Die Work-Life-Balance außer Kraft setzen – bei anderen

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Wie wird das in ande­ren Län­dern orga­ni­siert? Sind deren Coro­na-Zah­len so viel bes­ser? Manch­mal glau­be ich das. Vor allem, wenn ich wie­der mal einen flot­ten Blick auf irgend­ein tol­les Coro­na-Dash­board wer­fen konn­te, etwa das von Dänemark. 

Ländervergleiche zu Corona

War­um ist das so, dass die ande­ren in so vie­ler­lei Hin­sicht so viel bes­ser sind als wir Deut­schen? Ich glau­be, wir gehen uns selbst auf den Leim. Irgend­je­mand hat mal so oder so ähn­lich gefragt: Was sol­len eigent­lich ande­re erst von dir den­ken, wenn du immer so schlecht von dir denkst? Ich glau­be, da liegt unser Kern­pro­blem. Wir den­ken viel nach, neh­men alles irgend­wie so ernst. Die Dänen, viel­leicht sogar die meis­ten ande­ren Völ­ker gehen offen­bar selbst an so etwas Schlim­mes wie eine Pan­de­mie gelas­sen her­an. Sie machen sich nicht ver­rückt. Das ist benei­dens­wert. Und doch ste­hen auch auf mei­nem Zet­tel alle wöchent­li­chen Talk­shows, die sich in die­sen Zei­ten mit nichts ande­rem als Coro­na befas­sen. Irre!

Wo war ich? Bei den Zah­len der anderen.

Work-Life-Balance im Blick

In den Jahr­zehn­ten mei­ner Berufs­tä­tig­keit habe ich erlebt, wie sich die Antei­le von Arbeits- und Pri­vat­zeit immer wei­ter ver­scho­ben haben. Seit den 1970-er Jah­ren war es all­mäh­lich immer selbst­ver­ständ­li­cher gewor­den, mehr­mals im Jahr Urlaub zu machen. Bei uns waren die Rei­se­zei­ten der Wahl das Früh­jahr und der Som­mer. Win­ter­sport war eher nicht unser Ding. Ich muss­te in über eini­ge Jahr­zehn­te zwi­schen den Tagen (also zwi­schen Weih­nach­ten und Neu­jahr) immer anwe­send sein, weil ich für die Inven­tur und die Abschlüs­se ver­ant­wort­lich war. Da gabs kein Ent­rin­nen. Ich erin­ne­re mich, dass ich trotz kras­ser Erkäl­tung in den unge­heiz­ten, mit­un­ter eis­kal­ten Lager­hal­len stand, um die Bestän­de auf­zu­neh­men. Danach waren die Abstim­mun­gen und spä­ter der Abgleich mit den IT-Inven­tur­da­ten dran. Kei­ne Zeit für Urlaub. 

Ab den 2000-er Jah­ren hat­te ich Ruhe. Ich ach­te­te immer dar­auf, noch genü­gend Rest­ur­laub übrig­zu­ha­ben, damit ich die Tage zwi­schen den Tagen zu Hau­se blei­ben konn­te. Da spiel­te der Kalen­der eine gro­ße Rol­le. Wie lagen die Fest­ta­ge? Hof­fent­lich nicht so wie zuletzt. Das Mot­to war: Mit wie vie­len, mög­lichst weni­gen Urlaubs­ta­gen, kann ich maxi­mal lan­ge zu Hau­se bleiben? 

Urlaubsresttage

Die­se Jagd nach den Urlaubs­rest­ta­gen (man muss­te sei­ne Ansprü­che bis zu einem fixen Tag genom­men haben, weil die dafür gebil­de­ten Rück­stel­lun­gen auf­ge­löst wer­den soll­ten) mach­ten alle mit. Auch die Vor­stän­de und hoch­ran­gi­ge Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen sicher­ten sich die belieb­ten Jah­res­end-Urlaubs­ta­ge. Wer was zu sagen hat­te, war oft kaum oder nur sehr schwer erreichbar. 

Jetzt echauf­fie­ren sich etli­che Leu­te dar­über, dass unse­re Coro­na-Zah­len in Deutsch­land nicht vali­de sei­en und die erho­be­nen Wer­te nicht oder zu spät über­mit­telt wer­den. Es wird die Fra­ge gestellt, wie es denn nach zwei Jah­ren Pan­de­mie mög­lich sei, dass die Lern­kur­ve so ekla­tant flach ver­lau­fe. Da wer­den die Behör­den (Gesund­heits­äm­ter, das RKI, in ande­ren Fra­gen das PEI) atta­ckiert, als sei­en sie dafür ver­ant­wort­lich, dass zwi­schen den Tagen so wenig Leu­te getes­tet wer­den und die Ergeb­nis­se nicht ein­mal per Fax‼️übermittelt würden. 

Zahlen mit Vorsicht genießen

Wenn Poli­ti­ker (Hamburg/​München) nach Argu­men­ten suchen, ihre Stand­punk­te durch­zu­set­zen, scheint die Wahl der Mit­tel manch­mal recht frag­wür­dig. Natür­lich inter­es­siert es die Bevöl­ke­rung, wie vie­le Men­schen, die auf den Inten­siv­sta­tio­nen der Kran­ken­häu­ser lie­gen, geimpft bzw. unge­impft sind. Das Ver­hält­nis könn­te ein untrüg­li­cher Beleg für die Sinn­haf­tig­keit der Imp­fun­gen sein. Was aber tun Poli­ti­ker wie Herr Tsch­ent­scher und Herr Söder? Sie (viel­leicht auch ihre Mit­ar­bei­ter) mani­pu­lie­ren Zah­len und zer­stö­ren das in der Pan­de­mie ohne­hin schon so stark belas­te­te Ver­trau­ens­ver­hält­nis zur Bevöl­ke­rung. Wenn von einer gro­ßen Zahl von Inten­siv­pa­ti­en­ten nicht bekannt ist, ob sie geimpft oder unge­impft waren, ist es ein dum­mer Feh­ler, die­se Wer­te den Unge­impf­ten zuzu­schla­gen. Dumm ist das vor allem, weil sol­che Din­ge immer her­aus­kom­men und weil die Wir­kung sol­cher Mani­pu­la­tio­nen in die­ser Gemenge­la­ge vor­aus­zu­se­hen war. Es ist Was­ser auf die Müh­len der Coro­na­leug­ner. Dass ges­tern dazu kla­re Aus­sa­gen vom RKI und DIVI ver­öf­fent­licht wur­den, ist gut. Aber lei­der ist das Kind schon in den Brun­nen gefal­len. Die Zweif­ler haben wei­ter Auf­trieb erhalten. 

Dass die Inzi­den­zen ver­zö­gert gemel­det wer­den, liegt natür­lich auch dar­an, dass in den Gesund­heits­äm­tern und beim RKI Leu­te zwi­schen den Tagen Urlaub machen. Aber wenn nicht hin­rei­chend getes­tet wird, liegt das nicht an den Behör­den, son­dern an den über­haupt ver­füg­ba­ren Test­stel­len und nicht zuletzt an uns selbst. Vie­le wol­len sich viel­leicht lie­ber gemüt­lich zu Hau­se ein­ku­scheln und ver­zich­ten bewusst auf Ver­wand­ten- oder Freun­des­be­su­che. Und damit auch auf die dafür sicher­lich sinn­vol­len Tests. Wer dar­über hin­aus immer mal ein Auge auf die Sta­tis­ti­ken hat, der kann sehen, dass Deutsch­land im inter­na­tio­na­len Ver­gleich immer ziem­lich wenig Tests durch­führt. Und das, obwohl sie (Anti­ge­ne Schnell­tests und im Posi­tiv-Fall die Über­prü­fung per PCR-Test) doch längst wie­der kos­ten­los zu haben sind. 

Ich kri­ti­sie­re die Gesund­heits­äm­ter dafür, dass immer noch nicht alle auf Sor­mas umge­stie­gen sind und noch mehr über die Aus­sa­gen, die hier­zu gemacht wur­den. Aber gut, Mit­ar­bei­ter und Mit­ar­bei­te­rin­nen in Behör­den sind in die­ser Pan­de­mie sehr gefor­dert. Auch die Mit­glie­der ande­rer Berufs­grup­pen bekla­gen sich schließ­lich stän­dig dar­über, dass sie über­for­dert bzw. über­las­tet sind. Ich neh­me gele­gent­lich Anstoß dar­an, obwohl ich mir im Kla­ren dar­über bin, wie for­dernd und mit­un­ter über­for­dernd die per­ma­nen­te Belas­tung in der Pan­de­mie ist.

Strikte Maßnahmen und Behörden

Hof­fent­lich stellt sich nicht irgend­wann ein­mal her­aus, dass die strik­ten Maß­nah­men in Deutsch­land nur des­halb erfor­der­lich waren, weil unse­re Behör­den sich den Anfor­de­run­gen nicht gewach­sen zeig­ten. Die Work-Life-Balan­ce spielt ande­rer­seits bei allen ande­ren Beru­fen und Tätig­kei­ten eine ziem­lich gro­ße Rol­le. Die steht dem Per­so­nal in unse­ren Gesund­heits­äm­tern, dem RKI u.s.w. eben­falls zu. Auch und gera­de in einer Pan­de­mie, die sich zwar auf allen Schul­tern ver­teilt, aber doch beson­ders schwer auf denen des Per­so­nals die­ser Behör­den liegt. Wir kämen wahr­schein­lich nie auf die Idee, unse­ren Kran­ken­schwes­tern und ‑Pfle­gern oder dem ärzt­li­chen Per­so­nal in unse­ren Kran­ken­häu­sern und Alten­hei­men einen sol­chen Vor­wurf zu machen. 

Foto von Domi­ni­ka Rose­clay von Pexels

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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