Precht und Lanz hatten vor nicht allzu langer Zeit ein Hühnchen mit der Generation Z zu rupfen. Das kam, wer hatte etwas anderes erwartet, vor allem bei den Adressaten und ihren Schwestern und Brüdern im Geiste überhaupt nicht gut an. Alles, was von beiden geäußert wurde, wurde verfemt, nicht nur im x-Universum. Man war nicht sparsam mit den Vorwürfen. Ignoranz und Arroganz attestierten gefühlt die meisten Kritiker (Hochmut, Anmaßung oder Überheblichkeit – um einen Habitus von Personen, die ihren eigenen Wert als übertrieben hoch einschätzen und sich für etwas Besseres halten.)
Spielend sind solche Zuschreibungen auf Harald Welzer übertragbar. Seit seinen medialen Scharmützeln über die Verantwortung für vieles, was gegenwärtig nur mittelgut funktioniert und nicht zuletzt dem durch unsere Medien forcierten deutschen Engagement im Ukraine-Krieg.
Dass sich die Leute über Äußerungen von medial besonders präsenten Personen aufregen, dazu ihren Unmut äußern, ist nichts Neues. Zum Glück haben wir noch solche Menschen, die vom Mainstream abweichende Positionen prominent vertreten.
Man kann Harald Welzer, Richard David Precht – ich nehme Markus Lanz als zurzeit größten Katalysator für Streitpotenziale dazu – für die Vehemenz, manchmal auch ihr arrogantes Gehabe ihrer Vorträge kritisieren. Andererseits hören ihnen viele Menschen zu oder lesen ihre Bücher. Kurz gesagt, es gibt dümmere Exemplare unserer Spezies.
Wenn Precht von manchen Journalisten als Lifestyle-Philosoph herabgewürdigt wird, mag das angesichts der großen Meinungsunterschiede in wichtigen Fragestellungen durchaus verständlich sein. Die deutsche Neigung zu Vergleichen hat immer eine ungerechte Seite.
Die über lange Zeiträume wirkenden Gedanken großer Philosophen fallen zu einem großen Teil ebenso aus der Zeit, wie die Werke von Philosophen, die unserer Ära näher liegen. Auch aus diesen können wir in dieser Ära der Stapelkrisen kaum Hoffnung schöpfen. Für gebildetere Menschen als mich mag sich eine solche Haltung als Zumutung präsentieren.
Ich finde, unsere heutigen Herausforderungen können höchstens teilweise mit den gedanklichen Fragmenten und Vorgedachtem vergangener Epochen erfasst werden.
Harald Welzer hat sein neues Buch vorgelegt. Es trägt den schon für sich genommenen deprimierenden Titel: „Zeiten Ende“. Man ahnt, was kommen wird. Klar, dass er zur Präsentation gleich auch bei Lanz „aufschlägt“. Werbung muss sein.
Es geht um einen Konflikt, den ich persönlich überhaupt nicht mag und der dennoch fast unvermeidlich zu sein scheint. Die Generation Z hält, wie Welzer es beschreibt, der Boomer-Generation komplettes Versagen vor. Die Boomer seien die Fettaugen in der Suppe, die die junge Generation auslöffeln müsse, erklärt Welzer. So weit, so provozierend.
Ich muss aus meiner Sicht feststellen, dass Welzer mit seiner Analyse einfach richtig liegt. Irgendjemand hatte kürzlich sinngemäß geschrieben, dass meine Generation sich offenbar darin gefalle, in geradezu jammerlappenhafter Selbstbezichtigung um eine echte Übernahme von Verantwortung herumzudrücken. Das ist hart, aber man kann das so sehen.
Es scheint ein Konflikt zwischen den Boomern und Generation Z aufzuziehen. Zurückhaltung in den Foren, die dafür prädestiniert sind, mangelt es. Nicht nur bei diesem Thema. Aber das soll jetzt und hier mal keine Rolle spielen.
Ich sehe wieder einmal, dass Harald Welzer, den ich für einen der klügsten Köpfe in unserem Land halte, richtig liegt und er Tatbestände in seine Analyse einbezogen hat, die nun einmal von den Menschen ihrer Zeit zu verantworten sind.
Wenn Meteorologen heute davon reden, dass die Sommer vermutlich in den letzten 150.000 Jahren nie wärmer waren, führt das gleich zum Aufstand. Nicht nur wegen der Zeit, von der anzunehmen ist, dass Überlieferungen nicht existieren, sondern vor allem, weil Meteorologen zu denen zählen, die uns ständig auch mithilfe knallrot eingefärbter Wetterkarten etwas vor Augen halten, das viele von uns einfach nicht wahrhaben wollen. Die Leute, die das demonstrieren, bekommen scheinbar immer mehr Anhänger.
Die Haltung ist einfacher als sich mit dem auseinanderzusetzen, was vor sich geht. Darin, Tatsachen zu leugnen, üben sich viele nun schon spätestens seit Corona und eine Einstellung gegen etwas zu entwickeln ist allemal leichter, als Verantwortung zu übernehmen oder einen konkreten Beitrag zu leisten. Dabei gäbe es die Alternative, eben nicht all den Blödsinn nachzuquatschen, den wir von politisch und ökologisch nach rückwärts gerichteten Politikern und Aktivisten zu hören bekommen.
Es ist einfach, so zu tun, als würden wir von grünen Ideologen (warum sind plötzlich eigentlich die Grünen die einzigen in der politischen Landschaft, denen man für jede Handlung Ideologie unterstellt, aber nie gesunden Menschenverstand?) in ein Riesenfiasko gestürzt. Ich glaube, viele Menschen wissen es besser als die Klimaleugner von der AfD oder die Opportunisten der Union. Die einen wollen gleich das ganze System zum Einsturz bringen, die anderen sammeln ihre Chancen begierig auf, den politischen Gegner möglichst ganz und gar auszustechen. Leider gelingt das, weil die zahlreichen und zum großen Teil richtigen Maßnahmen der Regierung furchtbar schlecht gemanagt werden, inkl. jedem Ansatz von durchdachtem Marketing.
Mir scheint allein die Vorstellung unmöglich, dass diese Erde zu einem Platz werden könnte, an dem Menschen, auch die, die ich als meine wichtigsten betrachte, nicht mehr so leben könnten, wie es viele Generationen bisher getan haben. Die Pole, die Permafrost-Böden schmelzen, Gletscher bilden sich zurück, es werden Waldgebiete in Größenordnungen vernichtet, die wir uns nicht einmal vorstellen können. Die Wasservorräte gehen in manchen Regionen so stark zurück, dass die Trinkwasserversorgung infrage gestellt wird bzw. dagegen Maßnahmen getroffen werden.
Es gibt Regionen auf der Welt, wo in den letzten Sommern Temperaturen gemessen wurden (> 50 °), die uns höchstens vom Death Valley bekannt waren.
Ich verstehe Menschen, die anhand der Berichte von überall auf der Welt verzweifelt sind und sogar die Augen vor dem verschließen, was in Europa und auch in unserem Land im Hinblick auf Klimawandel vor sich geht. Aussitzen oder Verdrängen gehören zum Repertoire des Menschen, nicht nur, wenn es um Dinge geht, die existenziell sind.
Wenn Harald Welzer die Diskrepanz zwischen politischen Lippenbekenntnissen und einem wirksamen Engagement gegen den Klimawandel beklagt, kann ich das gut verstehen. Gestern war so eine Lichtgestalt der Jungen Union bei Markus Lanz. Er hat sich, wie er erklärte, von „einem Freund einmal ausrechnen lassen“, was die Einsparungen durch die staatlich subventionierte Einführung der Wärmepumpen CO₂ Einsparungen (bis 2030) ein Volumen von 44 Mio. Tonnen bringe. China verbraucht, so Johannes Winkel, CDU, 12,5 Mrd. Tonnen je Jahr. Demnach spare Deutschland das ein, was China an einem Tag an CO₂ emittiere.
Wie gequält Kevin Kühnert diesen Ausführungen des CDU-Mannes lauschte, sprach Bände. Ja, der Klimawandel findet global statt und der deutsche Anteil der Emissionen ist nicht so hoch wie man leider in den Medien oft vermittelt bekommt. Aber die Ausführungen Winkels hören zu den Tricks der Leute, die partout der Ampel-Regierung schaden wollen. Deshalb schrecken sie auch vor dümmsten Vergleichen nicht zurück. China hat seit 1990 seine CO₂-Emissionen mehr als vervierfacht. Pro Kopf emittiert China 8,73 Mio. Tonnen CO₂. Deutschland ist dabei mit 8,1 Mio. Tonnen. Ich würde also sagen, bei China wäre angesichts der Bevölkerungsanzahl und des BIP durchaus Luft nach oben. Das BIP von China war im Jahr 2022 um das 4,5fache höher als das unsere. Ich führe die Werte an, nur um die Unterschiede deutlich zu machen. Die „Argumente“ des CDU-Funktionärs klingen für mich nach gewöhnlicher Propaganda ohne Kontext. Aber bedauerlicherweise entspricht das ja der üblichen Vorgehensweise.
Stattdessen kämpft die Regierung gestrige Positionen gegeneinander aus, simuliert Konzepte in endlos aufeinanderfolgenden Gipfeltreffen und kompensiert die vorhandene Ideenlosigkeit mit einem Überschuss an Moralismus. Das alles wird von einem Mediensystem unterstützt, das sich mehr für den Schauwert von Politik interessiert als für das Gelingen von Gesellschaft.
Quelle: ZEITEN ENDE – Harald Welzer | S. Fischer Verlage
Man kann ganz für sich (im persönlichen Bereich) eine Menge tun. Man muss nicht, aber man kann und das wäre sehr viel besser, als sich auf die Seite derjenigen zu schlagen, die alle Maßnahmen der Ampel in der Art und Weise negativ kommentieren und verunglimpfen, wie wir das von der AfD und ihren Anhängern und inzwischen leider auch von der Union kennen.
Harald Welzer hat die Dinge richtig beschrieben. Ob das den alten Platzhirschen in der Medienwelt nun gefällt oder nicht.
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Der Typ in der Talkshow ist nur ein Weiterer aus der Fraktion der Transatlantiker.
Der betreibt halt Propaganda. China in einem möglichst schlechten Licht dastehen lassen und Whataboutism was die heimischen Probleme angeht.
Man fragt sich nur, warum die ganzen Transatlantiker der Schwatten, Grünen und Möchtegernroten noch hier sind, wo es in den Staaten hingegen doch so geil ist.
Mal schauen, wer von denen seine Söhne in den Krieg schickt, sollte der Ukraine es doch noch gelingen, den Bündnisfall zu provozieren. Mit dem Nachbarland Rumänien hat es zum Glück gerade nicht geklappt. Bei den Polen, Esten und Letten wäre ich da schon skeptischer.
Man könnte den Dialog versuchen. Leider sind die angesagten sozialen Medien keine Dialogformate.
Meinst du Lanz? Ist er ein Transatlantiker? Die Politiker, die dort aufschlagen, sind jedenfalls welche. Egal, ob der CDU-Mann Röttgen oder der SPD-Nachfolger Roth. Mir gehen die Leute in ihrer ewigen Einseitigkeit auf die Nerven. Sie vertreten die US-Politik. Scheinbar haben sie keinerlei Zweifel daran, dass die USA das Reich des Guten ist. Das kann man natürlich machen. Aber genau das ist es, worüber ich mich auch aufrege. Unsere eigenen Interessen spielen nicht die Rolle, die sie spielen sollten. Wir hängen an den Fäden einer Supermacht und fühlen uns trotz allem immer noch gut dabei.
Nee, die asozialen Medien sind gewiss nichts, womit wir irgendwelche Probleme rundum diskutieren geschweige denn lösen könnten. Ich würde diese Rammelbuden luftdicht verschließen. Sie zerstören die Demokratie immer sichtbarer. Manche feiern sie leider (immer noch) als zuträglich für den Meinungsbildungsprozess, im Grunde als belebenden Faktor für die Demokratie. Diesen Traum habe ich zu Beginn dieses Affentheaters auch geträumt. Längst bin ich zur Besinnung gekommen.
Nein. Ich meine nicht Lanz. Wenn man mit irgendwem ein Problem hat, geht man hin und diskutiert darüber oder man lässt es so wie es ist und geht seiner Wege. Es soll ja auch Mehrgenerationenhäuser geben. Hier könnte sich evtl ein Austausch anbieten.
Du kannst auch kein Format Lanz vs. Sohn oder Tochter von Rezo dafür nutzen. Dann hast Du ein paar Selbstdarsteller, die den ganzen Abend sich selbst in Szene setzen und der Dialog bleibt auf der Strecke. Preisfrage: Woher haben die alle so gelernt zu agieren? Schule? Eltern? Freunde?