Angebot und Nachfrage allein reichen vielleicht nicht, um Märkte funktionell zu halten

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Irgend­was scheint mit die­sem eher­nen Gesetz von Ange­bot und Nach­fra­ge nicht zu stim­men! Es wird in vie­len Fäl­len schon pas­sen. Aber.

Die Mie­ten stei­gen angeb­lich vor allem des­halb, weil es nicht genü­gend Wohn­raum gibt. Rich­ti­ger müss­te es aber hei­ßen: „nicht genü­gend bezahl­ba­ren Wohnraum“. 

Der Hang zum Ego­is­mus, ich mei­ne natür­lich zur Indi­vi­dua­li­sie­rung (Sin­gle­haus­hal­te), und die Zuwan­de­rung durch Geflüch­te­te seit 2015 spie­len eine Rol­le bei der Ver­knap­pung des Wohnraumes.

Knap­pe Güter füh­ren zu höhe­ren Prei­sen. So die Spiel­theo­rie. Dass der Staat den Woh­nungs­markt zu regu­lie­ren, führt dazu, dass inzwi­schen nicht nur in den Bal­lungs­ge­bie­ten die Prei­se immens gestie­gen sind. Vie­le Ver­mie­ter holen das her­aus, was in sol­chen Lagen her­aus­zu­ho­len ist. Man soll­te mei­nen, dass eine Ent­wick­lung, die hohe gesell­schaft­li­che Spreng­kraft hat, von der Poli­tik gese­hen wird und sie etwas dage­gen unter­nimmt. Lei­der hat die Miet­preis­brem­se (seit 2015) kaum Wir­kung entfaltet.

Poli­ti­sche Maß­nah­men, die in Ber­lin sogar zu einer Volks­ab­stim­mung geführt haben, wir­ken hilf­los. Man darf skep­tisch sein, ob Ver­staat­li­chung gro­ßer Woh­nungs­ge­sell­schaf­ten etwas bringt. Die Ent­schei­dun­gen in Ber­lin ste­hen aus und der Wider­stand der Uni­on und ihrer Ver­bün­de­ten ist immens. 

Ich glau­be, der Staat hat sich dem Pri­va­ti­sie­rungs­wahn der letz­ten Jahr­zehn­te gebeugt und damit Spe­ku­lan­ten das Feld über­las­sen. Es gibt inner­halb der EU Bei­spie­le, die zei­gen, dass genos­sen­schaft­lich orga­ni­sier­ter Woh­nungs­bau Erfolg ver­spre­chend ist (Wien). Die Ent­wick­lung der Leer­stän­de in Köln bis 2019 lässt viel­leicht dar­auf schlie­ßen, dass dort selbst teu­re­re Woh­nun­gen ihre Abneh­mer fin­den. Seit 2019 wur­den jähr­lich unge­fähr drei­hun­dert­tau­send neue Woh­nun­gen fer­tig­ge­stellt. Die neue Regie­rung will das Volu­men auf vier­hun­dert­tau­send erhö­hen, ein­hun­dert­tau­send hier­von sol­len Sozi­al­bau­woh­nun­gen wer­den. Die­se Zahl von Woh­nun­gen wer­de benö­tigt, sagen Fach­leu­te. Aller­dings hört man Stim­men, die die­ses Vor­ha­ben für über­di­men­sio­niert hal­ten. Gibt es über­haupt zu wenig Woh­nun­gen oder sind die vor­han­de­nen für vie­le nur nicht bezahl­bar? Egal, ich fra­ge mich, auf wel­che Zeit die­se Bau­plä­ne ange­legt sind. In ein paar Jah­ren dürf­te doch der Bedarf erschöpft sein. Wie flie­ßen sol­che unver­bind­li­chen Anga­ben eigent­lich in län­ger- oder mit­tel­fris­ti­ge Finanz­pla­nun­gen ein? 

Außer­dem fra­ge ich mich, wie die­se Bau­vor­ha­ben eigent­lich zu den Kli­ma­schutz­pro­jek­ten der Regie­rung pas­sen. Nach weni­ger Flä­chen­ver­sie­ge­lung klingt die­ser Teil des Koali­ti­ons­ver­tra­ges näm­lich nicht. 

Wir wol­len jähr­lich 400.000 neue Woh­nun­gen bau­en, dar­un­ter 100.000 öffent­lich geför­dert. Dafür begrün­den wir ein Bünd­nis bezahl­ba­rer Wohn­raum. Wir ver­län­gern die Miet­preis­brem­se und begren­zen den Anstieg von Mie­ten in ange­spann­ten Woh­nungs­märk­ten auf 11 Pro­zent über drei Jah­re (der­zeit liegt die soge­nann­te Kap­pungs­gren­ze bei 15 Pro­zent). LINK

Koali­ti­ons­ver­trag 2021 – 2025

Cem Özd­emir hat aus­ge­rech­net, als wir prak­tisch über unse­rer Weih­nachts­gans brü­te­ten, ein nicht neu­es, aber sehr heik­les The­ma ange­spro­chen. Im über­tra­ge­nen Sinn möch­te er, dass wir nicht mehr nur den Preis eines Lebens­mit­tels ken­nen, son­dern vor allem sei­nen Wert. Klingt ver­nünf­tig. Allein schon des­halb, weil wir ja doch gele­gent­lich gern über Wer­te reden. 

Der Gedan­ke, ein Kilo Gehack­tes beim Dis­coun­ter für 99 Cent zu kau­fen und die­ses am Abend zu ver­spei­sen, jagt mir einen Schau­er über den Rücken. Nun ist das Bei­spiel auch ein sehr extre­mes, nicht wahr? Wer ist denn schon auf sol­che Ange­bo­te ange­wie­sen? Oh, der Herr Schnei­der (Lin­ke) vom Pari­tä­ti­schen Wohl­fahrts­ver­band sieht Men­schen mit nied­ri­gen Ein­kom­men da aber schon krass am Ran­de ihrer Exis­tenz. Nun hat der arme Cem Özd­emir über­haupt nichts dik­tiert oder von Ver­bo­ten gere­det. Er hat ledig­lich etwas gesagt, mit dem wir uns end­lich ernst­haft aus­ein­an­der­set­zen müs­sen. Bevor wir also über heh­re Zie­le reden, müs­sen nach den Regeln unse­rer Funk­tio­nä­re für Fair­ness und Chan­cen­gleich­heit erst mal die Regel­sät­ze für Hartz IV Bezie­her und so erhöht werden. 

…ein siche­res Ein­kom­men für die Bau­ern, mehr Tier­wohl, Kli­ma- und Umwelt­schutz und gesun­des Essen für alle LINK

Debat­te über Lebens­mit­tel­prei­se: „Öko­lo­gi­sches und Sozia­les nicht tren­nen“ | tages​schau​.de

Hie­ße das nicht, dass wir auf die nächs­te kom­mu­nis­ti­sche Revo­lu­ti­on war­ten müss­ten, bis wir in der Lage sind, die drei über­zeu­gen­den und einer gefühlt rie­si­gen Anzahl von Men­schen am Her­zen lie­gen­den Zie­le in Angriff neh­men kön­nen? Nicht nur die Wohl­fahrt und ande­re sozi­al Enga­gier­te mel­den Beden­ken gegen hoch­wer­ti­ge­re Lebens­mit­tel an. Natür­lich sind auch die Ver­tre­ter der Dis­coun­ter gleich zur Stel­le. Die wie­der­um dürf­ten ande­re Moti­ve im Kopf haben, selbst wenn sie Schnei­ders Argu­men­ta­ti­on zum Teil auf­ge­nom­men haben. Außer­dem gibts noch die Pos­ch­ardt-Freie-Fahrt-für-freie-Bür­ger-Frak­ti­on für die reich­lich Tem­po in der Kur­ve wich­ti­ger ist als jede lang­wei­li­ge Wer­te­dis­kus­si­on, nebst Bild-Zei­tung und ande­ren obsku­re Quel­len, in deren State­ments es um die freie Ent­schei­dung frei­er Bür­ge­rin­nen und Bür­ger geht. 

Es klingt, als ob Özd­emir das Ende aller Son­der­an­ge­bo­te aus­ge­ru­fen hätte.

Ver­söhn­li­che­re Stim­men ver­tra­ten den Stand­punkt, Özd­emir habe einen ungüns­ti­gen Zeit­punkt (ich erin­ne­re an mein Bild vom Gän­se­es­sen zu Weih­nach­ten) und eine schlech­te Kom­mu­ni­ka­ti­on gewählt. Im Moment scheint die Kom­mu­ni­ka­ti­on unser größ­tes Pro­blem zu sein. Ich muss nur an die Coro­na-Maß­nah­men und alles, was damit im Zusam­men­hang steht, denken.

Es geht nicht, ohne dass irgend­wann jemand einen Vor­stoß macht, um end­lich eine pro­duk­ti­ve Dis­kus­si­on über die­se The­men zu star­ten. Debat­ten­bei­trä­ge wur­den bis­lang eben­so schnell wie­der gelöscht wie die eigent­lich zu die­sem Sil­ves­ter uner­wünsch­ten Feu­er­wer­ke, die man­che (Libe­ra­le) mit viel Mut und brei­ter Zustim­mung bei Quer­den­kern und ande­ren Frei­heits­lie­ben­den ver­an­stal­ten werden. 

Über­las­sen wir also das Ange­bot von Ramsch­fleisch doch lie­ber wei­ter­hin dem Markt. An gewis­sen Gesetz­mä­ßig­kei­ten, wie der von Ange­bot und Nach­fra­ge soll­te man nicht rüh­ren. Dann müs­sen wir uns auch nicht mit die­ser läs­ti­gen Fra­ge aus­ein­an­der­set­zen, wo eigent­lich die Unter­gren­ze für ein preis­güns­ti­ges Stück Fleisch lie­gen könn­te. Dar­über hat sich bestimmt noch kaum jemand Gedan­ken gemacht. Ganz sicher nicht die, die glau­ben, ein Schnäpp­chen gemacht zu haben, wenn sie ein Kilo Hack­fleisch für 99 Cents mit­ge­nom­men haben, das an den Sei­ten viel­leicht schon ein wenig grau zu sein scheint. Gut, das ist natür­lich Geschmacks­sa­che. Man­che mögen es ja gut abgehangen. 

Gewis­se Din­ge kön­nen wir künf­tig dem Markt nicht mehr über­las­sen. Auch, wenn uns gewis­se Inter­es­sen­ver­tre­ter des­halb als Kom­mu­nis­ten oder Sys­tem­geg­ner bezeich­nen. Die not­wen­di­ge Trans­for­ma­ti­on, von denen die Ampel­re­gie­rung viel­leicht noch etwas hol­pe­rig und green­horn­mä­ßig hier und da erzählt, ist eine, die wir brau­chen. Natür­lich nicht nur in Deutsch­land, son­dern glo­bal. Ob uns das gelingt, wird ange­sichts der bis­he­ri­gen Dis­kurs­ab­brü­che in mei­nen Augen immer unwahrscheinlicher. 

Das Schlim­me ist, dass die nöti­gen Debat­ten­an­sät­ze, die in die­ser Regie­rung ver­mut­lich pri­mär von den Grü­nen for­mu­liert und aus­ge­foch­ten wer­den müs­sen, bis­her in der Öffent­lich­keit eher zur Bestä­ti­gung des Bil­des führ­ten, mit dem sich die Grü­nen auch aus eige­ner Schuld schon län­ger her­um­schla­gen müssen. 

Fin­den wir kei­nen hin­rei­chen­den Kon­sens in die­ser Gesell­schaft, der not­falls als Kom­pro­miss daher­kom­men kann, wird nicht nur die Ampel­ko­ali­ti­on schei­tern, son­dern unser Land ins­ge­samt. Wir brau­chen eine Ver­än­de­rungs­be­reit­schaft der Bevöl­ke­rung, die für vie­le Men­schen weit über die Gren­zen des für sie über­haupt Vor­stell­ba­ren hinausgeht. 

Ich glau­be, die meis­ten von uns wis­sen das. Sie sind des­halb so ver­un­si­chert, weil es bis­her noch an kla­ren Posi­tio­nen fehlt. Die­se Ver­un­si­che­rung betrifft alle Berei­che unse­res Lebens. Nicht nur unse­re beruf­li­chen Tätig­kei­ten, son­dern ins­ge­samt unse­re Art zu leben. Ich kann ver­ste­hen, wenn Men­schen, die das spü­ren oder sogar wis­sen, sich dage­gen weh­ren, und zwar mit der typi­schen Ver­bis­sen­heit, die uns Deut­schen lei­der etwas anzu­hän­gen scheint. Es gibt auch vie­le ernst zu neh­men­de Argu­men­te gegen die Gleich­zei­tig­keit der Pro­zes­se. Das wich­tigs­te über­haupt ist aus mei­ner Sicht, dass wir bei all­dem dar­um kämp­fen müs­sen, mög­lichst vie­le mit­zu­neh­men und zu über­zeu­gen, die skep­tisch oder sogar feind­se­lig sind.

Mit alten Regeln aus der Öko­no­mie wer­den wir die­se Schwie­rig­kei­ten nicht aus­räu­men. Hof­fent­lich weiß die FDP das auch. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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