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Gesellschaft

Halten Facebook & Twitter bis ich gelernt habe, andere Meinungen zu ertragen?

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von Horst Schulte

6 Min. Lesezeit

featuredimage

Die Zeiten ändern sich.

Die­ser Bei­trag scheint älter als 5 Jah­re zu sein – eine lan­ge Zeit im Inter­net. Der Inhalt ist viel­leicht veraltet.

Die ekli­gen Kom­men­ta­re nach der Ermor­dung des Kass­ler Regie­rungs­prä­si­den­ten Lüb­cke haben die Dis­kus­si­on dar­über auf­le­ben las­sen, wie wir mit­ein­an­der umge­hen und über­ein­an­der sprechen. 

Die sich erge­ben­den Fra­gen zie­len nicht nur auf die sozia­len Netz­wer­ke ab, son­dern sie bezie­hen auch auf unser rea­les Leben. Vie­le fin­den es nicht gut, dass der Ton immer rau­er wird und Men­schen, die für uns alle einen wert­vol­len Dienst leis­ten, ver­bal und kör­per­lich ange­grif­fen wer­den. Ich den­ke dabei an Feu­er­wehr­leu­te, Poli­zis­ten, Ret­tungs­sa­ni­tä­ter oder Ärzte.

Die Poli­tik steht die­ser Ent­wick­lung in unse­ren offe­nen Gesell­schaf­ten nach mei­nem Gefühl doch arg hilf­los gegen­über. Was soll man da auch tun, wenn alle für sich bean­spru­chen im Recht zu sein? Und so ist es doch, wenn wir ehr­lich mit­ein­an­der sind.

Taubers Irrweg

Ich fin­de, man kann das an Peter Tau­bers unglück­li­cher For­de­rung nach Anwen­dung von Arti­kel 18 des Grund­ge­set­zes sehen. Es gab ja auch schon davor lau­te und »robus­te« Dis­kus­sio­nen dar­über, ob und wenn ja, wel­che Mit­tel der Staat ein­set­zen soll, um Het­ze in Netz und Gesell­schaft ent­ge­gen­zu­wir­ken. Lei­der hilft es wenig, dass wir Geset­ze für sowas haben. Die Leu­te gera­ten trotz­dem (oder des­halb?) schnell – viel­leicht sogar immer schnel­ler – außer Rand und Band. 

Das so genann­te Netz­durch­drin­gungs­ge­setz hat, wür­de ich aus dem Gefühl behaup­ten, kein Stück Ver­bes­se­rung unse­res Beneh­mens bewirkt. 

Die Unzu­frie­den­heit mit tem­po­rä­ren Sper­ren und Aus­schlüs­sen aus den sozia­len Netz­wer­ken tref­fen alle. Und alle füh­len sich unge­recht behan­delt. So sind wir!, und ent­spre­chend laut wer­den die Beschwer­den über die­sen »Blöd­sinn« adressiert. 

Dabei hat­ten sich vie­le ein­ge­bil­det, die­se Maß­nah­men wür­den immer die »Rich­ti­gen« treffen.

Diskussionen flammen wieder auf

Dass die Inten­si­tät ange­sichts des Mor­des an Herrn Lüb­cke zunimmt, ist des­halb kein Wun­der, weil die Schuld für die schreck­li­che Gewalt­tat denen zuge­schrie­ben wird, die sich mit mas­si­ven Vor­wür­fen an Lüb­ckes Äuße­run­gen zuguns­ten geflüch­te­ter Men­schen abge­ar­bei­tet haben. 

Lüb­ckes Äuße­run­gen aus dem Herbst 2015 haben vie­le als Pro­vo­ka­ti­on auf­ge­fasst oder als eine von vie­len Zurück- und Zurecht­wei­sun­gen von Leu­ten, die sich klar gegen die mer­kel­sche Flücht­lings­po­li­tik gestellt hat­ten. Ein Pro­blem, das Poli­ti­ker nicht ein­mal im Ansatz ange­gan­gen sind. Ich for­de­re nicht, dass man den Geg­nern der prak­ti­zier­ten Poli­tik mit einer ande­ren Flücht­lings­po­li­tik »ent­ge­gen­kom­men« soll­te, obwohl genau das durch den Bun­des­in­nen­mi­nis­ter See­ho­fer mit aus­drück­li­chem Ein­ver­ständ­nis der Gro­Ko voll­zo­gen wur­de. Viel­mehr hät­ten ein­deu­ti­ge Fehl­ent­wick­lun­gen durch die Flücht­lings­po­li­tik benannt und abge­stellt oder wenigs­tens das Gegen­teil plau­si­bel erklärt wer­den müs­sen. Aber dazu hat die Poli­tik bis heu­te nicht den Mumm.

Dass Herr Lüb­cke es sich erlaubt hat, den wüten­den Kri­ti­kern der Flücht­lings­po­li­tik die Aus­rei­se aus Deutsch­land nahe­zu­le­gen, über­stieg für vie­le die­ser Leu­te das erträg­li­che Maß. Eine Ent­wick­lung, der die poli­ti­sche Ebe­ne nichts ent­ge­gen­zu­set­zen hatte.

Damals muss­te die Poli­zei Herrn Lüb­cke Per­so­nen­schutz gewäh­ren, weil die Dro­hun­gen gegen ihn über­hand­nah­men. Spä­ter, so fan­den die zustän­di­gen Sicher­heits­be­hör­den, war die­ser Per­so­nen­schutz nicht mehr erfor­der­lich. Ich ver­mu­te ein­mal, dass Herr Lüb­cke damit per­sön­lich sehr ein­ver­stan­den gewe­sen ist. Schließ­lich ist es sicher nicht ver­gnü­gungs­steu­er­pflich­tig, bedroht und des­halb stän­dig von Beam­ten beschützt zu werden. 

Der Mord an Herrn Lüb­cke wird auf­ge­klärt, und ich möch­te hof­fen, dass sich bei den Ermitt­lun­gen der Gene­ral­bun­des­an­walt­schaft nicht her­aus­stellt, dass hier ein dem NSU ver­gleich­ba­res Netz­werk aktiv wur­de. Die Unsi­cher­heit im Land wür­de ansons­ten ver­mut­lich stark zunehmen. 

Dass neben Rechts­extre­men auch sala­fis­ti­sche und links­extre­me Grup­pen in unse­rem Land ihr Unwe­sen trei­ben, ist der Öffent­lich­keit hin­läng­lich bekannt. Wür­de bestä­tigt, dass erneut ein rechts­extre­mes Netz­werk aktiv gewor­den ist, stün­den spä­tes­tens die Alarm­si­gna­le auf dun­kel­rot. Und zwar in den ver­schie­de­nen Lagern mit gegen­ein­an­der gerich­te­ten Inten­tio­nen. Dabei wird bereits heu­te die Dis­kus­si­on wenig umsich­tig und wenig sach­ge­recht geführt.

Der ver­ba­le Schlag­ab­tausch via Face­book, Twit­ter etc. über die strit­ti­gen Fra­gen, die uns Bür­ge­rIn­nen in die­sem Zusam­men­hang auf­re­gen, hilft eben­so wenig wie Dis­kus­sio­nen auf ande­ren Inter­net­ka­nä­len oder im pri­va­ten Bereich. Schließ­lich spre­chen Sozio­lo­gen von einer sel­ten dage­we­se­nen Pola­ri­sie­rung der Bevöl­ke­rung. Das Inter­net scheint – das behaup­ten sei­ne unkri­ti­schen Ver­tei­di­ger – nur der Spie­gel einer an die­sem Punkt gespal­te­nen Gesell­schaft zu sein. Ich glau­be, dass das Inter­net gro­ßen Ein­fluss auf die ver­ba­le Radi­ka­li­sie­rung der Dis­kus­sio­nen hat. Die sprach­li­che Ent­gren­zung und Kom­mu­ni­ka­ti­on wäre ohne das Inter­net nicht auf die­sem Niveau. Aber das möch­te kei­ner hören, weil wir ja ohne Inter­net nicht mehr leben könn­ten und es auch gar nicht wollten.

Die trau­ri­gen Zeug­nis­se so genann­ter Mei­nungs­äu­ße­run­gen nach dem Tod von Herrn Lüb­cke waren abscheu­lich. Sie sind über­wie­gend sehr kurz gehal­ten. Ich möch­te mich damit beru­hi­gen, dass vie­le die­ser Sät­ze aus arg limi­tier­ten Hir­nen ent­sprun­gen wären. Wahr­schein­lich haben vie­le ihrer »Schöp­fer« nicht dar­an gedacht, dass ihre vor vier Jah­ren gegen Herrn Lüb­cke aus­ge­sto­ße­nen Dro­hun­gen mit dazu bei­getra­gen haben kön­nen, dass einer ihrer Part­ner im Geis­te oder eine im Unter­grund akti­ve Grup­pe ihre ein oder zwei Sät­ze als Moti­va­ti­on für die schreck­li­che Mord­tat ver­stan­den haben. 

Inso­fern ver­ste­he ich auch die AfD Leu­te nicht, die sich zu Unrecht mit der Tat in Ver­bin­dung gebracht sehen. Frau Eri­ka Stein­bach hat sich heu­te in einem Tweet betrof­fen geäu­ßert. Sie habe den Mord an Herrn Dr. Lüb­ckes Tod deut­lich ver­ur­teilt, schrieb Stein­bach. Ja – und wie war das vor vier Jah­ren? Da ließ sie unsäg­li­che Kom­men­ta­re, die ihre Fans zu einem ihrem Tweets »los­ge­las­sen« hat­ten, im Netz ste­hen. War­um tat sie dies? Wohl, weil sie sich als Kämp­fe­rin für die Mei­nungs­frei­heit ver­stand. Wie man das ein­ord­net, muss jeder selbst wissen.

Natür­lich exis­tiert eine Ver­ant­wor­tung dafür, dass man bestimm­te Tex­te oder Kom­men­ta­re ins Netz schickt. Nicht nur juris­tisch, son­dern dar­über hin­aus auch mora­lisch. Wenn Schreck­li­ches pas­siert, soll­ten wir dazu in der Lage sein, das eige­ne Ver­hal­ten wenigs­tens kri­tisch zu reflektieren. 

Das gilt für uns alle. Denn nicht nur Rech­te schi­cken uner­quick­li­chen Müll ins Netz. 

Die Fra­ge, die sich für mich stellt, ist nicht die, ob das bescheu­er­te Netz­durch­drin­gungs­ge­setz Wir­kung ent­fal­ten könn­te, son­dern ob ich die »Mei­nungs­äu­ße­run­gen«, die mir zuwi­der sind, zu ertra­gen ler­ne. Viel­leicht sind Face­book und Twit­ter bis dahin aller­dings schon Geschichte?!

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Ich bin Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

alleiniger Autor dieses Blogs

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

Artikelinformationen:

Gesellschaft

, Meinungsäußerung, Soziale Netzwerke,

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