Nicht, dass Christian Lindner bald als Held gefeiert wird, weil er unter die Ampel-Koalition einen Schlussstrich gezogen hat. Gegenwärtig zögert er vielleicht, weil ihm das Risiko, die derzeitige 4- bis 5-Prozent-Partei ins endgültige parlamentarische Aus zu befördern, zu hoch ist.
Der Autor eines Spiegel-Leitartikels vom 14.12. ($) (Martin Knobbe) war heute beim »Presseclub« zu Gast. Ganz so jovial wie in seinem Artikel klangen seine Einlassungen zur Koalition nur 3 Tage später nicht mehr. Im Artikel nahm er Bezug auf eine Aussage des Soziologen Andreas Reckwitz.
Trotz der einen oder anderen Ungerechtigkeit in dem Beschluss, ist die Ampel wieder dort, wo sie der Soziologe Andreas Reckwitz einmal verortet hat: In einem Denkraum, in dem Interessen ganz unterschiedlicher Wählermilieus aufeinandertreffen, in dem immer wieder um neuartige, oft tiefgehende Kompromisse gerungen wird, mit viel Streit, der quälend lange dauern kann. Eine »Anti-Polarisierungskoalition« hat Reckwitz die Ampel einmal genannt, weil sie die gesellschaftliche Polarisierung bereits in sich trägt und im besten Falle in eine konstruktive Politik des Kompromisses verwandelt – was ihr nun weitgehend geräuschlos gelungen ist.
Haushalt: Die Ampel macht ein bisschen Hoffnung – DER SPIEGEL
So können das nur Soziologen und Intellektuelle verniedlichen, finde ich. Geräuschlos würde ich das Gezeter nach der Haushaltseinigung nicht nennen.
Dass Knobbe sich diese positivistische Sicht zu eigen macht, kann nur der eigenen politischen Orientierung geschuldet sein, würde ich meinen. Mir tut es auch weh, das linke Lager in so furchtbarer Bedrängnis (gewissermaßen in Auflösung) zu sehen.
Dass ausgerechnet die FDP, die für ihre Koalitionsbrüchigkeit legendär ist, wieder alle Stellschrauben in der Hand hält, macht mich eher wütend. Aber ich sehe nichtsdestoweniger, wie desolat die Ergebnisse sind, die diese Koalition nach dem Urteil des vermaledeiten Verfassungsgerichtsurteils, deklariert als Einigung, vorgelegt hat. Wie wohl die Union später einmal damit klarkommen wird? Auch denen fehlt das Geld nämlich. Nur aus den Bedürftigen und Geflüchteten werden sie die nötigen Mittel nicht herausgepresst bekommen.
So kann das nichts mehr werden. Der Ärger innerhalb unserer Bevölkerung wird, finde ich, immer heftiger. Man mag das auch den Anrufen von Zuschauern entnehmen, die nach dem »Presseclub« telefonisch zu Wort kamen. Ja, den Kommentaren in den asozialen Medien ohnehin.
Die parlamentarische Weihnachtspause wird diese Koalition nicht retten. Ich gehe nämlich davon aus, dass das neue Jahr genauso weitergeht, wie das alte geendet hat. Bis dahin werden all die klugen Menschen, jedes Wort der angeschlagenen Regierungsmitglieder und die Details des Haushaltskompromisses so weit seziert haben, dass deren Substanz komplett zergangen sein dürfte. Jeder weiß alles besser. Wir sind eben in Deutschland!
Jeder einzelne Punkt erhält nach der Einigung der Koalition eine ins Negative verkehrte Bewertung.
Das ist unabhängig davon, ob zu einem früheren Zeitpunkt von vielen geforderte Änderungen (Abbau klimaschädlicher Subventionen) darin endlich umgesetzt wurde. Andere Punkte werden von einer Union, die die Chance zur Regierungsübernahme sieht, ohne Unterlass als ideologisch motivierte Ziele kritisiert. Als ob Klimaschutz tatsächlich etwas mit Ideologie zu tun hätte. Dass solche „Argumente“ in der Bevölkerung verfangen, hat sich die Koalition zum Teil mit schlechter Politik selbst zuzuschreiben. Eine bessere Kommunikation, wie gern gesagt wird, kann in dieser heiklen Lage auch nichts mehr retten. Sie konnte es in meinen Augen von Beginn an nicht. Und zwar deshalb, weil die Stimmung im Land durch zu viele, gleichzeitig wirkende Faktoren, negativ beeinflusst worden ist. Den Medien sollen sagen, was ist. Das tun sie auch – manchmal. Meistens verkaufen sie aber Haltung und Meinung. Wie gefährlich das für eine Demokratie ist, werden wir zu spüren bekommen. Es geht nicht ohne Kontext. Was aber, wenn dieser so komplex ist, dass die meisten von uns nicht mehr »durchsteigen«?
Ich halte es mit diesem Sinnspruch: »Was sollen andere von dir halten, wenn du selbst nichts von dir hältst?« Deutsche haben, glaube ich, die besondere Neigung, das eigene Land schlechtzureden und andererseits besonders empfindlich darauf zu reagieren, was „das Ausland“ über uns denkt. Das mag unserer Nazi-Vergangenheit zuzuschreiben sein. Jedenfalls ist es aus meiner Sicht ein Problem, dass viele Deutsche nicht wirklich von ihrem Land überzeugt sind. Mehr Selbstbewusstsein (auch nationales) ist in objektiv schwierigen Zeiten dringend nötig. Stattdessen quatschen viele lieber von Resilienz, die wir erwerben sollten.
Wer sollte die notwendigen Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigungsfähigkeit sonst bezahlen als wir Deutsche? Die Politik hat uns in Jahrzehnten an einen Sozialstaat gewöhnt, der inzwischen als gigantische Umverteilungsmaschinerie wirkt. Es wurde nicht auf den effektiven Einsatz der Mittel geachtet, sondern vor allem darauf, der eigenen Klientel ja nichts zuzumuten. Diese Zeiten sind vorbei. Oder was dachten wir, wenn es zuletzt immer hieß: »Deutschland wird ärmer«?
Dann gebe ich mal wieder den deutschen Besserwessi.
Natürlich wird die Koalition halten. Es sind eh bald wieder Wahlen und da es genug Problemfelder zu beackern gibt, muss man nur selten noch welche initiieren, was bislang die Quintessenz deutscher Politik war: Krisen selbst initiieren und daraus ein Geschäft mit Insiderhandel für sich und die Kumpel machen.
Die Pfründe werden die sich nicht so schnell nehmen lassen. Auch wenn sie ein heillos zerstrittenen Haufen darstellen mögen.
Da muss dann doch noch was passieren. Gut, falls der Iwan die Ukraine einnimmt, vielleicht.
Allerdings wären dann auch die Kosten vom Tisch, es sei denn, der Iwan überlässt die Ruine dann Europa freiwillig.
Infrastruktur wird im Übrigen nicht nur national behandelt. Ich empfehle dazu, mal Öffis zu fahren. In jedem Bus prangt vorne ein Schild: Dieses Fahrzeug wird gefördert vom Land, vom Bund und vom europäischen Dingsbumsfonds und von folgenden Firmen: (…).
Das betrifft natürlich auch die restliche Infrastruktur. Ähnlich, wie die Bahn auf das Geld aus dem Steuersäckel wartet, damit irgendwann das verbliebene Schienennetz zumindest teilsaniert werden kann, warten die eben, bis die Gelder aus Brüssel dazu zur Verfügung stehen und dann kommt vor dem Auftrag erstmal der Selbstbedienungsladen, denn man will ja auch nicht Leben, wie ein Hund.
Dass die Koalition halten wird, sagen ja die meisten voraus. Die Gründe liegen natürlich auf der Hand. Es würde in gewisser Weise das Weltbild vieler zerstören, wenn Lindner tatsächlich die Koalition platzen ließe und damit ein so hohes Risiko eingehen würde. Richtig ist auch, dass die beiden anderen Ampel-Parteien bei Neuwahlen echt mies herauskommen würden. Jedenfalls zeigen das alle Umfragen.
Trotzdem: Wenn noch ein Rest Verantwortungsgefühl bei den verantwortlichen Politikern vorhanden sein sollte, müssen sie einsehen, dass eine Weiterführung dieser Regierung zum großen Nachteil des Landes würde. Ich habe den Eindruck, dass die allermeisten in Deutschland Neuwahlen vorziehen und diese grottenschlechte Regierung in die Wüste schicken wollen.
Das mit den Pfründen, die Politiker nie freiwillig aufgeben, ist eine von Demokratieverächtern aller Lager gepflegte Schimäre. Denken wir mal positiv. Ich glaube, über Weihnachten entwickelt sich ein Einsehen, dass diesem schrecklichen Gebräu ein Ende bereiten wird. Die AfD wird unabhängig davon die politische Kraft der Zukunft. Vielleicht erlaubt sie der Union ihr Juniorpartner zu werden. Vielleicht sollten wir unsere Teneriffa-Pläne konkretisieren?
Gegen Teneriffa hab ich nix. Das wird jetzt nicht einfach….
Nun, dann wage ich auch mal eine Prognose: Die Koalition hat gezeigt, dass sie sich unter äußerst schwierigen Bedingungen zusammenraufen können und in der Lage sind Kompromisse einzugehen, trotz teilweiser unterschiedlicher politischer Ausrichtung.
Der Kanzlerstuhlsäger Merz diskreditiert sich zunehmend selbst; vor allem hat er sich nicht im Griff und neigt zu leichter Psychopathie. Was soll da erst passieren, wenn Fritze Merz in Regierungsverantwortung wäre?
Wenn der Bundesbürger vor der Wahl stünde, eine Koalition AFD-CDU (das vermute ich) mit Merz als Kanzler oder weiter eine Ampelkoalition rechne ich mit einer Weiterführung der Ampel, auch über das jahr 2025 hinaus. Voraussetzung ist meiner Meinug nach aber, dass die Bundesregierung sich nicht wieder Riesenschnitzer erlaubt und unsere Außenmisterin sich nicht weiter verplappert.
BTW: Wo hast Du eigentlich die Bilder her, Horst? Die sind total klasse.
Die Wähler scheinen Merz Ausfälle nicht zu kümmern. Und der wird, da bin ich mir sicher, bald Kanzler sein. Wer weiß, wie lange es dann noch dauert, bis die AfD übernimmt?
Die Koalition scheint weiter zu streiten. Schließlich ist das Echo auf die Sparbeschlüsse heftig. Das halten die nicht durch. Warten wir es also ab. Erst einmal ist jetzt Weihnachtspause.
Ich fürchte, die Ampel bekommt es nicht hin. Vor allem Lindner hat ein gewaltiges Störpotenzial.
Die Bilder mache ich (sic?) mit Firefly. Habe ein Adobe-Abo.