EU: Schien sie jemals überflüssiger als heute?

Die Natio­nal­staa­ten haben ihren Auf­tritt gehabt. Kann die EU Boden gut machen oder steht die Selbst­auf­lö­sung bevor?

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Nach der völ­li­gen Unsicht­bar­keit der EU zu Beginn der Coro­na­kri­se fra­gen sich nun mehr Men­schen als je zuvor, ob sie des­halb nicht ihre Exis­tenz­be­rech­ti­gung ver­lo­ren oder zumin­dest infra­ge gestellt hätte. 

Jeder der sich an die plötz­li­chen, unab­ge­stimm­ten Maß­nah­men der Mit­glieds­län­der erin­nert, wird min­des­tens Skep­sis emp­fun­den und sich ange­sichts der kilo­me­ter­lan­gen Staus zur pol­ni­schen Gren­ze gefragt haben, wo ist die Euro­päi­sche Uni­on? Wann dür­fen die drin­gend benö­tig­ten Pfle­ge­kräf­te und Ern­te­hel­fer wie­der nach Deutschland?

Aller­dings gebe ich zu beden­ken, dass alle Kri­sen oder Kata­stro­phen, die wir in der Geschich­te der EU bis­her erlebt haben, regio­na­ler Natur oder aber der­ge­stalt waren, dass sie ein schnel­les Han­deln im Ver­gleich zur Coro­na­kri­se nicht erfor­dert haben. 

In die­sen Fäl­len war es so, dass abge­stimm­te Hilfs­maß­nah­men der EU durch die trä­gen Gre­mi­en des Kolos­ses erfol­gen konn­ten. Wir erin­nern uns an die stets medi­al gut in Sze­ne gesetz­ten nächt­li­chen Ver­hand­lun­gen an deren Ende irgend­ein Kom­pro­miss stand, der nicht dazu geeig­net war, die betei­lig­ten Inter­es­sen­grup­pen wirk­lich zufriedenzustellen. 

Schlimm und sehr unge­recht für die EU war vor allem immer der Umstand, dass sowohl die Län­ge der Ver­hand­lun­gen als auch die Qua­li­tät der Ergeb­nis­se nicht der Uni­on oder sei­nem Spit­zen­per­so­nal zuzu­schrei­ben war, son­dern in aller Regel den Auf­wal­lun­gen und der oft dreis­ten Inter­es­sen­wah­rung der Staats- und Regie­rungs­chefs (dem Euro­päi­schen Rat). Beson­ders ärger­lich war immer, dass die­se „zu Hau­se“ alle Schuld von sich wie­sen und die EU für unbe­frie­di­gen­de oder im Land kri­tisch hin­ter­frag­te Ergeb­nis­se ver­ant­wort­lich machten.

Wie zer­stö­re­risch ist es für die EU, wenn die angeb­li­che Soli­da­ri­tät der Mit­glieds­staa­ten so bru­tal als Popanz ent­larvt wird?

Dabei sind die gra­vie­ren­den Män­gel der EU nicht erst seit der Wirtschafts‑, Euro- oder Flücht­lings­kri­se sicht­bar. Ich hat­te trotz aller schlech­ten Erfah­run­gen gehofft, dass das Ver­hal­ten der EU zum aktu­el­len Flücht­lings­elend auf den grie­chi­schen Inseln und im Nord­wes­ten Syri­ens in den letz­ten Mona­ten sich zum Posi­ti­ven wen­den könnte. 

Wie dumm von mir! Das zei­gen die Reak­tio­nen der Regie­run­gen von Ungarn, Polen und Tsche­chi­en auf den Urteils­spruch des Euro­päi­schen Gerichts­ho­fes. Ich will es so bru­tal aus­drü­cken: Die­se Regie­run­gen inter­es­siert an der EU nur eins: ihr Geld und die Vor­tei­le, die sie damit für ihre Län­der ein­heim­sen. Es gibt in Deutsch­land poli­ti­sche Kräf­te, die die­se Hal­tung aus hin­läng­lich bekann­ten Grün­den tei­len. Es ist zum ver­zwei­feln. Jeden­falls wenn man an die euro­päi­sche Idee geglaubt hat.


Wenn die EU in die­sen schwe­ren Zei­ten so offen­kun­dig ver­sagt, ist das aller­dings auch des­halb kein Wun­der, weil den Staats- und Regie­rungs­chefs die Schutz­pflicht für ihre eige­nen Bevöl­ke­run­gen schwe­rer wog und dies­mal nicht auf in lan­gen Nacht­sit­zun­gen her­bei­ge­führ­te Kom­pro­miss­ent­schei­dun­gen gewar­tet wer­den durf­te. Ich glau­be, die­ser Druck mach­te es qua­si not­wen­dig, schnell und des­halb unab­ge­stimmt vor­an­zu­ge­hen. Soll­ten wir des­halb nicht etwas weni­ger kri­tisch in unse­rem Urteil über die EU sein? Ob mich mein eige­nes Argu­ment über­zeugt? Ich weiß es (noch) nicht. 

Dass die­je­ni­gen, die schon immer nur nach den Haa­ren in der Sup­pe gesucht haben, nun ein ziem­lich fet­tes gefun­den haben, ärgert mich. Auch in der Schweiz gibt es genug Leu­te (Köp­pels SVP), die die­ses trau­ri­ge Nicht­auf­tre­ten der EU in die­ser Kri­se mit Freu­de beob­ach­tet haben. 

Dabei wer­den sich man­che noch an die gewal­ti­gen Res­sour­cen der EU erin­nern, wenn es hof­fent­lich bald dar­um gehen wird, die Wirt­schaft und die Arbeits­märk­te wie­der ans Lau­fen zu bringen. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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2 Gedanken zu „EU: Schien sie jemals überflüssiger als heute?“

  1. Lie­ber Horst, Hoff­nung, Ent­täu­schung, Rea­lis­mus, Zwei­fel.….……, all das strömt aus dei­nem Bei­trag auf mich ein.
    „Euro­pa“! Nun­mehr,- der Rit­ter von der trau­ri­gen Gestalt.

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