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Vom Entgleiten liebgewonnener Sicherheiten

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Ich glaube, es gibt immer mehr Journalisten, die das, was wir als Mainstream kennen, kritisch sehen. Die alte Sicherheit ist hin. Journalisten steigen aus. Freiwillig oder mit Druck.

So sollte das nicht weitergehen

Für dich ist alles in Ordnung und du reibst dich nicht weiter daran? Es mag auch sein, dass du überzeugt bist, dass ich falsch liege und unsere Medien ganz ok arbeiten.

Wenn ich bei Schuler, Reichelt, Broder, Reitschuster, Danisch, Fritz oder Köppel, Müller oder Berger lese oder mir deren Videos ansehe, kommen mir Zweifel. Immer mehr Zweifel. Vor ein paar Jahren hätte ich mich damit begnügt, ihre Artikel mit ihren mir abwegig und provokant erscheinenden Meinungen in „die Ecke“ zu stellen. Ich sah mitunter regelrechte Ehrlosigkeit hinter den Texten. Sie schienen mir inakzeptabel.

Jan Fleischhauer schrieb:

Dass Politiker dazu neigen, sich die Sache einfach zu machen: Daran hat man sich gewöhnt. Aber dass auch immer mehr Journalisten das Verdächtigungsspiel mitspielen, ist deprimierend.

Weiter führt er aus: „Bei Rot-Grün ist ihnen die Macht zu Kopf gestiegen. Vielen Vertretern reicht es nicht mehr, wichtige Ministerien zu besetzen. Sie möchten auch mit Leuten aufräumen, die ihnen schon lange ein Dorn im Auge sind.“

Vorbildliche Demokraten

Nun werden viele diese Sicht nicht teilen. Naturgemäß insbesondere nicht die Anhänger von Links-Grün.

Es lohnt sich, den ganzen Artikel zu lesen und die dort aufgestellten Behauptungen (u.a. zur „Amadeu Antonio Stiftung“) nachzuprüfen.

Für Aufsehen sorgte die Amadeu Antonio Stiftung mit der Einrichtung einer Meldestelle gegen Antifeminismus. Ein vom Bundesfamilienministerium geförderter Verein, der dazu aufruft, Bürger anzuschwärzen, weil sie Gendersprache ablehnen oder der Meinung sind, dass Genderstudies Geldverschwendung seien?

Jan Fleischhauer, Focus Magazin

Die staatlich unterstützte Stiftung hat – schätze ich – im rechten politischen Spektrum wenig Freunde. Dass sie sich aufgrund der von Fleischhauer erwähnten Meldestelle für „Antifeminismus“ veranlasst sah, eine Klarstellung zu veröffentlichen, ist das eine. Soll Kritik am Gendern gemeldet werden? Heißt das: Leute, haltet euch mit Kritik an politischen Vorgaben zurück, wenn ihr (als Blogger) regierungskritische Anliegen vertretet.

Alternative Medien

An Diskussionen in Medien wie Tichys Einblick, Achgut, Reitschuster, Schuler, Reichelt, Weltwoche und so weiter stößt mir auf, wie einseitig und engstirnig sie geführt werden. Während man über manche Formulierungen in Fleischhauer-Kolumnen durchaus schmunzeln kann, sieht das in anderen Medien (einige habe ich oben aufgeführt) anders aus. Da klingen Hass und Ablehnung des politischen Systems an.

Viel mehr als Stil und Inhalt einzelner Beiträge sollte uns aber die Frage beschäftigen, weshalb die Zahl dieser Publikationen und mit ihnen die der Leserinnen und Leser so stark zunimmt. Alle haben gemeinsam, dass sie am Kurs der aktuellen Regierung kein gutes Haar lassen. In Ansätzen war das schon während der Merkel-Ära der Fall, vor allem nach 2015.

Fortschrittsregierung?

Die Fortschrittsregierung, wie sich die dreier Koalition auf dem Papier selbst nannte, hatte einen besonders schweren Start. Das räumen auch Gegner ein. Allerdings treten individuelle Schwächen einzelner Regierungsmitglieder an den Tag, die immer mehr ehemalige Wählerinnen und Wähler zweifeln lassen.

Die Umfragen der Grünen sind nicht mehr so stabil, die SPD liegt je nach Umfrage bundesweit wieder einige Prozentpunkte darüber. Über die Werte der FDP legt sich der Mantel des Schweigens. Die 5 % – Hürde lässt grüßen.

Ich verstehe nicht, weshalb die Union sich im Vergleich so stark zeigt. An Merz kann es nicht liegen. Sind die Wählerinnen und Wähler wirklich so dumm? Glauben die, dass ein Roderich Kiesewetter oder Norbert Röttgen innerhalb der Union ihre Vorstellungen umsetzen könnten, wäre die Partei an der Macht?

Die Deutschen taktieren. Ganz egal, ob sie von links-grün oder schwarz regiert werden. Mit anderen Worten, die Union würde wahrscheinlich nicht viel anders machen als diese Regierung.

Viele Leserinnen und Leser

Es macht Klicks, wer sich außerhalb des Mainstreams positioniert. Das haben Medien wie Tichys Einblick oder Achgut spätestens erfahren, als sie nach 2015 damit begonnen haben, konträre Positionen gegen die amtierende Bundesregierung und die Mainstreammedien zu beziehen. Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine und den Aufregern um klimapolitische Themen ließ sich eine Art von Gegenjournalismus vortrefflich weiter etablieren.

Ich höre mir mitunter Videos dieser Kanäle an und lese auch manche Artikel. Vielleicht sind es diese Inhalte, die meine Zweifel an der aktuellen Politik zunehmen lassen.

Nancy Faeser sieht keine Probleme am Wohnungsmarkt

Wenn ich auf der anderen Seite aber unserer Innenministerin, Nancy Faeser, zuhöre, wenn sie sagt, dass der weitere Zustrom an Flüchtlingen keine negativen Auswirkungen an unserem Wohnungsmarkt hätte, wachsen Zweifel. Dass sie fast gleichzeitig eine bessere Verteilung der Flüchtlinge in Europa anmahnt, macht ihre Ahnungs- und Hilflosigkeit deutlich.

Vor dem Hintergrund der Geschehnisse in Lörrach und der Schweiz klingt Faeser wie der Prototyp des Realitätsverweigerers. Man kann ihr Gelaber nur noch kritisch sehen.

Wir erleben eine zunehmende Auseinandersetzung zwischen denen, die die Unterstützung der Ukraine für absolut unverzichtbar halten und denen, die u.a. aus Sorge vor einer möglichen Eskalation des Krieges diesen möglichst bald durch Verhandlungen beenden wollen. Die Positionen sind rasch ausgetauscht. Gemeinsam wollen alle „DEN FRIEDEN“.

Über den Weg dorthin ist man uneinig wie nie. Diejenigen, die für die Unterstützung der Ukraine sind, werfen den anderen vor, sie wären aus purem Egoismus (soll heißen: aus Angst vor den möglichen Auswirkungen auf unser Leben) gegen Waffenlieferungen. Zudem scheint klar zu sein, dass Putin nicht verhandeln will. Nun, es passt ins Bild. Dabei werden Verhandlungen geführt. Vielleicht sogar über den Frieden?

Innerhalb dieser Positionen bewegt sich fast nichts. Diejenigen, die den Kurs der deutschen Regierung unterstützen, scheint alles recht, Andersdenkende aus dem Diskurs auszuschließen. Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer sind in diesen Kreisen, leicht abgestuft, zu Parias geworden.

Europas punktuelle Einigkeit

Ich erkenne in dieser Lage eine Entwicklung, die hoffentlich keiner wirklich möchte. Es geht nicht um harte Diskussionen, um Beleidigungen, die man sich gegenseitig um die Ohren haut. Es geht darum, wie links-grüne Kreise und ihre medialen Unterstützer Meinungsunterschiede hochjazzen bzw. wie die Menschen mit abweichender Haltung öffentlich behandelt werden.

Gestern habe ich mir ein Video des Chefredakteurs der schweizerischen „Weltwoche“, Roger Köppel, angesehen. Ich kann den Mann wirklich nicht ab. Ich erkenne aber an, dass er sich emotional stark engagiert und finde Positionen wieder, die ich, ich sage es ungern, teile. Manches klingt bei Köppel nach Antiamerikanismus. Diese Haltung, so es sie überhaupt gibt, war mir früher nie aufgefallen. Es passt auch nicht zu Köppels Biografie, glaube ich.

Wie auch immer: Warum sollte man sich die Gedanken derjenigen nicht wenigstens anhören, die politisch normalerweise auf dem gegnerischen Spielfeld stehen? Irgendwie hat sich da etwas breit gemacht, dass ich als undemokratische Tendenz identifizieren würde.

Wir müssen miteinander reden und die unterschiedlichen Positionen aushalten. Stattdessen nehmen die, denen ich immer eine besonders demokratische und liberale Gesinnung unterstellt hatte, eine Richtung ein, die ich nicht akzeptieren kann.

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Quelle Featured-Image: HorstSchulte.com

Letztes Update:

6 Gedanken zu „Vom Entgleiten liebgewonnener Sicherheiten“

  1. Da kann ich nix Positives zu beitragen, aber genau die Auswirkungen hat das Buch die narzisstische Gesellschaft mit umschrieben, auch wenn ich des Autors Thesen nicht immer vertrete.

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  2. Für die Kaste der Journalisten (und der Politiker) mag die Bezeichnung Narzzisten noch am ehesten zutreffen. Ob man sie allerdings gleich so inflationär nutzen muss? Mir gefällt die eingerissene Einseitigkeit nicht. Köppel schimpft über die deutschen, österreichischen und auch schweizerischen Journalisten, weil viele von diesen unisono Regierungspositionen vertreten würden. Da ist aus meiner Sicht leider etwas dran. Dagegen gilt es anzugehen, finde ich. Wir leben in einer repräsentativen Demokratie, die ihre Schwächen hat. Dafür brauchen wir umso mehr eine funktionierende Presse, die gewissermaßen regulierend eingreift.

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  3. „Vielleicht sind es diese Inhalte, die meine Zweifel an der aktuellen Politik zunehmen lassen. “
    Immer schon finde ich es richtig, jegliche „aktuelle Politik“ selbst zu reflektieren und mit dem, was man (aus anderen Quellen und dem „realen Leben“) kennt, abzugleichen. Das ist bei der Aussage zur Wohnungsnot ganz einfach, auch ohne die abseitigen Medien zu lesen. Schließlich wird viel berichtet über die Probleme in den Städten und Gemeinden, weitere Flüchtlinge unterzubringen.

    Mit knapp 20 hab ich mal ein Jahr lang FAZ gelesen, weil ein damaliger Partner die gelesen hat. Dabei konnte ich feststellen, wie die Lektüre mein Denken zu vielem in eine bestimmte Richtung beeinflusste, die – eigentlich – nicht die meine war. Eine Lehre, die ich nicht vergessen habe!

    Die von dir genannten Medien lese ich nahezu nie, seit ich anfänglich versuchte, dort zu kommentieren. Meine hinterfragenden Kommentare (freundlich, sachlich) wurden nicht einmal veröffentlicht. Seitdem ist mir klar, warum dort nur Zustimmer und Mithetzer kommentieren und den Eindruck erwecken, alles was da geschrieben wird, sei ohne Frage genau richtig und wahr.

    „Links-grün“ erlebe ich eher als Opfer z.B. der Springer-Medien, die es zum Sport gemacht haben, Habeck et al ständig nieder zu machen – keine kleine Medienmacht, noch ganz ohne die Phalanx der rechten und rechtspopulistischen Gegenjournaille, die natürlich auch massiv in diese Kerbe hauen.

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  4. @Claudia, ich hoffe doch, dass alles, was man liest, irgendwie in die eigene Meinungsbildung eingeht. Dass darunter auch radikale Ansichten zu besonders wichtigen Entwicklungen sind, die man zu anderen Zeiten wohl nie übernommen haben würde, ist klar. Wahrscheinlich sogar unvermeidlich. Ich käme aber nicht darauf, bestimmte Inhalte zu ignorieren, nur weil ich deren Aussage nicht teilen kann. Inwieweit man sich selbst rechter oder völkischer Propaganda hingibt, kann nur jeder selbst beantworten. Ich tue das bestimmt nicht.

    Meine Meinung zum politischen, medialen und gesellschaftlichen Geschehen hat sich deshalb verändert, weil ich sehe, dass die jetzige Regierung (die ich, obwohl ich nicht wählen gehen wollte, letztlich doch selbst gewählt habe) nicht im Ansatz die Erwartungen erfüllt, die ich hatte.

    Es geht nicht mit dem Klima voran, die Maßnahmen gegen illegale Migration sind wässrig und unwirksam. Letztes Jahr wurden 20.000 geplante Abschiebungen nicht durchgeführt. 64% der Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, haben dagegen geklagt. Es gibt eine Menge Menschen in diesem Land, denen die Zahl der Migranten, die eigentlich nicht im Land sein sollten, völlig egal ist. Schließlich ist kein Mensch illegal. Insbesondere dieses Motto teile ich. Aber ich sehe, wohin unsere Gesellschaft sich entwickelt. Faeser tut nicht einmal das. Zumindest lässt sie ihre Verantwortung nicht erkennen. Über die Äußerung, die ich im Beitrag erwähnt habe, ärge ich mich immer noch.

    Es gibt Unmengen von Prozessen, die in unserem Land zu langsam (ätzend langsam) laufen und die dringend beschleunigt werden müssen. In der FAZ hat Patrick Bernau 25 solcher Prozesse aus dem Arm geschüttelt. Ja, die Anlage für LNG-Gas wurde in Rekordtempo erbaut. Hast du mitbekommen, wie sich (alle Bürgermeister in größter Einigkeit) in Rügen die Leute gegen eine weitere Anlage wehren und alle gegen diese Maßnahme klagen? Es war ein laues Lüftchen, wirkliche Fortschritte sind mit dieser egoistischen und (ich leihe bei Juri Nello) narzisstische Bevölkerung nicht zu machen.

    Mehr Wissen, mehr Streit, mehr Resilienz. Das ist geboten in den nächsten Jahren. Ideologie wie die der Roten und Grünen helfen uns ebenso wenig weiter wie das, was von Rechts gelabert wird.

    Übrigens: Ich habe mit großer Begeisterung die ersten beiden Teile von Schätzings „Der Schwarm“ gesehen. Hoffentlich bleibt der Rest auch so spannend. Schätzing fand die Verfilmung des ZDF wohl nicht gelungen. Jedenfalls muss er ziemlich darüber geschimpft haben. Ich könnte mir vorstellen, dass es im um die grüne Botschaft geht, die bei dieser vielleicht etwas reißerischen Umsetzung, nicht so erkennbar umgesetzt wurde, wie er sich das erhofft hatte.

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  5. Nur zu „Der Schwarm“:
    Du findest das SPANNEND??? Ich ertrage diese zähe, gemächliche Erzählweise nur, weil wir das zu zweit schauen und uns dabei stellenweise unterhalten können! 🙂
    Hier eine Kritik, die ich in vielen Punkten teile:
    https://www.salonkolumnisten.com/der-schwarm-geht-baden/
    Dabei stört mich die grün-moralisierende Botschaft am wenigsten, finde es sogar gut, auf welche Weise ganz ohne Kommentierung gezeigt wird, wie wir mit Tieren umgehen – auf einmal sieht man es aus deren Augen!
    Das schon zwanghaft wirkende Bemühen um politisch-korrekte Diversität wird hier langsam nervig – insbesondere natürlich, wenn man die interessanten Charaktere aus dem Buch noch erinnert.
    Ich schaue es noch zu Ende, bin aber wirklich enttäuscht! Es gibt natürlich auch gute Momente/Szenen/Landschaften, aber dass die „Action“ fast gar nicht stattfindet, ist schon ein echter Mangel! Dauernd starren die Leute nur auf Monitore….

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  6. @Claudia, das klingt so, als hättest du schon mehr als die ersten beiden Folgen gesehen? Meine Frau und ich waren gestern am TV dabei. Ich wollte eigentlich streamen, habe aber dann abgewartet.

    Die Kritik ist nicht berauschend. Wie so oft. Insofern ist das keine Überraschung für mich. Ich war positiv überrascht, weil ich gedacht hatte, der Film würde grüne Botschaften in den Mittelpunkt stellen. Das ist zum Glück anders und vielleicht ist das der Grund für Schätzings Verstimmung?

    Ich fand die Folgen spannend, gerade weil sie nicht mit dem üblichen Erzähl- und Bildertempo daherkommen. Die Erlebnisse an verschiedenen Stellen des Planeten werden zusammengefügt. Die Abhängigkeiten z.B. von den Wirtschaftsinteressen Norwegens spielen eine Rolle und die persönliche Integrität von WissenschaftlerInnen. Mir gefällt das.

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