Medien

Debatte: Precht und Welzer unter massivem Dauerfeuer

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Den ungezügelten Zorn der Medien auf das Buch von Precht und Welzer (Die vierte Gewalt) und ihren Auftritt bei Lanz im ZDF interpretiere ich in mehrere Richtungen.

  1. Beide haben den Kern eines Problems getroffen, der bisher zwar hörbar, jedoch folgenlos im Wesentlichen von Rechten und Coronaleugnern thematisiert wurde. Die Reaktion bei Twitter, die in Teilen einer regelrechten Rufmordkampagne gleicht, bestätigen in meinen Augen all das, was schon viele über die Wirkung bzw. Gefahren von Social Media gesagt und geschrieben haben.
  2. Getroffene Hunde bellen„. Für mich klingt die überbordende Kritik nach mangelnder Kritik- und Reflexionsfähigkeit unserer Medienschaffenden.
    Dass sich ganz viele an die Seite der Medien stellen, könnte damit zu tun haben, dass der verbrecherische Krieg Russlands gegen die Ukraine eine Rolle spielt und die Haltung beider Herren von der gefühlten Mehrheitsmeinung abweicht.
  3. Sicher würde auf das Thema Medienkritik nicht so heftig reagiert, gäbe es nicht den vorher schon bekannten Vorwurf der Einflussnahme unserer Medien auf die Regierung zugunsten der einseitigen und grenzenlosen Unterstützung der Ukraine.

Schelte von allen Seiten

Der Herausgeber der FAZ schildert im Kontext der Diskussionen über Precht und Welzer, dass Precht die Degradierung einer FAZ-Autorin verlangt habe, weil diese einen kritischen Text über ihn veröffentlicht hatte. Gleichzeitig liest man, dass beide, Precht mehr noch als Welzer, in ihren Fachrichtungen kaum Beachtung erlangt haben. Precht wird, übrigens nicht nur von Übermedien, als Vertreter philosophischer Populärliteratur bezeichnet. Unerhört finde ich solche geradezu ehrabschneidenden Spitzen. Wird sich jeder, der eine abweichende Haltung in Krisenzeiten einnimmt, mit Diffamierungen dieser Art auseinanderzusetzen haben?

Die Kritik geht zu weit

Die meinerseits als Herabwürdigung empfundene Formulierung wird eingerahmt von der Bemerkung, dass das ZDF ihn (Precht) abwechselnd als „TV-Moderator“, „Publizist“, „Bestsellerautor“ und „Philosoph“ bezeichnet. Dabei werden diese wechselnden Untertexte doch bei fast allen Gästen eingeblendet. Und das nicht nur bei Lanz!

So ist auch diese Bemerkung des Übermedien-Autors für mich ein Beleg dafür, welche Dimensionen die sehr einseitige Auseinandersetzung angenommen hat.

Es geht bei Twitter offensichtlich nur noch darum, die Reputation der beiden Männer zu zerstören.

Jedenfalls haben die Texte und Memes, die man bei Twitter findet, furchtbare Formen angenommen. Sollten solche „Debatten“ die Zukunft unserer Demokratie begleiten, kann ich nur schwarz sehen.

Doch letzteres ist er trotz zweier Honorarprofessuren, die vor allem seiner Bekanntheit geschuldet sind, nur im populären Sinn. Einen nennenswerten Beitrag zur akademischen Philosophie leistet er nicht.

Übermedien

Dass solche Aussagen über Menschen, die im öffentlichen Raum notwendige Debattenbeiträge leisten, getroffen werden, ist nicht weniger bedenklich als vielleicht der eine oder andere voreilige Schluss, den beide Herren gezogen haben könnten.

Welzer kommt besser weg

Bei Welzer ist der Übermedien-Autor zurückhaltender. Dennoch wird auch in seinem Fall darauf verwiesen, dass Welzers Bekanntheit, wie auch im Fall Precht, auf eine starke mediale Präsenz zurückginge.

Studien über unser Vertrauen in die Medien

Schließlich wird darauf verwiesen, dass es die Mainzer Langzeitstudie gibt, mit der sich die beiden Herren leider nicht auseinandergesetzt hätten. Mir fällt dazu ein, dass es durchaus einige Aussagen (in Medien) gibt, die die Position von Precht und Melzer in diesem Fall eher stützen. Darauf nimmt man leider keinen Bezug. Der Vorwurf an Precht und Welzer lautet, sie hätten nicht hinreichend recherchiert bzw. sie wären, hätten sie dies getan, zu völlig anderen Schlussfolgerungen gekommen.

Die Kritiker tun so, als seien beide die einzigen, die sich der leider nachteilig entwickelten Aufmerksamkeitsökonomie bedienen. So wenig kritikfähig ist die deutsche Medienlandschaft, dass sie einen regelrechten Krieg gegen zwei Männer angezettelt hat. Cancel Culture, dabei bleiben all die, die mit Precht und Welzer so umgehen, unisono, gibt es bei uns ja nicht.

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Quelle Featured-Image: HorstSchulte.com

Letztes Update:

2 Gedanken zu „Debatte: Precht und Welzer unter massivem Dauerfeuer“

  1. Precht mag kein Philosoph im strengen Sinne einer akademischen, auf einer Ordentlichen Professur ruhenden Kapazität sein. Er ist vielmehr eine öffentlich, medial, wirksame Persönlichkeit mit genügend philosophischem Hintergrund, um sich ernsthaft mit aktuellen ethischen Fragestellungen in unserer Gesellschaft zu beschäftigen. Es hilft ihm sicher dabei, dass er nicht wie eine Figur aus geschlossenen akademischen Zirkeln rüberkommt, deren Debatten höchst selten einmal den Weg in eine breitere Öffentlichkeit finden.

    Seine Reputation ist IMO sicher nicht geringer als die des FAZ-Herausgebers…

    Für Welzer gilt dasselbe, er ist womöglich stärker akademisch gegründet als Precht, was allerdings kein Problem in Sachen Seriosität darstellt.

    Wie schon in einem früheren Kommentar gesagt, kenne ich weder das Buch der beiden noch die Lanz-Debatte, also erspare ich mir seriöserweise inhaltliche Kommentare zur Sache.

    Was mir zu denken gibt, ist, dass diese Pseudo-Debatten auf Twitter und anderen Internet-Plattformen sowie die aufmerksamkeitsheischenden TV-Talkformate, die lediglich Aufreißerthemen aufgreifen und mit öffentlichkeits-wirkmächtigen Protagonisten aufbauschen inzwischen die Gesamtszenerie gesellschaftlicher Diskussion besetzt halten. Mehr noch, sie ziehen alles in einen erstickenden Sumpf kurzfristiger Belanglosigkeit bei maximal erzeugter Aufmerksamkeit. Und schwupss, ist das nächste Reißerthema vor der Tür und wird in diesem medialen Mahlstrom durchgenudelt.

    Sollte mich das Buch der beiden Autoren tatsächlich einmal interessieren, dann werde ich es mir kaufen und ES LESEN. Anschließend werde ich sicher meine Gedanken und Ansichten dazu entwickelt haben.

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  2. Einerseits ärgere ich mich über die Oberflächlichkeit der Debatte, in der es hauptsächlich darum geht, die Männer einem Mob auszusetzen und diesem den Rest zu überlassen. Andererseits frage ich mich, wozu solche Shitstorms wirklich gut sein sollen. Klar, sie sind Bestandteil der Empörungsökonomie. Gleichzeitig wird jedoch deutlich, dass abweichende Positionen nicht etwa nur mit Argumenten bekämpft werden, sondern mit Ausgrenzung und Rufmord. Das sind Zeichen, die scheinbar nur von wenigen beachtet werden und hinsichtlich ihrer Wirkung auf unser Zusammenleben extrem unterschiedlich beurteilt zu werden scheinen.

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