Sebastian Kurz und die selbstgefälligen Deutschen

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Ein Teil von uns Deut­schen ist aber auch wirk­lich unan­ge­nehm selbst­ge­fäl­lig. Die­sen Ein­druck schwächt auch der Arti­kel nicht ab, den eine schwei­ze­ri­sche Web­site namens Repu­blik über ein von Sebas­ti­an Kurz’ angeb­lich benutz­tes anti­se­mi­ti­sches Chif­fre ver­öf­fent­licht hat.

Ich bin nicht der Ansicht, dass Kurz mit sei­ner Erin­ne­rung an die Unta­ten des Herrn Sil­ber­stein anti­se­mi­ti­sche Res­sen­ti­ments bedient hät­te. Im Gegen­teil, ich ver­ste­he jeden, der über die­se Beschul­di­gung der schwei­ze­ri­schen Jour­na­lis­ten ver­är­gert ist.

Sebas­ti­an Kurz ist als zwei­ter Bun­des­kanz­ler Öster­reichs 2017 eine Koali­ti­on mit der FPÖ ein­ge­gan­gen. Es hat­te 2017 den unver­meid­li­chen Auf­stand gege­ben; aller­dings viel schlim­mer als Ende der 1990er Jah­re, als Kanz­ler Wolf­gang Schüs­sel mit den Rechts­po­pu­lis­ten die ers­te Koali­ti­on gemein­sam mit Jörg Hai­der geschlos­sen hatte.

Ich fand Kurz’ Hand­ha­bung der aktu­el­len Kri­se bis­her gut und war über­rascht davon, wie nega­tiv vie­le deut­sche Medi­en sei­ne Rede kom­men­tiert haben. Im Kern ging es dabei nur um eines: Die Damen und Herrn Jour­na­lis­ten moch­ten Kurz nicht nach­se­hen, dass er es über­haupt gewagt hat­te, die Koali­ti­on mit den Rechts­po­pu­lis­ten ein­zu­ge­hen. Ganz so, als hät­te es damals Alter­na­ti­ven gegeben. 

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Die Haupt­sa­che ist offen­bar, dass wir dar­über schimp­fen kön­nen, wie Sebas­ti­an Kurz den schlim­men Rech­ten den Weg in die Regie­rung geeb­net hat und zwei Jah­re nicht nur bestimm­te Eska­pa­den „erdul­de­te“, son­dern aktiv zu unter­stüt­zen, wie die FPÖ und ihr eigen­ar­ti­ges Spit­zen­per­so­nal im eige­nen Land (wie auch hier) an Anse­hen hin­zu­ge­won­nen hat. 

Dass vie­le deut­sche Jour­na­lis­ten gut dar­in sind, aus­län­di­sche Poli­ti­kern in Grund und Boden zu kri­ti­sie­ren, wis­sen wir nicht erst seit Trump­ski. Das ist kei­ne blo­ße Behaup­tung der Rech­ten, son­dern lei­der nur zu wahr. Natür­lich ist es anste­ckend. Mea cul­pa.

Poschardt schreibt, was ist

Ich habe heu­te Mit­tag einen Kom­men­tar gele­sen, den der von mir nicht unbe­dingt geschätz­te Ulf Pos­ch­ardt, sei­nes Zei­chens Chef­re­dak­teur der „Welt“, geschrie­ben hat. Er kri­ti­siert den Hoch­mut sei­ner deut­schen Kol­le­gen, die er (selbst­ver­ständ­lich) vor allem im links-links-grü­nen Lager verortet. 

Ich fra­ge mich, wer eigent­lich sicher sein kann, dass nicht auch deut­sche Kon­ser­va­ti­ve bald auf die Rechts­po­pu­lis­ten bei der Regie­rungs­bil­dung ange­wie­sen sein werden? 

Im Moment rutscht die SPD immer näher in Rich­tung Klip­pe und nur die Grü­nen reprä­sen­tie­ren (der­zeit) eine Per­spek­ti­ve für eine (zah­len­mä­ßig über­zeu­gen­de) Regierungsbildung. 

Wir könn­ten durch­aus bald auch auf Bun­des­ebe­ne in eine ähn­li­che Lage wie Öster­reich gera­ten. Das Image der Gro­Ko ist hier zu Recht genau­so zer­stört wie das der ewi­gen Gro­ßen Koali­ti­on in Öster­reich. Eine Regie­rungs­bil­dung ist unter so stark ver­än­der­ten Vor­zei­chen nicht mehr so leicht. Ansatz­wei­se haben wir das ja eben­falls bereits erlebt. Dabei hät­te es anders sein kön­nen, wenn Chris­ti­an Lind­ner mehr Mut gehabt hätte.

Was wohl in Deutsch­land pas­sie­ren wür­de, wenn – sagen wir zuerst ein­mal in Sach­sen – eine Regie­rungs­ko­ali­ti­on mit der AfD zustan­de käme? Ich glau­be, ich wür­de sechs Wochen das Inter­net abschal­ten, kei­ne Zei­tung lesen und auch nicht die Tages­schau anschau­en. Und zwar nur des­halb, um mir die gan­zen zäh­ne­flet­schen­den Kom­men­ta­re danach zu ersparen.

Wir sind das Züng­lein an der Waa­ge. Es ist unse­re Ver­ant­wor­tung, wenn bestimm­te Koali­tio­nen unmög­lich und ande­re dafür unver­meid­lich werden. 

Es wird zu wenig auf die Fra­ge ein­ge­gan­gen, wes­halb die Rechts­po­pu­lis­ten bei so vie­len Euro­pä­ern die­sen Zulauf haben. Dass es vie­len stinkt, genügt nicht. Es ändert lei­der nichts an den Grün­den, die über­haupt dazu füh­ren, dass so vie­le Men­schen unzu­frie­den mit den demo­kra­ti­schen Ver­hält­nis­sen in unse­ren Län­dern sind. Dass man­che unter die­sen sogar bestrei­ten, über­haupt in einer Demo­kra­tie zu leben, kann doch nicht ein­fach hin­ge­nom­men wer­den. Aber statt dage­gen zu argu­men­tie­ren und plau­si­ble Erklä­run­gen anzu­bie­ten, wer­den die Sym­pto­me (die „feind­li­chen“ Par­tei­en) bekämpft. 

Die Pol­ti­ke­rIn­nen der EU und der Natio­nal­staa­ten müs­sen sich ein­ge­hend damit beschäf­ti­gen, wie die­se Men­schen zurück­ge­holt wer­den kön­nen. Sich statt­des­sen über die unan­ge­neh­men und gefähr­li­chen Fol­gen auf­zu­re­gen und an den am Bild­rand auf­tau­chen­den Fies­lin­gen abzu­ar­bei­ten, ist nicht die Lösung.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Deutschland Impfstoff Journalismus Kritik Österreich Strache

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