Migranten bleiben sich selbst überlassen

Das Schick­sal von Migran­ten scheint vie­len egal gewor­den zu sein. Zu sehr sind sie mit ande­ren Pro­ble­men beschäftigt.

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Wor­an liegt es, dass das Schick­sal der Migran­ten in Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na oder auf der grie­chi­schen Insel Les­bos kaum noch für Empö­rung sorgt? Ja, das war mal anders. Vor Coro­na. Jeden­falls ver­mu­te ich, dass das feh­len­de Inter­es­se an die­ser Tra­gö­die damit zu tun hat, dass wir – wie man so schön sagt – mit unse­ren eige­nen, eben den Coro­na-Pro­ble­men, zu kämp­fen haben.

Ich mag nicht glau­ben, dass die­se Gleich­gül­tig­keit dar­auf zurück­zu­füh­ren sein könn­te, dass es Migran­ten waren, die ihre Not­un­ter­künf­te und Zel­te ange­zün­det haben. Für ein ver­än­der­tes Bild auf die Lage kann auch das Fehl­ver­hal­ten eini­ger weni­ger aus­rei­chen. Sol­che Vor­fäl­le sind ein gefun­de­nes Fres­sen für die AfD und ihre rechts­ra­di­ka­len Anhän­ger. Auf die­se Art Mensch, die sich ungern als Nazis beschimp­fen las­sen, stößt man zu häu­fig. Und doch erkennt man sie an den vie­len Kom­men­ta­ren, die jede Art von Empa­thie – vor allem für Migran­ten – ver­mis­sen lassen. 

Ich ste­he all­dem wie die­ser typi­sche, nai­ve Gut­mensch gegen­über, wenn ich im Fern­se­hen Men­schen bar­fuß in Adi­let­ten durch den Schnee stap­fen sehe. Was den­ken wir, wenn wir – ach so gequält von den Coro­na-Auf­la­gen der Regie­rung – von Babys hören, die in den nas­sen und kal­ten Zel­ten von Rat­ten ange­fres­sen wer­den? Glau­ben wir einem grie­chi­schen Minis­ter, der die Schil­de­rung von Bun­des­mi­nis­ter Mül­ler als Lüge abtut? So ruhig, wie es nach die­sen Mel­dun­gen war, fürch­te ich, wer­den die meis­ten gedacht haben: „Ach lasst mich damit in Ruhe.“ Es geschieht nichts. Wir über­las­sen die­se Men­schen ihrem Schick­sal. Gleich­zei­tig reden Poli­ti­ker von irgend­wel­chen euro­päi­schen Wer­ten. Es klingt wie Hohn! 

Der Schmerz, den die­se Beob­ach­tun­gen bei einem nor­mal emp­find­sa­men Men­schen aus­löst, kann sich nur ins Uner­mess­li­che stei­gern, wenn er rea­li­siert, dass die­se igno­ran­te Hand­lungs­wei­se nur vor allem des­halb vor­herrscht, weil huma­ni­tä­re Maß­nah­men kein poli­ti­sches Kapi­tal abwer­fen. Es ist nicht mehrheitsfähig.

Polit­stra­te­gen hat­ten das Schick­sal von Migran­ten bereits vor Coro­na als Ver­lust­brin­ger iden­ti­fi­ziert und fol­ge­rich­tig von der Agen­da gestri­chen. Bloß nicht mehr dar­über reden. Am bes­ten schie­ben wir es der EU rüber. Ein Gewin­ner­the­ma war das maxi­mal bis zum Win­ter des Jah­res 2015. Man möch­te den Rat­ten­fän­gern der AfD mit einer wei­ter­hin libe­ra­len Flücht­lings­po­li­tik kei­ne Wäh­ler in die Arme treiben. 

Das his­to­ri­sche Ver­sa­gen der EU bis in die kleins­ten Tei­le die­ser Büro­kra­ten­or­ga­ni­sa­ti­on über­deckt in kon­ge­nia­ler Art und Wei­se die Igno­ranz natio­na­ler Politiker. 

Ich kann das nicht schön­re­den. Unse­re Gesell­schaft scheint wei­te­re Flücht­lings­strö­me nicht ver­kraf­ten zu kön­nen. Ex-Ver­fas­sungs­schutz­prä­si­dent Maa­ßen spricht, wie sei­ne Kol­le­gen von der Wer­te­uni­on der CDU, AfD-Poli­ti­ker und rechts­kon­ser­va­ti­ve Jour­na­lis­ten unter dem Bei­fall ihrer Cla­queu­re in den Kom­men­tar­spal­ten Klar­text. Die Zahl der Migran­ten sei zwar zurück­ge­gan­gen. Trotz­dem kämen jähr­lich so vie­le Migran­ten nach Deutsch­land, dass eine mitt­le­re Groß­stadt ent­stün­de, und zwar mit all ihren infra­struk­tu­rel­len (Sub­text: super­teu­ren) Erfor­der­nis­sen. Ich fra­ge mich, wie die­se Rech­nung ange­sichts des ande­rer­seits real exis­tie­ren­den und immer deut­li­cher zuta­ge tre­ten­den Fach­kräf­te­man­gels und einer net­to stark schrump­fen­den Bevöl­ke­rung auf­geht. Aber über sol­che Details den­ken sol­che Men­schen nicht öffent­lich nach, weil es mit ihren poli­ti­schen Über­le­gun­gen nicht kombiniert.

Hät­ten wir ein wirk­sa­mes Ein­wan­de­rungs­ge­setz und wären unse­re Poli­ti­ker muti­ge Men­schen, wür­den sie erkannt haben, dass das Instru­men­ta­ri­um für eine gelun­ge­ne Migra­ti­ons­po­li­tik teils vor­han­den ist und teils durch sinn­vol­le wei­te­re Maß­nah­men ergänzt wer­den kann.

Ich habe das schon ein­mal geschrie­ben. Hät­te nicht einer die­ser 27 EU-Regie­rungs­chefs den Mut auf­brin­gen kön­nen und die cir­ca 7000 Men­schen von Moria in ihr/​sein Land holen kön­nen, um die­sem unmensch­li­chen Tun end­lich ein Ende zu set­zen? Das wäre so etwas wie ein Weih­nachts­mär­chen gewe­sen. Die Ver­ant­wort­li­chen hät­ten viel aus­hal­ten müs­sen. Sie wären bru­tal ange­gan­gen und kri­ti­siert wor­den für die­se Ent­schei­dung. Sogar Frau Mer­kel hat­te etwas zu ver­lie­ren, obwohl sie ihr Amt bekannt­lich ja in eini­gen Mona­ten auf­ge­ben wird. Ihr hät­te ich die­se mensch­li­che Groß­tat am ehes­ten zuge­traut. Aber die Sach­zwän­ge schei­nen allen wie ein Mühl­stein am Hals zu hän­gen. Sol­che Mär­chen gibts nur im Film. Und kei­ner kann ja schließ­lich wol­len, dass die­se huma­ni­tä­re Tat als Pull-/Push-Effekt, also als Vor­bild für noch mehr Migran­ten dient. 

Wäre ja auch scha­de gewe­sen, weil jetzt end­lich mal so vie­le Mona­te lang eini­ger­ma­ßen Ruhe herrsch­te und die AfD fast ein­stel­lig gewor­den ist.

Update: 2.2.2021

Der elen­de Fried­rich Merz wird für die AfD irgend­wann noch Hel­den­sta­tus erhal­ten. Nicht aus­zu­den­ken, wenn die­ser „Mensch“ wirk­lich Bun­des­kanz­ler wür­de. Dass er Vor­sit­zen­der einer so genann­ten christ­li­chen Uni­on wer­den könn­te, ist wahr­haft schlimm genug.

Merz will kei­ne Flücht­lin­ge aus Grie­chen­land und Bos­ni­en (faz​.net)

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: AfD Deutschland EU Flüchtlinge Impfstoff Merkel Migration

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3 Gedanken zu „Migranten bleiben sich selbst überlassen“

  1. Dass GAR NICHTS geschieht (Bos­ni­en) stimmt nicht, hier ein Artikel/​Interview, der das im Detail aufdröselt.

    Zitat:

    SPIEGEL: Die EU hat Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na bereits mehr als 60 Mil­lio­nen Euro gezahlt und wei­te­re 25 Mil­lio­nen Euro ver­spro­chen, um den Geflüch­te­ten zu hel­fen. IOM managt die Flücht­lings­la­ger. Wo ist das Geld geblieben?

    Van der Auwer­aert: Zu Beginn der Flücht­lings­kri­se gab es in Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na gar kei­ne Flücht­lings­camps. Nun gibt es sechs. Das Pro­blem ist, dass wir eines der größ­ten Camps, die Bira-Hal­le bei Bihac, nicht nut­zen dür­fen. Sonst wür­de die Kapa­zi­tät für fast alle der rund 8000 Migran­ten in Bos­ni­en reichen.
    … Wir haben seit Mona­ten gewarnt. Das poli­ti­sche Sys­tem in Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na ist dys­funk­tio­nal, die Zusam­men­ar­beit der ver­schie­de­nen Akteu­re funk­tio­niert nicht. Ich ver­ste­he die Frus­tra­ti­on der Lokal­po­li­ti­ker und der Bevöl­ke­rung hier in der Gegend. Aber das mensch­li­che Leid, das die­se Poli­tik her­vor­ruft, kann man nicht mehr rechtfertigen.

    Natür­lich wäre es ab Bes­ten, die Leu­te da raus zu holen, aber das traut sich die Poli­tik der­zeit nicht.

  2. Noch was: Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na hat ein BNE pro Kopf und Monat von 4940 US-Dol­lar, was einer regio­na­len Kauf­kraft von 12880 US-Dol­lar entspricht.
    Wür­de man jedem der 61.000 Ein­woh­ner von BIHAC 500 Euro zah­len unter der Bedin­gung, ihren Wider­stand gegen die Groß­un­ter­kunft auf­zu­ge­ben, dann wür­de das 30,5 Mio Euro kos­ten. Ich wäre gespannt, ob die das anneh­men – ist deut­lich mehr als ein Monats­ein­kom­men für jedes Familienmitglied!

    Bin über­haupt dafür, dass die EU hier und da zu Direkt­zah­lun­gen an die Men­schen über­ge­hen soll­te – dadurch wür­de „EU“ deut­li­cher posi­tiv spür­bar! (Trump hats vor­ge­macht mit sei­ner Unter­schrift unter dem Coro­na-Check – das Kal­kül dabei ist ja nicht falsch!)

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