützung nur in den ers­ten drei Monaten, danach sind die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine weit­ge­hend auf sich selbst gestellt. In Tschechien gibt es nach fünf Monaten umge­rech­net noch 130 Euro pro Monat. Noch weni­ger staat­li­che Hilfe bekom­men Flüchtlinge in Großbritannien.

[…]

In Polen und Tschechien arbei­ten rund zwei Drittel der ukrai­ni­schen Kriegsflüchtlinge, in Großbritannien mehr als die Hälfte. In Deutschland ist es nur jeder Fünfte. Diese Zahlen hat der Soziologe Dietrich Thränhardt im November 2023 für eine Studie der SPD-​nahen Friedrich-​Ebert-​Stiftung zusam­men­ge­tra­gen. Doch es lie­ge nicht an den Sozialleistungen, stellt der eme­ri­tier­te Professor an der Universität Münster fest. Denn auch in Dänemark (78 Prozent), gefolgt von Schweden und den Niederlanden (mehr als 50 Prozent) arbei­ten mehr Ukrainer als in Deutschland, und dort gibt es dau­er­haft Geld vom Staat.

Quelle

Die Sozialleistungen in Deutschland sol­len laut Thränhardt nicht der Grund sein, wes­halb hier die meis­ten Ukrainer geflüch­tet sind, denn andern­orts gäbe es „dau­er­haft Geld vom Staat”. Ich fra­ge mich, wie hoch die Zahlungen sind und ob sie zweck­ge­bun­den sind. 

Beschäftigungsquote und Sozialdebatte: Wie effektiv ist Deutschlands Integrationspolitik?

Statistik: Kosten des Bundes in Deutschland für Flüchtlinge und Asyl von 2023 bis 2028 (in Milliarden Euro) | Statista
Mehr Statistiken fin­den Sie bei Statista

Wie die Regierung eines Landes, unter wel­cher Führung auch immer, die eige­nen Interessen in die­ser Art und Weise so krass ver­nach­läs­si­gen kann, wird mir ein Rätsel blei­ben. Ich wüss­te in die­sem Zusammenhang auch sehr ger­ne, wel­che gut­mensch­li­chen Überzeugungen die­se Regierung dazu gebracht haben, mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine gegen­über ande­ren Flüchtlingen und Asylbewerbern der­art zu bevorzugen.

34 Milliarden EUR seit 2022 für die Ukraine und die Flüchtlinge aus der Ukraine und das ist nicht alles

Rund 53 Milliarden Euro hat die Bundesregierung seit Beginn des rus­si­schen Angriffskriegs bezahlt. Die Summe setzt sich zusam­men aus rund 34 Milliarden, die für die Ukraine oder für ukrai­ni­sche Geflüchtete in Deutschland aus­ge­ge­ben wur­den, und aus Hilfen der EU, an denen sich Deutschland nach Angaben des Kieler Instituts für Wirtschaftsforschung (IfW) auch mit rund 19 Milliarden Euro betei­ligt hat. Hinzu kom­men Leistungen der Länder und Kommunen, bei­spiels­wei­se für die Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Deutschland ist damit nach den USA der zweit­größ­te Unterstützer der Ukraine. Im Vergleich zu ande­ren Ländern, die die Ukraine unter­stüt­zen, ist die deut­sche Wirtschaftskraft aber auch sehr stark.

Quelle

Jedenfalls tun die Ukrainer, die hier leben, nicht das, was die deut­schen Bürger in die­ser Lage ver­mut­lich von ihnen erwar­tet haben. Die Gründe dafür, dass nur ein Drittel von ihnen arbei­ten gehen, sind aktenkundig:

Hier die wichtigsten:
  1. 92 % haben noch kei­ne hin­rei­chen­den Sprachkenntnisse
  2. 37 % betreu­en ihre Kinder
  3. 34 % haben eine Rückkehr in die Ukraine geplant
  4. 32 % nen­nen gesund­heit­li­che Gründe

Offenbar konn­ten meh­re­re Gründe ange­ge­ben werden.

Soziale Transferleistungen, gemes­sen an dem Anteil der durch­schnitt­li­chen Ausgaben je Geflüchteten am BIP pro Kopf, haben nur einen klei­nen und sta­tis­tisch nicht signi­fi­kan­ten Einfluss auf die Beschäftigungsquote ukrai­ni­scher Geflüchteter

IBA, Arbeitsmarktintegration ukrai­ni­scher
Geflüchteter: Eine inter­na­tio­na­le Perspektive (1)

Man möch­te uns also wei­ter­hin ein­re­den, dass finan­zi­el­le Anreize eine unter­ge­ord­ne­te Rolle spie­len wür­den. Die Wissenschaft lässt sich bei sol­chen Fragen (Corona) zu sehr vor den Karren der Politik span­nen, fin­de ich. 

Wenn gleich­zei­tig fol­gen­de Feststellung getrof­fen wird, bin ich wohl zu Recht irritiert:

Bedeutsam sind zudem sozia­le Netzwerke sowie aus­ge­präg­te Englischkenntnisse in der Bevölkerung des Ziellandes, die offen­bar die Kommunikation und damit die Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern.

IBA, Arbeitsmarktintegration ukrai­ni­scher
Geflüchteter: Eine inter­na­tio­na­le Perspektive (1)

Im Grunde wird man fest­stel­len dür­fen, dass das Land und sei­ne Menschen an allem schuld sind. Eine migra­ti­ons­un­freund­li­che Bevölkerung, zu gerin­ge oder schlech­te Englischkenntnisse und dies und das lässt sich noch anfüh­ren. Ich fra­ge mich bei sol­chen Aussagen, wie es unter die­sen Umständen dazu kommt, dass trotz­dem die meis­ten der Ukraine-​Flüchtlinge in Deutschland leben und nicht in den Ländern, in denen der Durchschnitt der Bevölkerung ein bes­se­res Englisch spricht? Schade, dass die­se Frage nicht beant­wor­tet wird.

Mich erin­nert das an die Debatten unter „Fachleuten”, die immer einen dabei­hat, der die mas­si­ve Unterstützung der Ukraine durch Deutschland immer dadurch rela­ti­viert, dass er die­se Leistungen ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt unse­res Landes setzt. Danach belegt näm­lich Deutschland nicht den 2. Rang nach den USA, son­dern Estland, Dänemark, Schweden und Litauen lie­gen weit vor Deutschland. 

Statistik: Ukraine-Krieg: Militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung ausgewählter Länder¹ für die Ukraine nach Anteil am Bruttoinlandsprodukt (bis 31. August 2024)  | Statista
Mehr Statistiken fin­den Sie bei Statista

Wenn Estland ca. 1,54 Mrd. $ und Dänemark ca. 12,3 Mrd. $ zur Verfügung gestellt haben, wird das für die Ukraine dem­nach zumin­dest unter mora­li­schen Aspekten wert­vol­ler sein als Dutzende von Milliarden, die aus Deutschland kamen? In den 53 Mrd. EUR sind zwar die auch über die EU geleis­te­ten Anteile ent­hal­ten, nicht jedoch die Kostenaufwände, die unse­re Städte- und Gemeinden zusätz­lich auf­brin­gen mussten.

Man kann eben nicht genug kla­gen. Dass eine Diskussion in Deutschland über die­se Situation und vor allem über die Kosten für die Versorgung der ukrai­ni­schen Menschen geführt wird, ist nicht ver­werf­lich. Ich ver­ste­he auf der ande­ren Seite, dass die Ukrainer und ihre im Lande ordent­lich für Stimmung sor­gen­den Vertreter die sich breit­ma­chen­de nega­ti­ve Stimmung kri­ti­sie­ren. Aber wir sind es schließ­lich längst gewohnt, dass wir von allen kri­ti­siert wer­den – nicht nur der Kanzler.

Sollten die Russen den Krieg gegen die Ukraine gewin­nen und Putin sich ermun­tert füh­len, sich auf den Weg nach Westen zu machen, haben wir mit unse­rer kos­ten­träch­ti­gen, aber ganz und gar nicht interessen‑, son­dern moral­ba­sier­ten und ver­ant­wor­tungs­lo­sen Politik gegen­über unse­ren Bürgern nichts für die eige­ne Verteidigungsfähigkeit getan. Wir wis­sen, wo die Bundeswehr steht. Trotz des Sondervermögens von 100 Mrd. EUR hat sich nichts gebes­sert. Jedenfalls wird das so kol­por­tiert – auch von der deut­schen Presse.

Unsere teure Vorstellung von politischer Moral

Wir haben die Ukraine mit Abermilliarden unter­stützt. Trotzdem war und ist es nie genug. Was soll die Bevölkerung über eine Regierung den­ken, die das urei­gens­te Interesse ihrer Bevölkerung gegen Moral ein­ge­tauscht hat?

Wenn sich die Menschen jetzt dar­über grä­men, dass die­ser oran­ge­far­be­ne Mann die USA nach Belieben beherr­schen kann (Senat, Repräsentantenhaus und Supreme Court) und das, wie zurecht gefürch­tet wird, auch tun wird, soll­ten sol­che ekla­tan­ten Widersprüche drin­gend breit debat­tiert werden. 

Keine grundlegende Änderung in Sichtweite

Wir tun das wohl aus Bequemlichkeit nicht. Die uns ver­mut­lich bevor­ste­hen­de neue Große Koalition wird an die­sem Vorgehen nichts ändern, obwohl das Geld über­all knapp ist. Später fra­gen wir uns dann, wenn die AfD in die Nähe einer abso­lu­ten Mehrheit rückt, wie das nur gesche­hen konn­te? Die wenigs­ten wol­len von einem poli­ti­schen Establishment etwas wis­sen, das die Interessen sei­ner Bürger nicht wahrt.


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8 Gedanken zu „Ukraine-​Krieg: Moral, Kosten und die Folgen für Deutschland“

  1. Da sind die Kosten für den Wiederaufbau noch gar nicht dabei. Das dür­fen noch mal eini­ge hun­dert Milliarden Euro sein, nicht zu ver­ges­sen die monat­li­chen Transferleistungen, da das Land abseh­bar die nächs­ten Jahre braucht, da es wirt­schaft­lich wohl bei Null anfängt. Wenn ein (gewoll­ter?) Kollateralschaden des Ukrainekonflikts die wirt­schaft­li­che Schwächung Europas durch Liquiditätsabfluss gewe­sen sein soll­te, dann dürf­te das gelun­gen sein, zumin­dest für die Bundesrepublik.

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  2. Deutschland hat lang genug Zeit gehabt, die Weichen rich­tig zu stel­len. Ein roh­stoff­ar­mes Land, dass aus­schließ­lich auf den Export von Industriegütern bei gleich­zei­ti­ger Vernachlässigung des Binnenmarktes zuguns­ten aus­län­di­scher Kartelle setzt, gibt’s wohl sonst nirgendwo.

    Für die Ukrainer hät­te man auch einen eige­nen Topf kre­ieren kön­nen. Das es Neid und Missgunst schürt, wenn bei den Einheimischen Vermögenswerte geprüft und ver­rech­net und ggf. ein Anwalt tätig wer­den muss, damit sie zum Bürgergeld kom­men und Andere nicht, kann man als poli­tisch so gewollt betrachten.

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  3. @JURI NELLO: Politisch gewollt heißt auch immer gesell­schaft­lich gewollt. Die Deutschen sind lei­der immer noch zu obrig­keits­hö­rig, das scheint in den Genen zu lie­gen. Offensichtlich sind wir auch für Manipulationen, schö­nen Worten und Politiker mit Welpenblick und Freundschaftsarmbändchen anfällig.

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  4. Ich fin­de es scha­de, dass die Menschlichkeit bei all den Diskussionen um Kosten und Leistungen immer mehr ver­lo­ren geht. Natürlich ist man gefrus­tet, wenn man sieht, wie viel hier im argen liegt aber für ande­re trotz­dem viel Geld aus­ge­ge­ben wird. Wo auch immer Hilfen flie­ßen, der deut­sche Staat zahlt kräf­tig mit. Die Probleme im eige­nen Land schei­nen da unwich­tig, die eige­ne Bevölkerung fühlt sich zurück­ge­setzt. Und wenn sich jemand dann „auf unse­re Kosten aus­hal­ten lässt”, haben vie­le ent­spre­chen­de Wut im Bauch. Aber wür­den wir anders han­deln, wenn wir vom Krieg am eige­nen Leib betrof­fen wären? Würden wir nicht auch flüch­ten in ein Land, in dem wir uns gut ver­sorgt und sicher mei­nen und hof­fen, so schnell wie mög­lich zurück­keh­ren zu kön­nen (und uns daher kaum integrieren)?

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