Progressiv oder konservativ?

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Mit wel­cher Inbrunst die Par­tei­en strei­ten. Es geht dabei weni­ger um Inhal­te als um die Fra­ge, ob eine Wech­sel­stim­mung im Land exis­tiert. Spricht es für eine Wech­sel­stim­mung, wenn die Grü­nen bei den Umfra­gen immer wei­ter zurück­fal­len und die Lin­ke mit der 5-%-Hürde kämpft? Die aktu­el­len 25 Pro­zent der SPD erlau­ben eine ande­re Erklärung.

Viel­leicht hat die­ses Zwi­schen­er­geb­nis mit dem zu tun, was Hele­ne Bubrow­ski von der FAZ ges­tern Abend bei „Anne Will“ beschrie­ben hat. Auch, wenn sie dafür von den übli­chen Ver­däch­ti­gen heu­te hef­tigst kri­ti­siert wird. Einer­seits wird im Land dar­über geschimpft, dass zu viel für „die Alten“ und zu wenig für „die Jun­gen“ getan werde. 

Dass die Par­tei­en auf Wäh­ler­stim­men ach­ten (müs­sen) und die Demo­gra­fie sich im Wahl­kampf nie­der­schlägt, ist schwer zu wider­le­gen. Ande­rer­seits scheint es mir sehr ober­fläch­lich zu sein, wenn jun­ge Men­schen den alten vor­wer­fen, sie wür­den ihre Zukunft ver­spie­len und von purem Ego­is­mus getra­gen sein. Offen­bar glau­ben die, die das sagen, dass es ihren Groß­el­tern und Eltern, Onkeln und Tan­ten egal wäre, wie ihre Zukunft aussieht?

Die Men­schen im Land mögen es viel­leicht nicht, wie die Medi­en Poli­ti­ker und Insti­tu­tio­nen, im Grun­de aber ganz Deutsch­land mei­nen, in die­sen Zei­ten stär­ker als je zuvor, bezich­ti­gen und schlecht­re­den. Bestimmt gibt es vie­le Bürger*innen, die sich über das ärgern, was die Poli­tik und unse­re Behör­den uns zumu­ten und ihn (den Ärger) gern auch ein­mal her­aus­las­sen. Mir kommt es so vor, dass wir mit unse­rer Kri­tik in hohem Maße über­trie­ben haben. Lang­sam aber sicher keimt eine natür­li­che Gegen­be­we­gung auf. Hof­fent­lich bekom­men wir unse­re Füße wie­der auf die Erde und hören mit den gegen­sei­ti­gen Vor­wür­fen auf, die meis­tens lei­der so wenig kon­struk­tiv sind.

Kei­ne APO, nichts Spek­ta­ku­lä­res. Es wächst der Über­druss. Lösungs­vor­schlä­ge sind sel­ten. Lie­ber kri­ti­sie­ren und drauf­hau­en. Kla­gen und Beschwer­den, dar­in sind wir unschlag­bar. Jeder hat sein Päck­chen zu tra­gen und jedem Weh­weh­chen soll irgend­wie auch Rech­nung getra­gen werden. 

Wir Bürger*Innen, die all dies ungläu­big und eini­ger­ma­ßen fas­sungs­los ver­fol­gen, ver­mis­sen über die gan­zen Vor­wür­fe und Skan­da­le hin­aus, vor allem eins: kon­struk­ti­ve Lösungs­vor­schlä­ge. Man könn­te auch fra­gen, war­um schaust du nicht in die Par­tei­pro­gram­me, die allen zugäng­lich sind. 

Wie­so den­ken die Medi­en­ma­cher, dass ihre Kund­schaft weni­ger an Sach­the­men als an Per­so­nal- oder Koali­ti­ons­fra­gen inter­es­siert wären? Scholz soll abge­nom­men haben und seit­dem Maß­an­zü­ge tra­gen, habe ich gelesen. 

Auf den Wahl­kampf­pla­ka­ten taucht ein neu­er Scholz auf. Son­nen­ge­bräunt, schlank, in teu­rem Zwirn gehüllt. Die feh­len­de Dyna­mik sei­ner Phy­sis gleich man mit der HDR – Tech­nik aus. Wenigs­tens optisch wird ein hoher Dyna­mik­um­fang sichtbar. 

Ich bin froh, dass die SPD ein Hoch hat. Es war wirk­lich mal Zeit. Bei mir schwingt die Sor­ge nach, dass es kommt wie vor vier Jah­ren, als das Schulz-Hoch aller­dings längst schon wie­der ver­raucht war. 

Was mag die Men­schen dazu brin­gen, die SPD zu wäh­len? Das Par­tei­pro­gramm, so ler­nen wir in TV-Talk­shows, wird es nicht sein. Wie oft wer­den die ein­schlä­gi­gen PDFs wohl alles in allem je Par­tei her­un­ter­ge­la­den. Gibts da Coun­ter? Das wür­de mich mal wirk­lich interessieren!

Bos­haf­te Jour­na­lis­ten sagen, es ste­he der Poli­ti­ker in den Umfra­ge­er­geb­nis­sen vorn, der die wenigs­ten Feh­ler macht. Mag sein. Ande­rer­seits ist Scholz’ Wes­te auch nicht gera­de blü­ten­weiß. Und das wis­sen auch alle. Die Uni­on und ande­re Geg­ner der SPD in die­sem Wahl­kampf ver­zwei­feln fast dar­an, dass sie die Intel­li­genz ihrer Wäh­ler­schaft so falsch ein­ge­schätzt hat­ten. Wire­card und Cum-Ex waren doch so hoch­po­li­ti­sche Fall­stri­cke. Wie­so stol­pert die­ser Scholz nicht dar­über? Inzwi­schen hat man die Erklä­rung gefun­den: Wir Wäh­ler sind zu dumm, um das gan­ze Aus­maß die­ser bei­den Skan­da­le zu ver­ste­hen. Sie haben das etwas geschmei­di­ger for­mu­liert, ver­stan­den haben wir es trotz­dem so, wie es gemeint war. 

Die Medi­en haben es Baer­bock und Laschet besorgt. Scholz könn­te es auch noch tref­fen. Mög­li­cher­wei­se reicht die Zeit dafür ja immer noch. Ihr bekommt das hin. Am Ende könn­te es dann doch noch für Laschet als Kanz­ler rei­chen. An Baer­bock mag ich (lei­der) nicht mehr so rich­tig glauben. 

Die Ver­un­si­che­rung, die die „Zer­stö­rung“ und der fol­gen­de Ver­trau­ens­ver­lust der bei­den Kan­di­da­ten bei den Wähler*innen ange­rich­tet hat, läuft jeden­falls im Moment zuguns­ten von Olaf Scholz und der SPD. Ich wüss­te nicht, dass auch nur ein Medi­en­ver­tre­ter je die­se Tat­sa­che selbst­kri­tisch ange­merkt hät­te. Auch das ist typisch. 

Die Schluss­fol­ge­rung, dass wir in Deutsch­land inzwi­schen eine Wech­sel­stim­mung sähen, tei­le ich nicht. Dazu sind Grü­ne und Lin­ke (übri­gens auch die AfD) viel zu schwach. Gäbe es die­se Wech­sel­stim­mung, müss­te sich das vor allem auch in den Umfra­ge­wer­ten bei Grü­nen und Lin­ken able­sen lassen. 

Die Leu­te wol­len unbe­dingt ein WEITER SO. Genau dafür steht Olaf Scholz. Selbst wenn jetzt man­che Medi­en­ver­tre­ter sug­ge­rie­ren, dass Scholz von Küh­nert, Esken und Wal­ter-Bor­jans sozu­sa­gen auf Linie gebracht wür­den, wird es nicht zu der von Kon­ser­va­ti­ven so gefürch­te­ten Koali­ti­on (RGR) kommen. 

Mir als Nicht­wäh­ler wäre jede Koali­ti­on recht, die eine zukunfts­ori­en­tier­te Poli­tik machen würde. 

Gott möge uns vor einer Deutsch­land-Koali­ti­on bewah­ren. Dann wäre unser Schick­sal besie­gelt. Und auch Rezos Bemü­hun­gen wären für die Katz gewesen. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Baerbock Demokratie Deutschland Generationen Laschet Scholz Umfragen Wahlen Wahlkampf Zukunft

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5 Gedanken zu „Progressiv oder konservativ?“

  1. Mir als Nicht­wäh­ler wäre (auch) jede Koali­ti­on recht, die eine zukunfts­ori­en­tier­te Poli­tik machen würde.

    Hmm… dazu müss­te man ledig­lich schnell noch ein paar Par­tei­en impor­tie­ren. Aber woher nur? Mir fällt kein Land ein.

    Aber die „Deutsch­land-Koali­ti­on“ wäre doch die idea­le „Koali­ti­on der Mit­te™“. Ruhi­ges, aus­ge­gli­che­nes Wei­ter­füh­ren des Aus­sit­zens des Kli­ma­wan­dels. Bedäch­ti­ges Gewäh­ren­las­sen der wei­te­ren Maro­di­sie­rung des Bil­dungs­we­sens durch die Bun­des­län­der. Wei­te­res kom­pe­tenz­ar­mes Her­um­la­vie­ren in der Coro­na-Pan­de­mie, wo jedes Bun­des­land glei­cher­ma­ßen wei­ter machen kann, was es will.

    Jeder Abweich­ver­such der SPD wür­de von der FDP in Grund und Boden blo­ckiert, es gäbe ein­fach kein beun­ru­hi­gen­des Rüt­teln am Sta­tus Quo, was ja sowie­so nur Unsi­cher­heit unter’s Volk bringt (und dem Wirt­schafts-Mit­tel­stand schadet)

    Ich glau­be aller­dings, dass dies genau das ist, was die meis­ten Wahl­bür­ger wollen.

  2. Gerhard 246 7. September 2021 um 22:10

    Ein WEITER SO, ohne Anstri­che für die 1001 „Frak­tio­nen“ unse­rer Gesell­schaft. Oder sind es eher 10011001?
    Ein Umbau der Gesell­schaft braucht (bräuch­te) Mut und dazu hat kei­ner Mumm und auch Möglichkeiten.

  3. Gerhard 246 8. September 2021 um 10:20

    Abstri­che statt Anstriche…

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