Corona – Maßnahmen in Deutschland und anderswo

Bli­cken wir (im zwei­ten Teil) von den schwei­ze­ri­schen Alpen mal wie­der hin­un­ter auf die deut­sche Tiefebene.

8 Minute/n


Merken

0

01

Freiheitsdemo in Berlin

Wenn ich gegen die Ber­li­ner „Frei­heits­de­mo“ bin, ist das nicht vor allem des­halb so, weil da alle mög­li­chen Nazis, Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker und Staats­fein­de mit­mar­schie­ren, ich habe eher prak­ti­sche Gründe. 

Ich fin­de es ego­is­tisch, fahr­läs­sig, ja unver­ant­wort­lich von den Covidio­ten, dass sie sich über das hin­weg­set­zen, was eine viel grö­ße­re Anzahl ihrer Mit­bür­ge­rIn­nen für rich­tig und vor allem not­wen­dig hal­ten. Die Coro­na-Leug­ner mögen sich nicht für die Inter­es­sen der ande­ren inter­es­sie­ren, der Staat hat die Pflicht, die­se Leu­te in die Schran­ken zu wei­sen – im Inter­es­se des Ganzen. 

Ich habe kei­ne Sym­pa­thie für die Ent­schei­dun­gen des Ver­wal­tungs­ge­rich­tes oder des Ober­ver­wal­tungs­ge­rich­tes Ber­lin, die auch in die­sem Fall das Demons­tra­ti­ons­recht als so hohes Ver­fas­sungs­gut betrach­ten, dass Demons­tra­ti­on nicht bereits im Vor­feld ver­bo­ten wer­den dürf­ten. Gab es eigent­lich sol­che Ver­bo­te noch nicht? Dabei war doch abseh­bar, dass sich die Teil­neh­mer an die Gebo­te des Staa­tes nicht hal­ten wer­den. Kön­nen die Maß­stä­be unse­rer Gericht mög­li­che Fol­gen (höhe­re Infek­tio­nen, Gewalt­aus­brü­che) verantworten?

Am Mit­tag hat die Ber­li­ner Poli­zei die Demons­tra­ti­on abge­bro­chen. Wie ich lese, wei­gern sich vie­le Teil­neh­mer, den Anwei­sun­gen der Poli­zei zu fol­gen. Sie wol­len wei­ter demons­trie­ren. Und das, obwohl die Teil­neh­mer die Auf­la­gen, die die Ver­an­stal­ter aus­drück­lich zuge­sagt hat­ten, nicht ein­ge­hal­ten haben. Wahr­schein­lich sind sich alle (vor allem die Demo­teil­neh­mer) einig, dass genau dies wirk­lich jeder vor­her wuss­te, denn die­se Leu­te hal­ten sich an nichts, was der Staat ihnen auf­er­legt. Sonst hät­te es die Demo schließ­lich nicht geben müssen. 

Vie­len Teil­neh­mer geht es im übri­gen haupt­säch­lich dar­um, die­sem Staat zu scha­den. Sie fin­den es ver­mut­lich gut, wenn Ran­da­le auf­kommt (Gewalt­an­kün­di­gun­gen in den sozia­len Netz­wer­ken) und der Staat und sei­ne Insti­tu­tio­nen in einem schlech­ten (mög­lichst auch schwa­chen) Licht erscheinen. 

02

NZZ und die Kurzarbeit


Obwohl mei­ne Mei­nung oft mit der der Autoren der NZZ über Kreuz liegt, habe ich eben ein neu­es Abo abge­schlos­sen. Den aso­zia­len Netz­wer­ken, egal wel­cher Art, wei­che ich seit über einem Jahr erfolg­reich aus. Die weni­gen News, die mich auf Umwe­gen über die­se noch errei­chen, hal­ten sich in Gren­zen. Das hat den Vor­teil, dass ich mich weni­ger über die schlim­men Kom­men­ta­re, die dort an der Tages­ord­nung sind, ärgern muss.

Ich kon­su­mie­re aller­dings regel­mä­ßig kon­ser­va­ti­ve, manch­mal rech­te Medi­en. Spaß macht auch das nicht. Aber ich will wis­sen, was die Mei­nungs­ma­cher der ande­ren Fakul­tät über das Land und ihre poli­ti­schen Geg­ner den­ken. Wie soll­te man das sonst erfah­ren? Denn eins ist nun ein­mal wahr: Die Grü­nen und Lin­ken unter­drü­cken die Mei­nungs­viel­falt in unse­rem Land – auch wenn sie genau dies vehe­ment bestrei­ten (Stich­wort: Can­cel Cul­tu­re). Für die­se Ein­sicht habe ich eine Wei­le gebraucht.


In den letz­ten Tagen waren dort ein paar äußerst kri­ti­sche Arti­kel über den Spät­som­mer des Jah­res 2015 zu lesen. Herr Gujer, Chef­re­dak­teur der NZZ, hat sich – wie­der ein­mal – beson­ders kri­tisch die­ser Zeit ange­nom­men und kri­ti­siert, dass Mer­kels Regie­rung nur auf eige­ne mora­li­sche Ansprü­che geach­tet, die Belas­tun­gen für ihr Land und die Bevöl­ke­rung jedoch igno­riert habe. Dass Gujer sein Pam­phlet erneut in der spe­zi­ell für „deut­sche“ Leser gegrün­de­ten Rubrik „Der ande­re Blick“ ein­ge­ord­net hat, spricht für mich Bän­de. Man will zur Auf­la­gen­si­che­rung, ins­be­son­de­re die regie­rungs­kri­ti­sche rech­te Kli­en­tel, mit mög­lichst ein­sei­ti­gen und bei Rech­ten beson­ders belieb­ten Nar­ra­ti­ven bedie­nen. Das Prin­zip ist wohl auch ziem­lich erfolg­reich. Vie­le Kom­men­ta­re han­deln davon, dass es in Deutsch­land eine sol­che Zusam­men­stel­lung kri­ti­scher Aspek­te der Mas­sen­ein­wan­de­rung nicht gäbe. Was für ein Quatsch!

Die Ber­li­ner Redak­ti­on der NZZ hat kürz­lich Zuwachs bekom­men. Einer der Cice­ro-Redak­teu­re, Dr. Alex­an­der Kiss­ler, ist jetzt Mitglied. 

Bis­her wur­de schon oft mit Dreck nach dem ver­meint­lich grün-links gesteu­er­ten Deutsch­land gewor­fen. Das Enga­ge­ment von Kiss­ler dürf­te dies­be­züg­lich neue Impul­se set­zen. Die Schwei­zer neh­men Deutsch­land, nicht nur sein Poli­ti­ke­rIn­nen gern scho­nungs­los in den Blick. Roger Köp­pels „Welt­wo­che“ hats vorgemacht. 

Wenn man sich mit den schwei­ze­ri­schen Nach­rich­ten befasst, merkt man rasch, dass die dor­ti­gen Pro­ble­me sich gar nicht groß­ar­tig von den unse­ren unter­schei­den. Das nimmt sich die Coro­na-Kri­se nicht aus.


Bemer­kens­wert fand ich den heu­ti­gen Kom­men­tar des bri­ti­schen NZZ-Kor­re­spon­den­ten, Ben­ja­min Trie­be. Unter dem Titel: „Kurz­ar­beit darf den Wan­del nicht blo­ckie­ren – auch wenn es Ent­las­sun­gen kos­tet“ zeigt er offe­ne Bewun­de­rung dafür, dass die Bri­ten in der Coro­na-Kri­se zwar etwas ähn­li­ches wie die „deut­sche“ Kurz­ar­beit in Groß­bri­tan­ni­en ein­ge­führt habe, deren Dau­er aller­dings von vorn­her­ein begrenzt hätten. 

Nach Aus­sa­ge von Boris John­son soll die Kurz­ar­beit bereits im Lau­fe die­ses Monats zurück­ge­fah­ren und bis Ende Okto­ber ganz ein­ge­stellt werden.Triebe schlägt den Bogen zu Deutsch­land und lobt die Bri­ten dafür, dass sie im Gegen­satz zur deut­schen Regie­rung aus der Kurz­ar­bei­ter­re­gel kei­ne Dau­er­ein­rich­tung machen wol­len. Und das – so Trie­be -, obwohl in Groß­bri­tan­ni­en noch nicht über­seh­bar ist, wie schlimm die Arbeits­lo­sig­keit durch Coro­na wer­den kön­ne. Vor­bild­lich, die­se Bri­ten. Das Kri­sen­ma­nage­ment von Boris John­son hat ja einen exzel­len­ten Ruf, nicht wahr?

Was für jeden ein­zel­nen Ent­las­se­nen hart ist, kann eine Volks­wirt­schaft ins­ge­samt anpas­sungs­fä­hi­ger, inno­va­ti­ver und damit wider­stands­fä­hi­ger machen. Anhal­ten­de Kurz­ar­beit impli­ziert die Gefahr, Unter­neh­men zu kon­ser­vie­ren, die nicht mehr fit für die Wün­sche ihrer Kun­den sind – und so die letzt­lich unver­meid­li­che Anpas­sung noch schmerz­haf­ter zu machen.

Trie­be und die Schmer­zen der ande­ren /​Gross­bri­tan­ni­en: Kurz­ar­beit darf Ent­las­sun­gen nicht blockieren

Trie­be fin­det, es erschwe­re struk­tu­rel­le Anpas­sun­gen, wenn die Kurz­ar­beit­re­ge­lun­gen zu lan­ge bei­be­hal­ten wür­den. Er beklagt damit im Grun­de genau das, was die deut­sche Regie­rung sich vom Kurz­ar­bei­ter­geld ver­spricht. Anhand der posi­ti­ven Erfah­run­gen mit die­sem Kon­zept wur­den in Deutsch­land wäh­rend der Finanz­kri­se Ende des letz­ten Jahr­zehnts Hun­dert­tau­sen­de von Arbeits­plät­zen geret­tet. Des­halb ist wohl all­zu ver­ständ­lich, dass die deut­sche Regie­rung auch in der Coro­na-Kri­se auf die­ses Instru­ment gesetzt hat. Die posi­ti­ve Grund­ein­stel­lung anhand der Erfah­rung lässt Trie­be völ­lig unerwähnt. 

Anders als Deutsch­land hat Gross­bri­tan­ni­en erkannt: Wird das durch die Kurz­ar­beit blo­ckiert, dro­hen am Ende noch mehr Verlierer.

Trie­be und die blo­ckie­ren­de Kurz­ar­beit, die nur Ver­lie­rer pro­du­ziert /​Gross­bri­tan­ni­en: Kurz­ar­beit darf Ent­las­sun­gen nicht blockieren

In Deutsch­land exis­tiert eine gewis­se Staats­gläu­big­keit, die sich auch in der Akzep­tanz so teu­er staat­li­cher Inter­ven­tio­nen zeigt. Lässt man sol­che Sub­ven­tio­nen über zu lan­ge Zeit wei­ter­lau­fen, kann es auch zu uner­wünsch­ten Effek­ten kom­men. Dazu gehört die Aus­wei­tung des Anspruchs­den­kens in unse­rer Bevöl­ke­rung. Das die Zustim­mung zur den Regie­rungs­maß­nah­men zurück­geht, hat wahr­schein­lich auch damit etwas zu tun. Und das, obwohl die Regie­rung in mei­nen Augen gute und rich­ti­ge Ent­schei­dun­gen getrof­fen hat­te. Längst hat das Meckern Dimen­sio­nen ein­ge­nom­men, die ich schräg, unan­ge­bracht und vor allem destruk­tiv finde. 

Trie­be schreibt rich­tig, dass sol­che sozi­al­staat­li­chen Ein­grif­fe in den angel­säch­si­schen Län­dern nicht denk­bar sei­en. Wir wis­sen, wie es vor allem in den USA im Moment aus­schaut. Dass mit mehr Fle­xi­bi­li­tät, also der Inkauf­nah­me hoher Arbeits­lo­sen­zah­len, vor allem den Rei­chen und den Unter­neh­men gedient ist, arbei­tet er nicht so her­aus. Der Ansatz ist für Ver­tre­ter des Kapi­ta­lis­mus sicher Teu­fels­zeug. Für Trie­be scheint jede Form sozia­ler Absi­che­rung von Arbeit­neh­mern so nah am Sozia­lis­mus, das mich das gleich an Trump und sei­ne Repu­bli­ka­ner erinnert.

Trie­be ist übri­gens Deut­scher. Wie vie­le ande­re Jour­na­lis­ten lässt er hier bei der NZZ, etwas Kri­ti­sches (äh, ich mei­ne: Nicht­main­stream­kon­for­mes) über Deutsch­land vom Sta­pel. Es wirkt so, als wür­den frus­trier­te deut­sche Jour­na­lis­ten in den „schwei­ze­ri­schen Ber­gen“ erst rich­tig zur jour­na­lis­ti­schen Hoch­form auf­lau­fen. Vor allem, wenn es gegen die deut­sche „Ein­heits­pres­se“ geht. Gott, was hat die Flücht­lings­kri­se und der Umgang in der deut­schen Medi­en­land­schaft nur für schick­sal­haf­te Verstrickungen.

Update: 30.8.2020

In Ber­lin trat im Rah­men der Demons­tra­ti­on übri­gens ein Sohn von Robert F. Ken­ne­dy auf. Er trägt den Namen sei­nes Vaters, ist aller­dings in mei­nen Augen geis­tig auf einem ganz ande­ren Niveau. Ich glau­be, der Mann hat gro­ße Pro­ble­me. Er pro­fi­tiert natür­lich von sei­nem gro­ßen Namen und erwähnt natür­lich sei­nen Onkel. Der wird sich im Grab rum­dre­hen ange­sichts des Schwach­sinns, den sein Nef­fe in Ber­lin abge­son­dert hat. Logisch, dass RT Deutsch voll dar­auf ein­ge­gan­gen ist. Alles, was die­sem Land scha­det, bringt die­ser Pro­pa­gan­da-Sen­der im Namen ihres Chefs, Vla­di­mir Putin.

Diesen Beitrag teilen:
0CDD5CFF 182F 485A 82C6 412F91E492D0
Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Arbeitslose Corona Demokratie Deutschland Köppel Kritik Meinungsfreiheit Nzz Pandemie Schweiz Staat Vergleiche

Quelle Featured-Image: Standardbild...
Anzahl Wörter im Beitrag: 1351
Aufgerufen gesamt: 53 mal
Aufgerufen letzte 7 Tage: 9 mal
Aufgerufen heute: 3 mal

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0
Share to...
Your Mastodon Instance