Geht die Ampelregierung vorzeitig in Rente?

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Horst Schulte

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Hab gele­sen, dass das Kar­tell­amt längst die Waf­fen vor der Mine­ral­öl­in­dus­trie gestreckt hat. Einer der Vor­tur­ner die­ser nutz­lo­sen Instanz hat­te bereits vor einer Wei­le gesagt, dass es juris­tisch kei­ne Mög­lich­keit gibt, den Kon­zer­nen die Wei­ter­ga­be der zeit­lich befris­te­ten staat­li­chen Steu­er­nach­läs­se vor­zu­schrei­ben. Wir erle­ben das an den Zapf­säu­len der Republik. 

Die gewinn­trun­ke­nen Kon­zern­chefs erlau­ben sich einen noch grö­ße­ren Schluck aus der Pul­le, die Repu­blik schaut der­weil zu, wie sich wenigs­tens die Nie­der­län­der aus dem Grenz­be­reich nach Deutsch­land an den mit unse­ren Steu­er­mit­teln tem­po­rär zumin­dest gering­fü­gig abge­senk­ten Prei­sen erfreu­en. Ob es noch nor­ma­le Leu­te (also ohne Par­tei­buch oder Vasal­len­treue) gibt, die die­se Unfä­hig­keit unse­rer Regie­rung nicht am liebs­ten durch Neu­wah­len been­den würden?

Der tem­po­rä­re Steu­er­nach­lass, den die FDP zum Infla­ti­ons-Erleich­te­rungs­pa­ket bei­steu­er­te, wächst sich zum Fias­ko aus. Ich bin sicher, dass uns die­ser Finanz­mi­nis­ter, soll­te er nicht gestoppt wer­den, noch mit so man­cher Dumm­heit über­ra­schen wird. Die Grü­nen haben ihr 9‑Eu­ro-Ticket bei­gesteu­ert. Das gibt unse­ren Medi­en immer­hin das erwar­te­te Ver­gnü­gen, in allen Kanä­len generv­te und unzu­frie­de­ne Kun­den zu zei­gen. Das treibt die Quo­te und die Dumm­beu­tel bei den Öffent­lich-Recht­li­chen haben zur Pene­tra­ti­on der Zuschaue­rin­nen mit nur noch schlech­ten Nach­rich­ten immer was zu mel­den. Mal sehen, was pas­siert, wenn Pfings­ten vor­über ist. Wann wohl die ers­te Torf­na­se vom WDR den Zusam­men­hang zwi­schen 9‑Eu­ro-Ticket und dem Unfall bei Gar­misch zum The­ma macht? Ges­tern war’s schon fast so weit. Man beklag­te die maro­den, weil über­al­ter­ten Glei­se im kom­plet­ten Zustän­dig­keits­be­reich der Bun­des­bahn und das Miss­ma­nage­ment, das u.a. dar­in bestehen soll, dass die Bahn pri­mär im Aus­land inves­tiert habe. Eigent­lich war unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen das Paket, das die SPD bei­steu­er­te, kon­zep­tio­nell noch das Bes­te. Nun, es ist auch von Sebas­ti­an Heil. Aber lei­der kann auch er nicht über­zeu­gend erklä­ren, wes­halb die Rent­ner und ande­re Grup­pen von die­sen Seg­nun­gen nichts haben werden.

Von­o­via – Chef Rolf Buch brach­te mit sei­ner dreis­ten Ankün­di­gung von Miet­preis­er­hö­hun­gen SPD-Gene­ral, Kevin Küh­nert, in Rage. „Der Spie­gel“ zeig­te sich in einer Kolum­ne über­rascht von Küh­nerts media­lem Vor­stoß. Spie­gel-Kolum­nist Ste­fan Kuz­ma­ny merkt an, sei es in letz­ter Zeit still um ihn gewor­den. Die Bos­haf­tig­keit der Sen­tenz „Kevins Come­back“ ist für den „Spie­gel“ im Hin­blick auf SPD-Per­so­nal bedau­er­li­cher­wei­se typisch gewor­den. Mein Abo ist inzwi­schen ausgelaufen.

In der Ber­li­ner Ver­fas­sung heißt es unmissverständlich:

Jeder Mensch hat das Recht auf ange­mes­se­nen Wohn­raum. Das Land för­dert die Schaf­fung und Erhal­tung von ange­mes­se­nem Wohn­raum, ins­be­son­de­re für Men­schen mit gerin­gem Ein­kom­men, sowie die Bil­dung von Wohnungseigentum.“

Arti­kel 28, Ber­li­ner Verfassung

Soweit ich gese­hen habe, gibt es die­ses expli­zi­te Recht auch in ande­ren Bun­des­län­dern. War­um führt die­ses Recht in Ber­lin nicht zu den erfor­der­li­chen Kon­se­quen­zen? Ich ken­ne die Ent­schei­dung des Ver­fas­sungs­ge­rich­tes in Bezug auf den Mie­ten­de­ckel. War­um lie­gen ange­sichts der desas­trö­sen Lage in vie­len Tei­len des Lan­des nicht längst bun­des­weit ent­spre­chen­de poli­ti­sche Initia­ti­ven vor? Na, die FDP wird es zu ver­hin­dern wis­sen, nicht wahr?! 

Dabei müss­te die Poli­tik aus mei­ner Sicht geschlos­sen über die­sen erbar­mungs­lo­sen Kri­sen­pro­fi­teur her­fal­len und ihm mit geeig­ne­ten Mit­teln klar­ma­chen, dass die ange­kün­dig­ten Miet­preis­er­hö­hun­gen inak­zep­ta­bel sind und was den viel zu stark gewach­se­nen Woh­nungs­an­bie­ter mit dem Grund­recht auf Woh­nen umzu­ge­hen haben. Ich habe es in mei­ner Fami­lie erlebt, was es in die­sen erbärm­li­chen Zei­ten psy­chisch und phy­sisch bedeu­ten kann, die Woh­nung gekün­digt zu bekom­men. Ist man alt und Rent­ner und muss dazu auf sei­ne finan­zi­el­le Lage beson­ders ach­ten, kann man schnel­ler obdach­los wer­den, als man sich das in die­sem ach so sozia­len Land je hät­te vor­stel­len können. 

Die­se Regie­rung genießt im In- und Aus­land inzwi­schen ein mise­ra­bles Anse­hen. Ob die Pfif­fe beim Ita­li­en­spiel nicht auch damit zu tun haben, wel­ches Bild Deutsch­land im Zusam­men­hang mit dem Ukrai­ne – Krieg der­zeit abgibt? Dass wir beim ESC wie­der kei­ne Punk­te holen konn­ten, mag am Bei­trag gele­gen haben. Ich den­ke, es ist vor­ran­gig die in Ost-Euro­pa gepfleg­te Aver­si­on gegen unser Land. 

Was wäre, wenn Uni­on und Grü­ne die Regie­rungs­ge­schäf­te über­näh­men? Nach­dem, was die­ser Ver­än­de­rung vor­an­ge­gan­gen wäre, muss wohl fest­ge­hal­ten wer­den, dass die SPD vie­le Jah­re weg vom Regie­rungs­fens­ter wäre, die FDP ver­mut­lich eben­falls. Wer weiß, ob bei­de Par­tei­en es noch ein­mal in den nächs­ten Bun­des­tag schaf­fen könn­ten? Das mache ich nicht ein­mal dar­an fest, wie schlecht die Umfra­ge­er­geb­nis­se für bei­de in die­sen schlim­men Zei­ten sind. Der Zuspruch, den die FDP offen­bar nach wie vor bei jün­ge­ren Leu­ten bekommt, wird ver­puf­fen. Sie ent­wi­ckelt sich zum größ­ten Hemm­schuh für eine neue Poli­tik. Wie war es gleich, Herr Lind­ner: Lie­ber gar nicht als schlecht regie­ren? Wie Recht Sie hatten! 

Es muss eine Poli­tik her, die nicht mehr aus­schließ­lich nach öko­no­mi­schen Prio­ri­tä­ten erfolgt, son­dern die das plant und umsetzt, was lan­ge schon not­tut. Die SPD könn­te das, gemein­sam mit den Grü­nen tra­gen, wird jedoch schei­tern an einer für alle sicht­ba­ren Personalmisere. 

Die rea­lis­tischs­te Opti­on wäre nach Been­di­gung der Ampel­re­gie­rung eine Koali­ti­on von Uni­on und Grü­nen.

Schei­tern könn­te das von vie­len längst her­bei­ge­sehn­te Pro­jekt jedoch an der wach­sen­den Hybris der Grünen. 

Ich wer­de das Gefühl nicht los, dass der nach­voll­zieh­bar gro­ße Zuspruch durch eine kla­re und des­halb nach­voll­zieh­ba­re Hal­tung, ange­trie­ben durch die Grü­ne Basis und ihre Unter­stüt­zer (FFF etc.), zur rück­sichts­lo­sen Über­be­to­nung eige­ner Extrem­po­si­tio­nen füh­ren wird. 

Der gute Ein­druck des Grü­nen Spit­zen­per­so­nals wird bald ver­ges­sen sein, wenn er von der Wir­kung einer (not­wen­di­gen) Poli­tik ersetzt wird, die mas­si­ve gesell­schaft­li­che Ver­än­de­run­gen zuvor­derst von der deut­schen Bevöl­ke­rung erwar­tet. Der Kli­ma­wan­del fin­det welt­weit statt. Man­che Erwar­tung dreht sich aus­schließ­lich um die ein­zu­däm­men­de Kli­ma­ver­än­de­rung. Davon, wie groß die Pro­ble­me für unser Land wer­den, auch ganz ohne Kli­ma­wan­del, ver­lie­ren sie aus dem Blick. 

Zuletzt ging es um Maß­nah­men, die mit den Fol­gen des ver­bre­che­ri­schen Kriegs Putins zu tun hat­ten. Wir wis­sen, wie die Coro­na­maß­nah­men der dama­li­gen Regie­rung zunächst von der Bevöl­ke­rung auf­ge­nom­men wur­den… Die Akzep­tanz ließ rapi­de nach.

Für die erfor­der­li­chen Maß­nah­men fehlt einem beträcht­li­chen Teil der Bevöl­ke­rung die Ein­sicht, die von den Grü­nen selbst oder von den sie unter­stüt­zen­den Medi­en als „Zumu­tung“ zu abs­trakt beschrie­be­nen mas­si­ven Ver­än­de­run­gen unse­rer Gesell­schaft tra­gen würden. 

Mit poli­ti­scher Plat­ti­tü­de, dass die sozia­le und öko­lo­gi­sche Fra­ge zusam­men gedacht wer­den müs­sen, ist gar nichts gewon­nen. Ja, es ist gut, wenn Habeck uns Bür­ge­rin­nen ver­mit­telt, dass auch die Poli­tik nicht über den Stein der Wei­sen ver­fügt oder dass er eige­ne Ent­schei­dun­gen anzwei­felt und dass wir unge­wis­sen Zei­ten ent­ge­gen­se­hen. Man hat so nicht das Gefühl, dass da wie­der ein Poli­ti­ker auf­tritt, der uns Bür­ge­rin­nen nicht ernst nimmt oder für blöd hält. 

Glaub­haf­te Ernst­haf­tig­keit und eine gute Dosis von Intel­li­genz und Reflek­tiert­heit sind Vor­aus­set­zun­gen, die Robert Habeck und Anna­le­na Baer­bock einen Popu­la­ri­täts­boom beschert haben. Ich wün­sche mir mehr davon. Auch beim Per­so­nal ande­rer Par­tei­en. Lei­der, das wis­sen wir aus den öffent­li­chen Debat­ten zur Flücht­lings­kri­se, zur Coro­na­po­li­tik, aber auch zum Krieg in der Ukrai­ne, las­sen sich gro­ße gesell­schaft­li­che Auf­brü­che heut­zu­ta­ge nicht mehr orga­ni­sie­ren. Genau die­sen brau­chen wir jedoch, wenn wir unse­re Erde für zukünf­ti­ge Gene­ra­tio­nen unse­rer Spe­zi­es ret­ten wollen. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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2 Gedanken zu „Geht die Ampelregierung vorzeitig in Rente?“

  1. Hal­lo Horst,

    Uni­on und Grü­ne wür­den schon des­halb pas­sen, weil die Grü­nen poli­tisch nicht mehr all­zu weit poli­tisch ent­fernt sind von der CDU. Ich befürch­te aller­dings, dass wir mit einem Bun­des­kanz­ler Merz alle zukünf­ti­gen Pro­ble­me mit einer frei­en Markt­wirt­schaft zu lösen suchen. Dass Merz sich bei­spiels­wei­se für eine Akti­en­ren­te aus­spricht, zeugt davon, wie weit weg er (und ande­re Poli­ti­ker) von der Basis ent­fernt sind. 

    Da sehe ich das eigent­li­che Pro­blem: Poli­tik ist Teil der Eli­te der Bun­des­re­pu­blik und nicht mehr Teil des Vol­kes. Die meis­ten Poli­ti­ker, die uns im Bun­des­tag ver­tre­ten sol­len sind Juris­ten, gefolgt von Sozi­al – und Poli­tik­wis­sen­schaft­lern. Das sind zwar für die Aus­übung des Amtes nicht die schlech­tes­ten Vor­aus­set­zun­gen, für eine Ver­tre­tung eines Vol­kes, das mehr­heit­lich ihren Lebens­un­ter­halt als im wei­tes­ten Sin­ne Fach­ar­bei­ter bestrei­ten muss, ist das eher kontraproduktiv.

    Ein Gefühl von Unge­rech­tig­keit stellt sich zwangs­läu­fig auch dann ein, wenn Poli­ti­ker von Zumu­tun­gen spre­chen, die sie für sich selbst, zumin­dest in Tei­len, sorg­fäl­tig aus­klam­mern. Wie erklärt sich eine steu­er­freie Pau­scha­le für Poli­ti­ker, die so hoch ist wie zwei Monats­löh­ne eines Fach­ar­bei­ters? Das sind Steu­er­vor­tei­le, die in Zei­ten von extre­men Preis­stei­ge­run­gen von mitt­le­ren Ein­kom­mens­grup­pen die in abso­lu­ten Zah­len den Löwen­an­teil des Steu­er­auf­kom­mens schul­tern müs­sen, sau­er auf­stos­sen und das zu Recht.

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