Thema: Europa

26 Artikel

Seebadhotel und andere Spiegelbilder einer taumelnden Gesellschaft

Ein Ministerialrat, der sich über die einseitige Berichterstattung des dänischen Rundfunks beklagt. Eine deutsche Urlauberin, die ihre Begeisterung für den „Führer“ nicht hinter dem Berg hält. Und Hotelgäste, die lieber über das Wetter plaudern als über die politische Lage. Willkommen im Seebadhotel – einem Mikrokosmos der Apathie.

Die dänische Serie Badehotellet (dt. Seebadhotel) spielt in den Sommermonaten der Jahre 1928 bis 1947 an der Nordseeküste. Europa taumelt auf die Katastrophe zu, aber in den komfortablen Suiten des Badehotels scheint die Welt in Ordnung. Die Serie ist nicht laut, nicht dramatisch. Und genau deshalb trifft sie einen Nerv: Sie zeigt, wie die Normalität des Alltags politische Entwicklungen stillschweigend begleitet, mit einem Lächeln und einem Gin Tonic in der Hand.

Nur der Ministerialrat wirft gelegentlich einen Blick auf die Welt außerhalb der Küste. Er kritisiert die mangelnde Objektivität der Rundfunk-Berichterstattung. Das klingt vertraut. Damals wie heute ist die Frage: Wer kontrolliert die Wahrheit? Die anderen Hotelgäste ziehen es vor, sich damit nicht zu beschäftigen. Politik stört die Ferienlaune.

Diese Gleichgültigkeit, dieses „Lieber nicht darüber reden“ oder „wir können es ohnehin nicht ändern“, zieht sich durch die Serie wie der Horizont am Meer. Und sie erinnert schmerzhaft daran, wie leicht wir bereit sind, den Blick abzuwenden, wenn die Dinge unangenehm werden.

Zwischen Glanz und Abgrund: Weitere Serien der Zwischenkriegszeit

Badehotellet ist nicht allein. Zahlreiche Serien der letzten Jahre haben die Zwischenkriegszeit als erzählerisches Labor entdeckt – und sie alle werfen Fragen auf, die uns auch heute betreffen.

Berlin, 1929: Im legendären Tanzlokal Moka Efti drängen sich Nachtschwärmer zu Jazzklängen, während draußen Arbeitslose und Kriegsveteranen auf den Straßen ums Überleben kämpfen. Solche kontrastreichen Bilder zeichnen die TV-Serie Babylon Berlin (Deutschland, seit 2017), die den Zeitgeist der späten Weimarer Republik einfängt. Berlin wird darin als „Metropole in Aufruhr“ gezeigt – eine zerrissene Stadt im radikalen Wandel. Tatsächlich standen in der Hauptstadt der 1920er-Rausch und Elend nebeneinander: rauschhafter Exzess und extreme Armut, Emanzipation und Extremismus prallen aufeinander. Die „Goldenen Zwanziger“ brachten künstlerische Blüte und nächtliches Vergnügen, ließen aber auch Kriminalität blühen und politische Spannungen eskalieren. Babylon Berlin lässt uns in diese schillernde und zugleich brüchige Welt eintauchen – eine Welt, die ahnen lässt, wie die Gesellschaft am Abgrund balanciert, kurz bevor der Nationalsozialismus alles in die Katastrophe stürzt.

Auch international widmen sich erfolgreiche Serien jener Zwischenkriegszeit als Spiegel der Gesellschaft. Peaky Blinders (Großbritannien, 2013–2022) etwa versetzt uns nach Birmingham 1919, in eine vom Krieg gezeichnete Industriestadt. Eine ehemalige Gang von Kriegsveteranen um Tommy Shelby kämpft sich durch das Milieu aus Armut, Erwerbslosigkeit und organisiertem Verbrechen – und sieht sich bald neuen Bedrohungen gegenüber. Spätestens in den späten Staffeln tritt mit Sir Oswald Mosley ein berüchtigter Faschist auf den Plan, der im Großbritannien der 1930er die rechtsextreme British Union of Fascists anführt. Die Serie zeigt so nicht nur das Elend und die Wut der Arbeiterklasse nach dem Ersten Weltkrieg, sondern auch das Aufkommen radikaler Ideologien im Untergrund der Gesellschaft.

Einen ganz anderen Blickwinkel bietet Downton Abbey (Großbritannien, 2010–2015): Hier stehen ein aristokratisches Landgut in Yorkshire und sein Personal im Mittelpunkt. Zwischen 1912 und 1926 erlebt die Adelsfamilie Crawley eine Folge tiefgreifender Umbrüche. Der Untergang der Titanic markiert den Auftakt, gefolgt vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der Spanischen Grippe, der Einführung des Frauenwahlrechts und dem irischen Unabhängigkeitskrieg.

Downton Abbey zeigt diesen Wandel mit prachtvollen Kulissen – und dennoch mit realistischer Detailtreue. Alte Hierarchien beginnen zu bröckeln. Diener verlassen traditionelle Lebenswege. Und Frauen erobern sich nach und nach neue Rollen in einer sich verändernden Gesellschaft.

Eine weitere Facette liefert Las chicas del cable – Die Telefonistinnen (Spanien, 2017–2020). Diese spanische Netflix-Serie folgt vier jungen Telefonistinnen im Madrid des Jahres 1928, die alle aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammen. Vor dem Hintergrund der technischen Moderne – dem Aufkommen der Fernsprech-Technologie – kämpfen Lidia, Carlota, Ángeles und Marga um persönliche Freiheit und Gleichberechtigung in einer männlich dominierten Gesellschaft.

Zugleich werden sie Zeuginnen der politischen Entwicklung Spaniens jener Jahre. Die Serie beginnt in den späten 20ern und führt durch die turbulente Zweite Spanische Republik bis an den Vorabend des spanischen Bürgerkriegs 1936. Damit zeigt Die Telefonistinnen eindrücklich, wie eng private Schicksale und gesellschaftliche Umbrüche verflochten sind: Während die Protagonistinnen um Selbstbestimmung ringen, verdunkeln sich nach und nach die politischen Wolken – eine Parallele, die viele europäische Länder der Zwischenkriegszeit teilen.

Diese und andere historische Serien dienen also nicht nur der Unterhaltung, sondern als Fenster in die Vergangenheit. Sie machen spürbar, wie die Menschen in den Jahren zwischen den Weltkriegen lebten, liebten und litten. Vor allem zeigen sie, wie instabil die Verhältnisse nach dem Schock des Ersten Weltkriegs waren: Demokratien waren neu und fragil, alte Monarchien verschwunden, die Wirtschaft mal hyperaktiv (Spekulationsblase, „Roaring Twenties“), mal am Boden (Weltwirtschaftskrise). Arbeitslosigkeit und Armut standen glitzerndem Großstadtleben gegenüber.

Zugleich radikalisierten sich Ränder von links und rechts; viele fühlten, die etablierte Politik habe versagt. Serien wie diese sind ein Spiegel: Sie fangen die Atmosphäre jener Zeit ein – das Flirren zwischen Aufbruch und Absturz – und machen die Gefühlslage greifbar, die damals viele umtrieb.

Nationalistische Tendenzen in Europa heute

Fast ein Jahrhundert später blickt Europa erneut in einen Abgrund wachsender politischer Extreme. Was einst Geschichte schien, wirkt plötzlich beklemmend aktuell: In mehreren europäischen Ländern haben nationalistische oder rechtspopulistische Parteien heute Regierungsverantwortung übernommen – oder stehen kurz davor.

In gleich sechs EU-Staaten – darunter Italien, Finnland, die Slowakei, Ungarn, Kroatien und Tschechien – sitzen inzwischen rechtspopulistische oder nationalkonservative Parteien mit am Regierungstisch.

In Schweden etwa mischt die Partei Sverigedemokraterna kräftig mit: Sie stellt zwar keine Minister, gibt aber als Tolerierungspartner den Ton an – der Einfluss ist spürbar, auch ohne Kabinettsposten.

Finnland wird seit 2023 von einer Koalition regiert, an der die Finnische Partei beteiligt ist – früher bekannt als „Wahre Finnen“. Ihre Linie ist klar: strikter Kurs bei Migration, kritische Haltung gegenüber der EU.

Und in Italien steht seit den Neuwahlen 2022 erstmals eine postfaschistische Partei an der Spitze des Staates. Giorgia Meloni und ihre Fratelli d’Italia stellen die Ministerpräsidentin – und prägen die Regierung mit nationalistischem Ton und konservativer Weltanschauung. Ihre Regierung aus nationalistischen und rechtskonservativen Kräften hat u.a. eine harte Linie in Migrationsfragen und ein betont traditionalistisches Gesellschaftsbild in ihr Programm geschrieben.

Auch in Osteuropa schlagen rechte Töne an. In Ungarn regiert Viktor Orbán bereits seit 2010; seine Fidesz-Partei hat ein System „illiberaler Demokratie“ geschaffen, das unabhängige Medien und Gerichte gezielt schwächt und mit nationalistischer Rhetorik die eigene Macht zementiert.

In Polen lenkte die nationalkonservative PiS (Prawo i Sprawiedliwość, Law and Justice) acht Jahre lang (2015–2023) die Regierung und baute in dieser Zeit Justiz und öffentlich-rechtliche Medien nach ihrem Gusto um – ein Kurs, der das Land mehrfach in Konflikt mit der EU brachte. (Erst Ende 2023 wurde PiS durch ein pro-europäisches Oppositionsbündnis abgewählt, was viele als Votum gegen den autoritären Kurs werteten.)


Am 1. Juni 2025 gewann Karol Nawrocki, unterstützt von der nationalkonservativen PiS-Partei, knapp die Präsidentschaftswahl in Polen mit 50,89 % der Stimmen. Sein Sieg könnte die pro-europäischen Reformen der Regierung unter Premierminister Donald Tusk erheblich behindern, da der Präsident in Polen über weitreichende Befugnisse verfügt, einschließlich eines Vetorechts. Nawrockis EU-skeptische Haltung und seine Nähe zu anderen nationalistischen Führern in Europa lassen befürchten, dass Polen sich weiter von der EU entfernt und demokratische Institutionen geschwächt werden könnten. 

Auch Slowenien und Serbien standen zeitweise unter dem Einfluss populistischer Führungspersonen, die mit markigen Parolen und autoritärem Gestus auf Stimmenfang gingen. In der Slowakei kehrte 2023 der umstrittene Ex-Premier Robert Fico zurück an die Macht – gemeinsam mit der rechtsextremen SNS, die im Wahlkampf mit ultranationalistischen Tönen auf sich aufmerksam machte.

Doch selbst vermeintlich stabile Demokratien sind nicht immun. In den Niederlanden etwa landete der islamfeindliche Provokateur Geert Wilders mit seiner PVV Ende 2023 einen Wahlsieg. Im Frühjahr 2024 wurde daraus ein handfestes Regierungsbündnis – und vermutlich die rechteste Regierung, die das Land seit dem Zweiten Weltkrieg gesehen hat.

Gleichzeitig wachsen klassische Rechtsparteien europaweit: Sie gewinnen Wähler, rücken in die Parlamente vor – und drängen die politische Mitte zunehmend an den Rand. In Frankreich erreicht Marine Le Pens Rassemblement National in Umfragen bereits über 30 % und liegt damit klar vor Emmanuel Macrons zentristischer Partei. Und in Deutschland schließlich erstarkt die AfD: Sie liegt mit rund 20 % zeitweise gleichauf mit den Volksparteien. In einigen ostdeutschen Bundesländern wurde sie zuletzt sogar stärkste Kraft. Erstmals seit 1945 gewann mit der AfD ein rechter Außenseiter einen Landratsposten, und die Partei zieht – wenngleich bislang isoliert – in immer mehr Landtage ein. Die Alarmglocken läuten also längst.

Echo der Geschichte? Diese aktuellen Entwicklungen lassen unweigerlich Parallelen zur Zwischenkriegszeit erkennen. Natürlich wiederholt sich Geschichte nie eins zu eins, doch gewisse Muster ähneln sich auf frappierende Weise. So befinden sich auch heute viele Bürger in einem Gefühl der Unsicherheit: Krisen und Umbrüche erschüttern die Gesellschaft, von Finanzkrisen über Pandemien bis hin zu rasanten technologischen Veränderungen. Inflation und Energieengpässe nagen in manchen Ländern am Wohlstand, globale Migration und Kulturwandel verunsichern Teile der Bevölkerung. Vor 100 Jahren litten die Menschen unter ganz ähnlichen Problemen – der Vergleich mit der Weimarer Zeit drängt sich auf.

Damals hatten Krieg, Hyperinflation und Arbeitslosigkeit breite Schichten in Verzweiflung gestürzt. Gesellschaften „buckelten unter Stress“: Erst Weltkrieg, dann eine tödliche Pandemie, dann galoppierende Teuerung – extreme wirtschaftliche Not und soziale Ängste schürten Wut auf das Establishment . Populisten fanden darin ihren Nährboden. Wie in den 1920ern ein Mussolini oder Hitler versprechen heutige Rechtsaußen-Politiker einfache Lösungen und nationale Wiederauferstehung.

Sie verstehen es meisterhaft, auf den Klaviaturen von Angst und Demütigung zu spielen. Sie geben dem Zorn der Menschen Raum – nicht, um ihn zu lindern, sondern um ihn zu lenken. Die Schuld wird Sündenböcken zugeschoben, die Ursachen vereinfacht, und sich selbst inszenieren sie als Retter aus der Not.

Und wie damals verfängt diese Botschaft bei vielen. Wer enttäuscht ist, wer sich abgehängt oder übersehen fühlt, ist eher bereit, hartes Durchgreifen zu akzeptieren – auch wenn dafür liberale Werte über Bord geworfen werden. Hauptsache, das Gefühl von Kontrolle und „Größe“ kehrt zurück.

Dennoch ist Vorsicht geboten bei allzu simplen Vergleichen.

Europa heute ist nicht das Europa von 1933 – die Demokratie ist gefestigter, die Lebensrealitäten sind andere. Und doch lohnt der Blick in den historischen Spiegel, den uns Serien wie Babylon Berlin oder Peaky Blinders bieten.

Er dient als Mahnung, wie rasch eine offene Gesellschaft ins Kippen geraten kann, wenn Krisen und Ängste sie erschüttern. Die gedankliche Brücke zwischen den 1920er/30er-Jahren und der Gegenwart ist kein Gleichsetzen, aber ein Warnsignal. Die damaligen Serien-Charaktere ahnten oft nicht, wie knapp ihre Welt vor dem Abgrund stand – wir als Zuschauer wissen es im Rückblick besser. Diese historische Erfahrung sollten wir in die Gegenwart mitnehmen. Die aktuellen rechten Tendenzen in Europa mögen auf demokratischem Wege entstanden sein, doch sie erinnern uns daran, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist. Gesellschaftliche Spannungen, wirtschaftliche Not und Identitätskonflikte können – damals wie heute – politische Extreme hervorbringen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich alleine mit solchen Gedanken bin, wenn ich solche Serien anschaue. Sie stellen für mich eine Gelegenheit dar, mich in diese Zeit und die mögliche Gefühlswelt der Menschen von damals hineinzuversetzen.

Die Welt von gestern spricht zu uns – leise vielleicht, aber unüberhörbar: Bleibt wachsam. Verteidigt, was euch schützt. Und nehmt den Extremisten den Nährboden, bevor daraus ein Flächenbrand wird. Nein, Geschichte wiederholt sich nicht in Reinkopie. Aber sie reimt sich. Und mancher Vers, den wir heute hören, klingt erschreckend vertraut.

Die Serien der Zwischenkriegszeit halten uns den Spiegel hin – nicht aus Nostalgie, sondern als Mahnung. Sie zeigen, wie schnell aus Gleichgültigkeit Gefahr wird.

Nutzen wir diesen Blick zurück, um klüger voranzugehen. Denn es geht längst nicht mehr nur um den Zustand der Demokratie. Vielleicht, so warnen manche, stehen wir am Vorabend eines tieferen, existenziellen Konflikts – wenn man jenen Glauben schenkt, die Russland als auferstandene, imperiale Zentrifuge begreifen. Ob Übertreibung oder Vorahnung: Die Zeichen mehren sich. Es liegt an uns, daraus Konsequenzen zu ziehen – entschlossen, bevor der Preis zu hoch wird.

Vance liebt Deutschland und gibt weiter bekloppte Tipps

Der Teil der politischen Elite, der das Sagen in den USA hat, ist jedenfalls unterhaltend. Ich könnte auf die Einlassungen dieser Leute allerdings gern verzichten. Vice President Vance warnt Europa und insbesondere Deutschland davor, »zivilisatorischen Selbstmord« zu begehen. Solche Clownerie angesichts der Vorgänge, die täglich normale Menschen in Europa und Deutschland ob der »neuen Nachrichten« aus den USA über die Medien erfahren, sollten uns lachen und nicht erschauern lassen.

Die »Welt« berichtet darüber.

Vance: »Sie sind nicht fähig oder nicht bereit, ihre Grenzen zu kontrollieren. Und man sieht, wie sie die freie Meinungsäußerung ihrer Bürger einschränken.«

Wenn Vance seinen Boss und das, was dieser sagt, ernst nehmen würde, dürfte er sich nicht zu solchen dummen Aussagen versteigen, die doch vor allem die Narrative der rechtsextremen AfD bedienen.

Trump hat kürzlich in einer Rede im US-Justizministerium erneut scharfe Kritik an den US-Medien geäußert. Er bezeichnete die kritische Berichterstattung großer Medien wie CNN und MSNBC als »illegal« und warf ihnen vor, der »politische Arm der Demokratischen Partei« zu sein. Laut Trump seien diese Medien »korrupt« und ihre Berichterstattung untereinander abgestimmt, was er als »Beeinflussung von Richtern« wertete. Er forderte, dass solche Praktiken gestoppt werden müssten, und stellte sie auf eine Stufe mit politischen Akteuren.

Trump hat seit Jahren eine feindliche Haltung gegenüber etablierten Medien und bezeichnet sie regelmäßig als »Feinde des Volkes«. In der Vergangenheit drohte er, unliebsamen Sendern die Lizenz zu entziehen, und schränkte den Zugang bestimmter Journalisten zum Weißen Haus ein. Gleichzeitig hat er rechten Medien, Bloggern und Podcastern bevorzugten Zugang gewährt, die ihm oft wohlwollend begegnen.

Ich meine, dieses Possenspiel jenseits des großen Teichs sucht wirklich seinesgleichen. Dabei haben wir ja in Deutschland in den letzten Tagen auch einiges erlebt, das einen normalen Politikkonsumenten wirklich sprachlos werden lässt. Aber Trump und Vance schlagen alles.

Vance ergänzt im Interview mit seinem Haussender Fox News, dass er Deutschland liebe. Ja, das glaube ich ihm aufs Wort.

Jetzt blicken die Regierungen der EU bedröppelt auf den Scherbenhaufen

Die Betroffenheit, die sich auch in gesenkten Stimmlagen mancher Diskussionsteilnehmer/innen im Nachklapp zu dem zeigte, was uns die Amis an Liebreiz in diesen Tagen offerieren, amüsiert mich einerseits. Andererseits habe ich allerdings doch so viel nationales Bewusstsein, dass ich diese Verrückten in Washington maximal verwünsche.

Die EU spielt geopolitisch keine Rolle mehr. Wer jetzt so tut, als sei er von dieser Entwicklung überrascht, muss sich fragen lassen, wo er in den vergangenen Jahrzehnten gelebt hat. Ob das vorläufig der Fall ist oder ob die Initiativen etwas im Bewusstsein der Politiker und Bürger verändern, bleibt immer noch abzuwarten.

Wir haben zugeschaut und insbesondere die deutsche Regierung (vor der Ampel) haben jeden nur erdenklichen Vorstoß der Partnerländer (z.B. Macron, Sorbonne) abtropfen lassen. Auch das war leider Teil der asymmetrischen Demobilisierung, die Angela Merkel so fest im Sattel sitzen ließ. Wir haben uns einschläfern lassen und jetzt reibt der deutsche Michel sich die Augen.

Wir spielten im Konzert der Großen nur deshalb eine Rolle, weil die EU einen wichtigen Markt repräsentiert. Strategisch/militärisch hatten wir uns vor längerer Zeit von allen wichtigen Aspekten verabschiedet, und zwar in dem Maße, in dem wir die Friedensdividende nach 1989 verfrühstückt haben. Wir, die Bevölkerung in Deutschland und der EU, haben es treiben lassen und »die« Politik wollte das Thema nicht anfassen. Man konnte damit keinen Blumentopf gewinnen. So ist auch zu erklären, dass nur wenige Länder die Verteidigungsausgaben von 2 % des BIP überhaupt realisiert haben. Deutschland gehört bis heute nicht dazu. Daran hat die Zeitenwende nichts geändert.

Man hört in diesen Tagen häufig, dass Deutschland doch die drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt sei. Dass wir nach Jahren an Japan vorbeigezogen sind und die Dinge davor eher über einen langen Zeitraum statisch waren, weist nicht unbedingt auf eine hohe Volatilität bei solchen statistischen Kriterien hin. Trotzdem entwickelt sich unsere Wirtschaft seit Jahren (mit beschleunigtem Tempo in den vergangenen ca. fünf Jahren) abwärts. Deshalb finde ich es etwas unterkomplex, wenn sich manche insbesondere zum geopolitischen Bedeutungsverlust damit trösten wollen. Andererseits muss man ja doch versuchen, eine positive Perspektive zu pflegen oder zumindest zuzulassen.

Donald Trump oder die Macht der Dummheit

Es schaudert mich etwas, wenn ich einem bekannten us-amerikanischen Journalisten zuhöre. Er rät, wir Europäer, auch wir Deutschen, sollten uns nicht mit den US-Amerikanern vergleichen. Der Gedankenhorizont der US-Amerikaner kreise um die Innenpolitik, während hier die Außenpolitik eine starke Bedeutung habe.

Sollten nicht wenigstens die grundlegenden Interessen (Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit) dies- und jenseits des Atlantiks identisch sein? Es muss doch mehr Verbindendes als Trennendes geben? Vielleicht tut es das ja auch. Bloß sind die grundlegenden Sichtweisen von zu vielen Menschen, hüben wie drüben, nicht mehr in Einklang. Dabei habe ich volles Verständnis für die Position vieler Amerikaner, nicht mehr Weltpolizei spielen zu wollen. Eine Implikation war bequemer Weise die Gewährleistung der europäischen Sicherheit auf Kosten der USA. Dass wir dafür seit Jahrzehnten die USA als Führungsmacht anerkannt haben, war (und ist) unübersehbar. Wenn Putin das in seiner Gedankenwelt als europäische Schwäche erkennt, spricht dies nicht gegen ihn. Zu offensichtlich ist die Schwäche des in diesen Zeiten hilflosen Europas.

Es geht im Verhältnis USA vs. Europa um vieles. Man braucht nicht viel Fantasie, um die Bedrohung des Friedens in Europa in der Haltung Donald Trumps zu erkennen.

Trump mal recht geben

Trumps diverse Appelle an die Europäer, ihren Bündnisverpflichtungen (2% vom BIP für Verteidigung) nachzukommen, gehören einmal nicht zu dem, was mich gegen ihn aufbringt. Dass die meisten europäischen Natomitglieder immer noch weit von der Erfüllung dieser miteinander getroffenen Vereinbarung entfernt sind, ist ein peinliches politisches Versagen.

Die Amerikaner, so heißt es, würden sich nicht für Außenpolitik interessieren. Ganz anders als dies in Deutschland und anderen europäischen Ländern der Fall sei. Kann das wirklich den Unterschied ausmachen zwischen Biden und Trump? Die Frage ist vermutlich unterkomplex.

Schlagen wir einen Bogen zu den Ursachen für die entstandenen Unsicherheiten.

Kann es sein, dass es so viele Dumme gibt?

Die SZ hat einen Artikel unter dem Titel “Die Macht der Dummheit $” veröffentlicht. Nach den ersten Zeilen war es klar, dass es nicht um die AfD geht, sondern rund um die Hälfte der US-Amerikaner mit gemeint sind. Nach Umfragen haben sie tendenziell eine Neigung zu Donald Trump. Keine Beleidigung für diese sogenannten “Andersdenkenden” wird im SZ-Artikel ausgelassen. Das ist starker Tobak. Auch die Tatsache, dass Trump während seiner Amtszeit als US-Präsident 20.000 Lügen von sich gab, wurde wieder bemüht. Solche Fakten machen sich in dieser Generalabrechnung mit der Dummheit gut.

Alle bekommen hier ihr Fett weg. Nicht nur direkte Wähler dieses einmaligen Präsidenten. Der Einfluss der asozialen Medien spielt eine Rolle und auch die anderen Multiplikatoren in unseren modernen Gesellschaften.

Leider ist gerade dieses Übermaß von Informationen für die zunehmende Verblödung der Gesellschaft mitverantwortlich. Denn ohne grobe Vereinfachung kommt das Gehirn mit dieser Reizüberflutung nicht klar. Quelle: SZ

Haben die SZ-Journalisten den eigenen Teil der Verantwortung für diese Entwicklung im Artikel berücksichtigt? Nicht wirklich. Etwas anderes hätte mich überrascht.

Auch Einstein kannte dieses Problem

Albert Einstein sagte: “Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.” Der Satz ist lustig. Enttäuschenderweise hat Einstein auch keine Lösung dafür angeboten, wie man dieser Dummheit begegnen kann, ohne die Gemeinten so zu beleidigen und aus dem Diskurs zu befördern, sodass danach kaum noch etwas geht.

Wir sind gut darin, die eigene Position zu behaupten, glauben wir. Viele deuten die Selbstextraktion anders, sie sind so überzeugt davon, im Recht zu sein, dass sie zum Beispiel die bloße Anwesenheit von AfD-Leuten in Talkshows am liebsten verbieten würden. Warum sind Demokraten so verunsichert? Zumal die anderen doch vermeintlich so “dumm” sind?

Morgen sind wir tolerant

Häufig äußert sich die Abkapslung dergestalt, dass wir (beide Seiten) uns in unsere sogenannten Blasen zurückziehen und Kontakt mit denen, die sie als dumm betrachten, ohne es offen auszusprechen, vermeiden. Als Zunahme gesellschaftlicher Polarisierung wird auch das verniedlichend bezeichnet.

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Ditrich Bonhoeffer

Was könnte die Antwort für das Dilemma sein? Im letzten Absatz des SZ-Artikels lese ich:

Dummheit ist wahrscheinlich unausrottbar, aber man kann durchaus dagegen ankämpfen. So wie „Dumme zu allem Bösen fähig“ seien, „wenn sie zum willenlosen Instrument geworden” sind, wie Bonhoeffer schrieb, sollten Schlaue zu allem Guten fähig sein; sie sollten sich gesellschaftlich engagieren, über Fehler offen diskutieren und dreisten Dummheiten widersprechen. Nur die Widerstandskraft des Geistes und gute Taten helfen gegen Dummheit und Zerstörung, so sah es der Theologie Dietrich Bonhoeffer kurz vor seinem Tod. Und diese Haltung ist heute wichtiger denn je.

Quelle: SZ

Wenn die Bildung für’n Arsch ist

Ist das nicht ein wenig zu idealistisch gedacht? Intelligenz und Klugheit sind schon ausgefallen. Die sind auch auf der anderen Seite zu finden.

Was wäre mit Toleranz, diesem guten, alten Wert (aus vergangenen Jahrzehnten), der ein wenig zu kurz kommt und der bei manchen sogar in Misskredit geraten ist? Toleranz heißt bekanntlich Duldsamkeit. Aber wer will sich in diesen Zeiten schon als duldsam apostrophieren? Dabei geht’s doch gar nicht um Schwäche, sondern um Stärke. Die Stärke nämlich, auch andere Meinungen zu tolerieren. Leichter fällt es allerdings, den anderen als dumm zu bezeichnen. Das haben wohl auch alle verstanden.

Der Untergang: Wenn die Freunde aus den USA uns alleinlassen

Verfolgt man die Debatten um den Status quo des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und beschäftigt sich mit den vielen Implikationen, kommt man schnell zur Rolle der USA und aktuell das europäische Zittern vor einer erneuten Präsidentschaft Donald Trumps.

Trump wird die Ukraine (und Europa) voraussichtlich nicht mehr schützen bzw. unterstützen, jedenfalls nicht in dem Umfang, wie es bisher der Fall war. Das Damoklesschwert eines NATO-Austritts der USA schwebt über allem. Den USA, besser gesagt vor allem Trumps Republikanern, wird die Unterstützung zu teuer. In den USA ist mit Außenpolitik bei Präsidentschaftswahlen kein Blumentopf zu gewinnen. Die Grenze nach Mexiko (also auch hier die Migration) spielt im aufziehenden Wahlkampf die dominante Rolle.

Die USA haben IMHO seit dem 2. Weltkrieg für viel Leid gesorgt. Und das gilt nicht nur für die Destabilisierung im Nahen Osten, sondern auch für Motive, die Putins Massenmord an Ukrainern ausgelöst haben. Dass wir im Westen davon nichts wissen möchten, ist einerseits nachzuvollziehen. Anderseits stehen wir mit heruntergelassenen Hosen (ohne militärische Macht und (noch schlimmer!) mit leerem Portemonnaie da) in direktem Konflikt mit Russland. Ein Risiko, das die dieser Vogel-Strauß-Politik innewohnt. Dass Politiker und “Experten” uns Angst machen, in dem sie eine Eskalation des Krieges in einer Zeitspanne von 5 bis 8 Jahren wahrsagen, muss man nicht ernst nehmen, sage ich. Leider hören nur die meisten nicht auf einsame Rufer. Decken die Aussagen Putins solche Sorgen? Unbestreitbar dürfte indes sein, dass wir (Europa) in der Lage sein müssen, uns gegen Aggressoren zu schützen. Wir sind nicht nur ein (noch) überaus starker Wirtschaftsraum, hier leben Hunderte von Millionen Menschen. Und zwar in freiheitlichen Rechtsstaaten. Auch wenn die eine oder andere Tendenz in eine fatale Richtung geht.

Diese Freiheit ist kein Geschenk. Sie wurde mit dem Leid und der Erfahrung vieler Millionen von Menschen errungen. Auch mithilfe der USA. Unsere Generationen haben Glück gehabt. Eine so lange Friedensperiode war vor uns nicht vielen Menschen vergönnt. Manchmal scheint es, als seien wir uns nicht einmal mehr dieses Glücks bewusst. Die Opfer sind vielen nicht mehr präsent. Trotz aller Mittel und Möglichkeiten, all das Leid zu realisieren, das so viele Menschen vor uns erlitten haben.

EU und Europa haben keinen Einfluss auf die Dinge, die US-Amerikaner entscheiden, und die sich verändernden Interessen dieser Führungsmacht mit fragwürdiger Moral können uns keine Orientierung geben. Es hilft auch nicht, dass die USA den Krieg Putins durch ihre Handlungen provoziert haben. Nachdem die Karre inzwischen richtig im Dreck steckt, ziehen sie sich zurück. Dass Europa diesen Ausfall kompensieren könnte, ist ausgeschlossen.

Ein moralisches Desaster, das man in Europa bewerten aber nicht ändern kann. Wahrscheinlich könnte (und würde) die Biden-Administration (sollte sie die Wahlen im November gewinnen) vor dem innenpolitischen Druck ebenfalls keine andere Entscheidung mehr treffen.

Dass das 100 Mrd. EUR-Sondervermögen, das vom deutschen Kanzler im Rahmen der Zeitenwende beschrieben wurde, bisher keine zählbaren Erfolge bei der Bundeswehr gebracht hat, ist ein Resultat, das ich als typisch Deutsch betrachte. Vielleicht geht aber auch diese Betrachtung nur auf das zurück, was unsere Medien auch bei diesem Thema an negativer Konnotation liefern. Sichtbare Effizienz und Effektivität sind mit den Ergebnissen des Handelns der Verantwortlichen in diesem Land scheinbar nicht gegeben. Das Gegenteil wird in unserer Öffentlichkeit jedenfalls mit Eifer insinuiert.

Hier einige Punkte zur Verantwortung der USA für Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine:

Christopher Caldwell gab am 21. Mai 2022 folgende Stichpunkte in seinem Text für die “New York Times”

Die USA unterstützten 2014 den Aufstand gegen den prorussischen Präsidenten

2014 hatte die Ukraine kaum modernes Militär, dann begannen die USA mit der Bewaffnung

Henri Guaino hat Recht, wenn er den Westen der “Schlafwandelei” bezichtigt

Wenn größere Waffen nicht abschrecken, dann führen sie zu größeren Kriegen

Die USA haben gezeigt, dass sie die Tendenz haben, Konflikte zu eskalieren

Keine Zugeständnisse an Russland zu machen, hieße, sich dem Wahnsinn zu beugen

Auch Henry Kissinger hatte zum Vorgehen der USA eine besondere Haltung. Nur ist der Mann für viele ja kein geeignet Zeuge.

Trumps Comeback?

Wir starten mit einer hoffnungsfrohen Botschaft in diese Woche. Die neuste Umfrage sieht Trump vor Biden.

Die Zukunft Europas könnte besiegelt sein, sollte es wirklich so kommen. Umso mehr wäre es jetzt wichtig, dass eine handlungsfähige Regierung existierte. Was gestern beim Asylgipfel oder wie man diese Veranstaltung nennen möchte, herauskam, ist einmal mehr: NICHTS. Wüst hat es (zugegeben aus Sicht der populistischen Opposition) klargestellt. Und nun auch noch Trump.

Es ist eine erschreckende Vision, dass dieser Mann erneut ins Weiße Haus ziehen könnte. Welches Licht wirft das auf die Amerikaner? Ja, die USA-Skeptiker haben es leicht. Biden scheint inzwischen die Demokraten auch nicht mehr wirklich zu überzeugen. Nur ist es jetzt wohl zu spät, einen anderen Kandidaten zu präsentieren.

Trump steht vor Gericht. Es nagt an ihm. Ich finde, man sieht ihm das an. Aber trotz der möglichen Verurteilung scheint ihm das Verfahren zu nutzen. Das ist Amerika. Es stimmt schon, dass viele Deutsche das einfach nicht in den Kopf bekommen. So wie manches Andere, was jenseits des großen Teichs passiert ist.

Was Süßes raus, sonst spukt’s im Haus!

Diese Regierung besteht aus Stimmungsaufhellern auf Beinen. Bloß die Aufführungen der Hauptrollen sollten zeitlich etwas besser koordiniert werden.

Wie viele Leute werden letzte Nacht wohl schlecht geschlafen haben? Nach der Ansage unseres in dieser Regierung noch beliebtesten Ministers.

Da sage noch einer, der Mann wäre ineffizient.

Hier klicken, um den Inhalt von X anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von X.

Die Finnen waren mal so glücklich

Die Finnen sind ein glückliches Volk. Ja, mehr noch: sechsmal in Folge wählten sie sich zum glücklichsten Land auf der Erde. Die Methode finde ich etwas unterkomplex. Aber gut, wer so eine hübsche und tolle Ministerpräsidentin hat, der hat gut lachen.

Es gibt jedes Jahr eine einzige einfache Frage, die in jedem Land einer repräsentativen Zahl von Menschen gestellt wird. Sie lautet: »Bitte stellen Sie sich eine Leiter vor, deren Stufen von null bis zehn nummeriert sind. Nehmen wir an, dass die Spitze der Leiter das bestmögliche Leben für Sie darstellt und das untere Ende der Leiter das schlechtestmögliche Leben. Auf welcher Stufe der Leiter befinden Sie sich persönlich im Moment?« Finnland landet hier mit einem Wert von 7,8 auf dem Spitzenplatz, die Deutschen liegen mit 6,89 auf dem 16. Rang; Schlusslicht ist derzeit Afghanistan mit einem Wert von 1,9.

Quelle: Spiegel Online

Abwahl der Sozialdemokraten Anfang April

Sanna Marin wurde trotz der hohen Sympathiewerte abgewählt. Die Konservativen und Rechtsnationalen (Finnen) haben die Wahlen gewonnen. Der Stimmenunterschied zwischen diesen beiden Parteien war minimal.

Meine Schlussfolgerung aus dem Wahlergebnis ist, dass ich den befragten Finnen ihre Selbstwahrnehmung nicht abnehme. Warum verliert Frau Marin die Wahlen, wenn die Menschen im Land im Vergleich zu anderen auf dem Globus so wahnsinnig glücklich sind?

Dass mit den “Finnen” nun eine rechtsradikale Partei in die Regierung einzieht, zeigt die Entwicklung, die wir auch aus anderen europäischen Ländern nur zu gut kennen. Die Koalitionsverhandlungen haben ungewöhnlich lange gedauert. Die Neuwahlen fanden bereits im April statt. Schon aus dem Statement nach dem erfolgreichen Abschluss der Koalitionsverhandlungen kann abgeleitet werden, dass das gemeinsame Regieren nicht ganz einfach wird.

Streit um Einwanderung und Klimaschutz

Die Koalitionsverhandlungen dauerten länger als in der finnischen Politik üblich: Bei den Themen Entwicklungspolitik, Einwanderung und Klimaschutz gab es insbesondere zwischen den Rechtspopulisten und der RKP heftige Auseinandersetzungen. In deren Verlauf hatten Die Finnen damit gedroht, sich aus den Verhandlungen zurückzuziehen.

Quelle: Tagesschau

Die “Finnen” haben 20,1 % der Stimmen bekommen. Inwieweit dieser Umstand die an sich glücklichen Finnen irritiert, bleibt zunächst abzuwarten. Dass die ausländerfeindliche Partei, so würde ich sie bezeichnen, mit den Konservativen und Christdemokraten gemeinsam die Geschicke des Landes managen wird, könnte ein wenig nach Dauerstreit klingen. Dass dieser Streit vor allem mit der nationalistischen Politik einer der Regierungsparteien zu tun hat, legt in meinen Augen nicht gerade nahe, dass es im Land weniger kontrovers zugeht als bei uns, in Österreich (FPÖ) oder der Schweiz (SVP).

Paritätisch besetztes Kabinett? Scheinbar ja.

Es könnten also doch andere Faktoren eine Rolle spielen, wenn sich die Finnen in ihrem Land so glücklich fühlen, obwohl sie ihre sozialdemokratische Ministerpräsidentin gegen einen “alten weißen Mann” eingetauscht haben. Ich weiß noch nicht, wie das neue Kabinett in Finnland zusammengesetzt sein wird. Ob es bei der weiblichen Dominanz analog des von Marin geführten bleibt? Noch in jüngster Vergangenheit hieß es, wir (Deutschland) könne sich diesbezüglich ein Beispiel am frauendominierten Kabinett Finnlands nehmen. Also abwarten, ob die Uhren dort zurückgedreht werden.

Vermutlich liegt es auch am funktionierenden Gemeinwesen Finnlands.

Wenn aber jetzt bereits davon die Rede ist, dass 1,5 Mrd. Euro aus der Sozialversicherung gestrichen werden sollen, ist das vermutlich nur der Anfang großer Streichorgien der Konservativen. Die Opposition spricht bereits von der arbeitnehmerfeindlichsten Regierung aller Zeiten. Nun, immer schön glücklich bleiben…

Europäische Freundschaften und der ESC scheinen Gegensätze zu sein.

Diese Tage – besser gesagt, meine Tage – sind ganz ordentlich mit Frust angefüllt. Frust darüber, wie uns diese Regierung verarscht und wie wenig wir diesem Treiben entgegensetzen. Dafür lassen wir uns abspeisen mit Auftritten von Volodymyr und Olaf, die jetzt doch so dicke sind, wie es sich in den Augen einer infantilen medialen Öffentlichkeit gehört.

Aber ich frage mich auch, was ich bloß davon habe, wenn ich mich aufrege und Frust aufbaue? Na, hoffentlich werde ich nicht krank. Dabei bin ich extra mit 63 in Rente gegangen, um mein Leben danach gemeinsam mit meiner Frau genießen zu können. Wer später in Rente geht, stirbt früher – sagt die Tagesschau bzw. irgendeine Expertengruppe der OECD. Na, die wissen ja immer alles ganz genau.

Gute Verhältnisse

Ich fand es schon immer befremdlich, wenn Staatsgäste zu Besuch nach Berlin kamen oder Kanzlerin Merkel Reisen unternahm und die Meldungen zuvorderst vom guten Verhältnisse der Staatsfrauen und -Männer die Rede war. Ja, ja, gute Freunde wird niemand trennen. Das galt für Obama und Merkel, für Macron und Merkel, davor für Sarkozy und Merkel. Die angeblichen Freundschaften spielten in der Berichterstattung gefühlt eine größere Rolle als das Verhältnis zwischen den Ländern. Oder besser gesagt, sie erweckte das Gefühl, dass ein besonders freundschaftliches Verhältnis zwischen den Staatenlenkern die Basis für alle nur erdenklichen wirklich wichtigen Dinge wären.

Aber wir erinnern uns schon noch daran, wie Obamas Geheimdienste Merkels Smartphone überwachten oder Macron auf seine Europarede in der Sorbonne quasi nie eine angemessene Antwort erhalten hatte? So weit ging die Freundschaft nicht.

Wahrscheinlich ließen sich mühelos andere Beispiele für ähnliche Begebenheiten finden. So richtig nach Freundschaft klingt so etwas nicht. Aber jetzt, nachdem die Welt sich über unseren Olaf über sein fehlendes Engagement in Sachen Ukraine hinlänglich beklagt hat, wie die einen sagen und die anderen ohnehin immer abstreiten würden, kam es zum Schulterschluss der beiden Männer.

Karlspreis

Der Volodymyr, so schien es mir, hatte in seiner Aachener Karlspreis-Dankesrede fast ein wenig die Tränen in den Augen stehen. Er lobt Olaf Scholz in einer Art, die mir fast die Schmach des Vorabends (ESC) vergessen machte. Ich habe gar nicht nachgesehen, wie viele Punkte die Ukraine uns zukommen ließ. Viele werden es nicht gewesen sein. Wir hatten für den letzten Platz nur insgesamt 18 bekommen.

Dabei haben wir uns doch so angestrengt. Noch ein milliardenschweres Waffenpaket. Wahrscheinlich hat der neue Bundesverteidigungsminister seine Hände im Spiel. Seitdem er das Ruder auf der Hardthöhe (ach nee, das ist ja der Bendlerblock) übernommen hat, läuft es auch mit den osteuropäischen Nachbarn. Nur die Mucke aus Deutschland gefällt noch immer nicht. Böhmermann und Gottschalk haben es sinngemäß so formuliert: Die Europäer mögen uns Deutsche einfach nicht.

Und mit der Musik alleine wird das vermutlich nichts zu tun haben.

Die Ukraine und die Korruption

In der Ukraine hat man heute übrigens den Obersten Richter wegen Korruptionsverdachts verhaftet. Wolodymyr Selenskyj hat es nicht leicht. Und ich frage mich, ob das viele Geld, um das es bei solchen Dingen geht, nicht zum Teil auch unser schönes Geld ist. Echte Pazifisten werden es vielleicht sogar zu schätzen wissen, dass diese 2,76 Millionen Dollar jedenfalls nicht in Waffen, sondern in Menschen investiert wurden. Aber weiß man’s?

Präsident Macron und die verlorenen Europäer

Die Kritik an Macrons jüngsten Äußerungen ist gewaltig. Medien und Politik in Deutschland und Europa scheinen sich in erdrückender Mehrheit einig. Vereinzelte Stimmen aber unterstützen Macrons Vorstoß zu einer europäischen strategischen Autonomie Europas. Dass der Zeitpunkt in mehrfacher Hinsicht schwierig ist – geschenkt. Es geht ums Grundsätzliche. Und da sehe ich Macron im Recht.

Unterschiedliche Interessenlagen

Die den Geheimarchiven der Amis abhanden gekommenen Informationen (Assange hat es nicht mal bedurft und trotzdem sitzt er inzwischen bereits vier Jahre in Haft) sollten hinreichend deutlich gemacht haben, welche Absichten die USA in der Ukraine in Wahrheit verfolgen. Es geht weniger um den Schutz der Ukraine oder Europas, es geht – wie immer – um den nachhaltigen politischen und militärischen Kampf gegen Russland. Es ist und bleibt der klassische Stellvertreterkrieg, der das Existenzrisiko Europas und Deutschlands lediglich vergrößert.

Viele verhalten sich mMn an diesem wichtigen Punkt ideenlos. Sie zeigen sich so der gewaltigen Verantwortung für dieses technokratische, lahme Monster namens EU kaum gewachsen. Stattdessen brabbeln sie und kritisieren denjenigen, der ausgesprochen hat, was nicht wenige ähnlich sehen werden wie Macron.

Wenig Bewegung in Europa

Einerseits hören wir von Politikern, dass wir unser Land nach Jahren militärischer Agonie wieder in die Lage versetzen müssen, uns zu verteidigen. Die europäischen Länder, inkl. Deutschlands, sollen gegen beliebige Aggressoren auch ohne Hilfe der Amerikaner auskommen.

Andererseits lassen wir jedoch zu, dass die Amerikaner durch ihr aggressives imperialistisches Handeln, den Frieden gefährden. Aus Sicht vieler Leute, so ist mein Eindruck, nicht weniger als Russlands Terrorfürst Wladimir Putin.

Macron hat bekanntlich immer wieder Versuche unternommen, die europäischen Länder zu stärkerer Zusammenarbeit zu bewegen und so die Interessen der Europäischen Union in den Beziehungen zu den Großmächten dieser Welt klarer (stärker) zu positionieren.

Deutschlands Trägheit

Dass Merkel auf seine vor Jahren gehaltene Sorbonne-Rede eigentlich kaum reagiert hat, hatte keine Auswirkungen. Dem Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich, vor allem jedoch der innereuropäischen Gesamtheit und Stärke hat die deutsche Ignoranz nicht gutgetan.

Es ist dringend erforderlich, den in Sonntagsreden gemachten Ansagen an die Stärkung Europas (EU) Taten folgen zu lassen. Ich fand Macrons diesbezügliche Aussagen so vollkommen überzeugend, dass ich mich nur wundern kann, wie falsch Politik und Medien in Deutschland überwiegend reagiert haben.

Was wird unsere Vasallentreue gegenüber den USA bringen, wenn Trump oder einer seiner politischen “Ziehsöhne” mit dem stark belasteten Bündnis aufräumen werden? Wie wird unsere Öffentlichkeit reagieren, wenn die Amis nicht mehr die heißen Kartoffeln für uns aus dem Feuer holen werden und wir unsere Interessen selbst wahren müssen? Die Präsidentschaft Macrons könnte zu diesem Zeitpunkt bereits Geschichte sein und im schlimmsten Falle eine rechts- oder linksextreme Partei die La Grande Nation regieren.

Schließlich sind die Proteste der Franzosen gegen die unverschämte Verschiebung des Renteneintrittsalters längst nicht vorbei. Wie die deutsche Presse Macrons Durchregieren an diesem Punkt beurteilt, ist ein Thema für sich. Macrons diverse Reformen, um die Perspektiven seines Landes zu verbessern, zeigten ihre Erfolge. Dass die dennoch wachsende Staatsverschuldung jede (auch rechte und linke) Regierungen zu Maßnahmen zwingen würde, sehen die Franzosen nicht. Na, bei uns wär’s nicht anders.

Warum sollte das Renteneintrittsalter auch in Frankreich erhöht werden?


Einer der wichtigsten Gründe ist, dass die Lebenserwartung in Frankreich und anderen Ländern in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, was zu einem längeren Zeitraum führt, in dem die Rentner Rente beziehen müssen. Um sicherzustellen, dass das Rentensystem nachhaltig bleibt, müssen die Regierungen daher das Renteneintrittsalter erhöhen, um die zusätzlichen Kosten zu decken.

Ein weiterer Grund für die Änderung des Renteneintrittsalters in Frankreich ist die zunehmende Zahl älterer Arbeitnehmer, die länger im Beruf bleiben und später in den Ruhestand gehen. Wenn ältere Arbeitnehmer länger im Beruf bleiben, kann dies die Beschäftigungsmöglichkeiten für jüngere Arbeitnehmer einschränken, da weniger Stellen frei werden.

Weiterhin spielen auch wirtschaftliche und demografische Faktoren eine Rolle. In vielen Ländern, einschließlich Frankreich, geht die Zahl der jungen Menschen zurück, während die Zahl der älteren Menschen steigt.

Quelle: ChatGPT

Wer steht zur USA? Deutschlands Bevölkerung nicht ganz.

Ein paar skandinavische Länder werden diese Änderungen wohl gelassener nehmen als wir Deutsche. Von Italien, Ungarn, Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz gar nicht zu reden. In vielen Ländern wird das EU-kritische Lager stärker. Verabredungen im Sinne der EU und Europas werden nicht leichter zu treffen sein. Vielleicht ist die Zeit gekommen, die letzte Chance zur Entwicklung einer echten Strategie im Sinne Macrons und Europas zu wahren!

Ich fürchte, dass die Schwerfälligkeit der EU-Apparatschiks und die Mutlosigkeit der deutschen Ampelregierung, die über hohle Schwüre hinaus nichts zustande bringt, die Zukunft der EU und Europas auch weiterhin aufschiebt und die von Macron geforderte Strategie nur Gerede bleibt.

Sabotage der besonderen Art

Dass sich unsere Verbündeten, inkl. der internationalen Medien, zum Verdacht gegen eine proukrainische Gruppe, Nord Stream sabotiert zu haben, unterschiedlich äußern, ist nicht überraschend. Die negativen Auswirkungen für die Allianz gegen den russischen Angriffskrieg liegen auf der Hand.

Duda’s Spaß, Scholzes Frust

Medien berichten, der polnische Präsident Duda habe seine Freude über die Sabotage an der Nord-Stream-Pipeline geäußert.

Kritische Geister, die die Reaktionen des Westens insgesamt recht kritisch sehen, wie beispielsweise Roger Köppel, Weltwoche, können nicht fassen, dass nicht alle von der Möglichkeit ausgehen, dass Kanzler Scholz über die Sabotage und deren Urheber im Bilde war. Er wundert sich, dass die deutsche Presse diese Möglichkeit kaum thematisiert.

Eine schweizerische Zeitung formuliert es mit einem gewissen politischen Weitblick. Umso weit zu kommen, werden wir in Deutschland vermutlich noch viel Zeit benötigen.

Moralisches Gesamtbild

Die Aargauer Zeitung schreibt unter der Überschrift: “Ukraine ist so oder so im Recht” zum bisher bekannten Sachverhalt:

„Die Pipelines, die eine Umgehung ihres Landes beim Gasexport ermöglichten, waren den Ukrainern mit Recht suspekt. Die Regierung in Kiew müsste von dem Anschlag nicht unbedingt gewusst haben: Nationalistische Hitzköpfe könnten eigenmächtig gehandelt haben. … Hätten Ukrainer die Pipelines zerstört, wäre dies zu verurteilen. Am moralischen Gesamtbild des Konflikts würde es aber ebenso wenig ändern wie die Bombardierung Dresdens an jenem des Zweiten Weltkriegs. Die Ukraine ist im Recht und hat die Unterstützung des Westens verdient.“

Quelle: Aargauer Zeitung

So leicht kann man es sich machen. Allerdings wohl nur, wenn man “neutral” ist. Weitere europäische Stimmen.

Mal sehen, ob sich die deutsche Öffentlichkeit dieser besonderen schweizerischen Einsicht ergibt.

✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0