Die Netzfreiheit war ein schöner Traum

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Jun­cker und vie­le ande­re wun­dern sich ver­mut­lich immer noch dar­über, dass die EU wei­ter­hin an Zustim­mung ver­liert. Was genau ist eigent­lich seit der Brexit-Ent­schei­dung auf euro­päi­scher Ebe­ne ver­än­dert wor­den – vor allem zum Guten? 

Mir war so, als soll­te doch so vie­les anders wer­den! Und jetzt das:

Der Rechts­aus­schuss des Par­la­ments (JURI) unter­stützt den Vor­schlag des CDU-Abge­ord­ne­ten Axel Voss für eine Reform des Urhe­ber­rechts und stimm­te dabei für die Ein­füh­rung eines EU-wei­ten Leis­tungs­schutz­rechts sowie ver­pflich­ten­den Upload­fil­tern für Inter­net­platt­for­men. Ein in letz­ter Minu­te von der Pira­ten-Abge­ord­ne­ten Julia Reda vor­ge­leg­ter Kom­pro­miss­vor­schlag fand kei­ne Unter­stüt­zung. Damit set­zen sich im Euro­pa­par­la­ment die Ver­lags­lob­by und ande­re Rech­te­inha­ber mit ihrem Drän­gen nach umfas­sen­der Kon­trol­le von Inhal­ten im Inter­net durch​.Link: Schlag gegen die Netz­frei­heit: EU-Abge­ord­ne­te tref­fen Vor­ent­scheid für Upload­fil­ter und Leis­tungs­schutz­recht – netz​po​li​tik​.org

DSGVO und LSR machen die EU auch bei jun­gen Leu­ten sicher deut­lich beliebter!

Die DSVGO wur­de ein­ge­führt bzw. am 25. Mai d.Js. akti­viert und jetzt folgt ver­mut­lich bald das Leis­tungs­schutz­recht mit den elen­di­gen (Upload-) Demo­kra­tie-Fil­tern, nicht das Recht im Inter­net stär­ken soll, son­dern nach Mei­nung vie­ler die Macht der Mäch­ti­gen bewah­ren hel­fen soll!

Das ist nicht im Sin­ne der EU-Bürger*Innen! Unab­hän­gig davon, wie sie zum Inter­net an sich stehen.

Dies ist eine Maß­nah­me, die, wie inzwi­schen sogar Ver­la­ge kapiert haben, weni­ger dabei hilft, die Pfrün­de alter Medi­en zu schüt­zen, als die Demo­kra­tie in den EU-Mit­glieds­län­dern nach­hal­tig zu beschädigen.

Als ob die wach­sen­de Macht der Popu­lis­ten von Rechts und Links in so vie­len Län­dern Euro­pas nicht alar­mie­rend genug wäre!

Auf vie­le von uns wirkt das EU-Par­la­ment in die­sen Tagen wie ein Moloch, der die bis­her welt­weit [sic?] gel­ten­de Netz­frei­heit ver­putzt. Bedenkt man die damit ver­bun­de­nen poli­ti­schen Wir­kun­gen könn­te die­se Maß­nah­me den Zer­fall der EU beschleu­ni­gen. Schließ­lich kann man sie alles in allem mit Fug und Recht als unde­mo­kra­tisch, ja sogar als demo­kra­tie­feind­lich anprangern.

Frust und Sorge

Die jetzt wahr­schein­lich gewor­de­ne Ent­schei­dung des EU-Par­la­ments frus­triert vie­le Men­schen (> 200k haben Peti­tio­nen gg. das Leis­tungs­schutz­recht gezeich­net!) und was viel­leicht lang­fris­tig noch schlim­mer ist: sie erschwert ihren Bür­ge­rin­nen und Bür­gern mit die­ser als Popanz (DSGVO + LSR + Upload­fil­ter) emp­fun­de­nen Regel­wut wahr­schein­lich die Chan­ce auf öko­no­mi­sche Par­ti­zi­pa­ti­on im gera­de die Tür ein­tre­ten­den Zeit­al­ter der Digitalisierung.

Goog­le arbei­tet an künst­li­cher Intel­li­genz, die EU führt die DSGVO ein. 

Nicht weni­ge malen hin­sicht­lich der Fol­gen der Digi­ta­li­sie­rung ohne­hin schon den Teu­fel an die Wand. Soll so eine der Ant­wor­ten unse­rer euro­päi­schen und natio­na­len Poli­tik aussehen?

Die Maß­nah­men erschwe­ren den gera­de jetzt gesell­schaft­lich so drin­gend erfor­der­li­chen offe­nen Dis­kurs. Ich fra­ge mich, wie die­ser mit akti­vem LSR künf­tig von­stat­ten gehen soll.

Die pas­sen­den Dro­hun­gen waren lan­ge ausgesprochen:

„Netz­ge­mein­de, ihr wer­det den Kampf verlieren!“
„Das Web 2.0 wird bald Geschich­te sein“

Hat Ans­gar Heve­ling (CDU) denn auch Ant­wor­ten? Wer über­nimmt Ver­ant­wor­tung für die Fol­gen die­ser euro­päi­schen Politik?

Dar­auf könn­ten wir erfah­rungs­ge­mäß wohl bis zum Sankt Nim­mer­leins­tag war­ten. Heve­lings feuch­ter Traum geht nach weni­gen Jah­ren wohl in Erfüllung.

Es sieht danach aus, als ob – ver­mut­lich auf Betrei­ben oder wenigs­tens mit Zustim­mung des Euro­pa-Rates – ganz ande­re Ant­wor­ten zur Sta­bi­li­sie­rung der EU aus Brüs­sel kom­men, als die vie­le von uns Gut­gläu­bi­gen sich nai­ver­wei­se ein­mal vor­ge­stellt hat­ten. Es sind nicht unbe­dingt sol­che, die nor­ma­le Men­schen unter demo­kra­tie­stär­ken­den Maß­nah­men ver­ste­hen. Die Empö­rung ist ent­spre­chend. Twit­ter und Face­book sind voll mit bösen und empör­ten Kom­men­ta­ren zur Ent­schei­dung des EU-Rechtsausschusses.

Deutsches Recht?

Die deut­sche Poli­tik mach­te sich nicht die Mühe, die DSGVO zeit­ge­recht in deut­sches Recht zu über­füh­ren und die Ein­füh­rung mit Sorg­falt zu beglei­ten. Statt­des­sen offen­bart sich Erschre­cken­des. Eine Tat­sa­che und eine nahe­lie­gen­de Vermutung.

Zwei­er­lei ist festzuhalten:

Zum einen die erschre­cken­der Unkennt­nis des poli­ti­schen Per­so­nals über tech­ni­sche Not­wen­dig­kei­ten und Zusam­men­hän­ge, die auch in einer Bun­des-Pres­se­kon­fe­renz (ZDF – Video) mit bestür­zen­der Ein­dring­lich­keit vor­ge­führt wurde.

Zum ande­ren besteht offen­bar die Absicht, sich eine via Inter­net unge­lieb­te neue und manch­mal eben auch sehr kri­ti­sche Öffent­lich­keit mit sol­chen Regeln und Geset­zen vom Hals zu schaffen.


Der nächs­te Schritt ist die Abstim­mung im gesam­ten EU-Par­la­ment, die am 4. oder 5. Juli 2018 geplant ist. Viel Hoff­nung gibt es nicht, weil das Par­la­ment für gewöhn­lich den Emp­feh­lun­gen des Rechts­aus­schus­ses folgt. Die end­gül­ti­ge Ent­schei­dung über das Gesetz könn­te im Herbst oder Win­ter die­ses Jah­res fal­len. Drü­cken wir die Dau­men, dass der Wider­stand im Par­la­ment, der vor allem durch die umstrit­te­nen Upload-Fil­ter zuge­nom­men hat, erfolg­reich ist!

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: EU Gesetze

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2 Gedanken zu „Die Netzfreiheit war ein schöner Traum“

  1. Für mich war es das wohl end­gül­tig mit (dem ver­blie­be­nen Rest) mei­ner posi­ti­ven Ein­stel­lung zur EU. Der letz­te Rest davon ist weg. Aus, vor­bei. Für mich kann die EU ab sofort den Bach run­ter­ge­hen, nie­mand braucht das noch.

    Sor­ry, aber da ent­schei­den, wie wir gera­de sehen, Schwach­köp­fe Schwach­sinn für Wirt­schafts­ver­tre­ter. Rechts­aus­schuss, EU-Kom­mis­si­on, EU-Par­la­ment sind für mich nichts wei­ter als abhän­gi­ge aus­füh­ren­de Orga­ne der Inter­es­sen­ver­tre­ter von Groß­kon­zer­nen. Die Wahl zum Euro­pa­par­la­ment ist ledig­lich dreis­ter Miss­brauch von Wäh­ler­stim­men zu deren Guns­ten. Eine rei­ne Ali­bi-Ver­an­stal­tung, die man offen­bar noch zu brau­chen meint. Viel­leicht lie­gen ja schon Plä­ne in gehei­men Schub­la­den, das auch noch abzuschaffen. 

    (Wow, so sieht wohl Poli­tik­ver­dros­sen­heit aus… 😉

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