Dass Koryphäen wie Herr Reitz vom “Focus” über die Regierung herziehen, ist zur Normalität geworden. Wie hat man die Laufbahn dieses Journalisten zu bewerten? Immerhin ist er ganz schön herumgekommen, um es vorsichtig auszudrücken. Jetzt ist er ein sogenannter Chefkorrespondent. Chefredakteur des “Focus” war er auch schon mal und auch bei der “RP” hatte er den Job inne.
Gerade hat er wieder etwas zu seinem “Lieblingsthema” verzapft. Die Migrationsthematik gibt aber auch wirklich was her. Das Verhetzungs- und Empörungspotenzial ist schließlich beachtlich.
Auch hier in meinem Blog kommt es ständig vor.
Einstweilen mache ich mir immer mehr Sorgen um den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Demokratie.
Ich weiß, wie viele das Verhalten der Regierung kritisieren und halte das für verständlich. Unsere Regierung hat versucht, das Gefühl zu vermitteln, die in diesem Jahr wieder stark angewachsenen hohen Migrationszahlen seien kein Problem.
Wahrscheinlich werden die Behörden zum Ende 2023 350.000 Asylsuchende und 130.000 Personen im Familiennachzug in Deutschland gezählt haben.
Dass die SPD das Thema Familiennachzug gerade (erneut) auf die Agenda setzt hat, zeugt von wenig Problembewusstsein. Ja, es wäre besser, wenn die Männer, die sich hier allein “durchschlagen” müssen, in ihren Familien leben könnten. Die Integration würde das erleichtern. Aber die Zeichen sind andere. Wir wollen nicht noch mehr Geflüchtete im Land! Ich glaube, die große Mehrheit denkt das. Wahrscheinlich werden das nach Silvester noch denken. Ich erwarte Ausschreitungen, wie wir diese im letzten Jahr hatten. Nach dem Krieg der Israelis gegen die Hamas umso mehr.
Wenn Reitz Außenministerin Baerbock der Janusköpfigkeit bezichtigt, erfüllt er damit ganz sicher die Erwartungshaltung seiner “Fokus”-Leser. Dort kann man gar nicht genug davon bekommen, derbe Vorwürfe gegen die Regierung zu lesen. Da hilft Reitz immer gern!
Ja, solche Erwartung erfüllt Reitz vorbildlich. Er macht das offenbar sehr gern.
Dabei spielte sich das (doch nun wirklich nachvollziehbare) Dilemma der Grünen vor unser aller Augen ab. Dass Baerbock und andere Vertreter der Grünen eine andere Haltung als die Leserschaft des “Fokus” haben, lässt sich seit langer Zeit erkennen. Die in meinem Beitrag zuvor erwähnten Kommentare sprechen eine klare Sprache.
Frau Baerbock agiert nicht janusköpfig, sondern sie versuchte auf europäischer Ebene Zugeständnisse (Familien mit kleinen Kindern) zu erhalten, ohne dass die deutsche Regierung diesen auch von ihr erkämpften Asylkompromiss gefährdet. Warum hätte sie das nicht versuchen sollen, bzw. was ist an diesem Versuch auszusetzen? Die Frage würde Herr Reitz kaum beantworten können. Wie zuvor besprochen, Baerbocks Handlungen waren für transparent und für viele nach nachzuvollziehen.
In Frankreich gab es eine scharfe Änderung beim Asylrecht, die Reitz zu der Feststellung inspiriert hat, dass diese Novität – auf Deutschland übertragen – so etwas wie das Ende der Brandmauer sei. Hat der Mann tatsächlich Freude daran, dass Le Pens Einfluss immer sichtbarer wird? Macron ist gezwungen, sich mit dem Rassemblement National der Le Pens zu arrangieren. In Deutschland steht uns nach Lage der Dinge Ähnliches bevor. Da dürfen wir uns keine Illusionen machen.
Freut sich Reitz über die Entwicklung oder welche Botschaft habe ich überlesen? Sagen wir mal so: Er freut sich mit seiner Leserschaft. Die wiederum erfreut sich an seinen “klaren” Worten.
Er wählt gern Begriffe, von denen er weiß, wie prima sich seine Leserschaft damit triggern lässt. Er diffamiert die NGO’s, die sich für Geflüchtete einsetzen, als Asyl-NGO’s oder als Asyl-Lobby.
Gott sei Dank gibt es Menschenrechtsorganisationen, die weiterhin versuchen, das Richtige zu tun. Denn über eins wird in diesem Land der Egoisten vielleicht noch Einigkeit herzustellen sein: Was Europa gegen die Migration unternimmt, ist NICHT das, was eine Mehrheit der Menschen als richtig empfindet. Wenigstens ist das meine Hoffnung! Das ändert nur leider gar nichts an all den Details, die längst das Dilemma ausmachen. Es gibt ein originär deutsches Interesse. Das scheint bedauerlicherweise kaum im Fokus der Politik zu sein.
Menschen versuchen für ihre Sorgen und Nöte Schuldige zu finden. Das ist normal und man darf die Kraft dahinter in der Krise nicht unterschätzen. Was liegt in diesem Zusammenhang also näher, als die Schuld für alles, was in unserem Land derzeit schlecht läuft, auf die Schwächsten abzuwälzen. Früher waren das die Sozialhilfeempfänger, jetzt kommen die Geflüchteten dazu. Die Zahl der Obdachlosen wächst ebenso und die Zahl der alten Menschen, die Flaschen sammeln gehen, auch.
Leider wird der Asylkompromiss die hohen Flüchtlingszahlen kaum reduzieren. Außerdem dauert es, bis die Maßnahmen aus den Asylregelungen tatsächlich greifen.
Angeblich will die EU die notwendigen Gesetze noch vor der EU-Wahl im kommenden Frühjahr verabschieden. Ich glaube nicht daran. Im Idealfall ist nach Migrationsforschern dennoch keine größere Reduzierung der Zahlen zu erwarten. Dass der Asylkompromiss trotzdem etwas wert ist, liegt auch daran, dass ein Verteilungsmechanismus existiert, über den bisher stets nur gestritten wurde. Ob er wirklich funktioniert, bleibt aber abzuwarten.
EU-Asylkompromiss: “Von Abkommen mit Drittstaaten hängt alles ab” | tagesschau.de
Die “Taz” behauptet fälschlicherweise, Baerbock habe verschwiegen, dass die Einigung vielen migrationspolitischen Grundüberzeugungen der Grünen eigentlich entschieden zuwiderliefe. Waren der Autor beim letzten Parteitag nicht anwesend? Hat er die Diskussionen dazu nicht verfolgt? Ich verstehe solche Meldungen einfach nicht. Die Debatte hat er doch gewiss verfolgt.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger sagte, die Beschlüsse seien „der massivste Angriff auf das individuelle Recht auf Asyl, den es in der EU je gegeben hat.“ Und weiter: „Wenn Bundesinnenministerin Nancy Faeser behauptet, die Einigung könne dazu beitragen, humanitäre Standards zu schützen, ist das eine dreiste Verdrehung der Tatsachen.“
TaZ
Früher hätte man anhand solcher Kommentierungen über langwierige Kompromisssuchen gesagt, dass das Ergebnis so schlecht nicht sein könne, wenn doch alle ihre Vorbehalte dagegen geäußert hätten. Früher sagte man, Stillschweigen bedeutet Einverständnis. Wäre ja schön, wenn viel Schimpfen im Wege des Kompromisses dasselbe bedeuten würde.