Der Waldzustandsbericht und der Individualismus

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Es ist so ver­dammt trau­rig, wenn selbst inner­halb der Grup­pe von Men­schen kei­ne Einig­keit her­zu­stel­len ist, die sich aus­drück­lich dem Wohl der Natur (dem Arten- und Kli­ma­schutz) ver­schrie­ben haben. Aber war­um soll­te es inner­halb die­ser Grup­pe auch anders sein als im Rest unse­rer Gesellschaft?

Das ist ver­mut­lich ein Preis für den Indi­vi­dua­lis­mus, unter dem unse­re Gesell­schaf­ten äch­zen. Jeder glaubt im Recht zu sein und ten­diert kaum mehr zu dem, was wir als Lösung für unter­schied­li­che oder auch kon­tro­ver­se Sicht­wei­sen alle ein­mal gelernt haben dürf­ten: dem Kom­pro­miss. Die­ser Begriff scheint eben­so ent­wer­tet wie Tole­ranz. Auch sie zäh­le ich nicht mehr zu den Wer­ten, die hoch im Kurs stehen.

Firefly Strichzeichnung.. Zwei alte, weißhaarige Männer sitzen sich an einem Tisch gegenüber diskuti(5)
Fire­fly Strich­zeich­nung.. Zwei alte, weiß­haa­ri­ge Männer sit­zen sich an einem Tisch gegenüber

Dabei ist Einig­keit über­fäl­lig. Der deut­sche Wald (sicher, es ist kein neu­es The­ma, denn wir hat­ten doch sogar Lösun­gen für die Aus­wir­kun­gen des sau­ren Regens gefun­den) aber heu­te sind die Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels und Arten­ster­bens so sicht­bar, dass ich kaum begrei­fen kann, wie hilf­los die­se tech­no­lo­gisch doch so ver­sier­te Mensch­heit vor die­ser Auf­ga­be steht.

Die 1980-er Jah­re waren bis dahin noch nicht gekenn­zeich­net von gesell­schaft­li­cher Pola­ri­sie­rung. Die Poli­tik war noch in der Lage, trag­fä­hi­ge Kom­pro­mis­se zu fin­den, die auch von denen mit­ge­tra­gen wur­den, die nicht unbe­dingt die glei­chen Inter­es­sen hat­ten. Aber die Wirt­schaft hielt sich an Vor­ga­ben der Poli­tik. Die Maß­nah­men – behaup­te ich heu­te – haben etwas Posi­ti­ves bewirkt.

Liest man den oben ver­link­ten taz-Arti­kel, so — fin­de ich — sind die Aus­ein­an­der­set­zun­gen auf regio­nal begrenz­tem Ter­rain nichts weni­ger als ein Spie­gel­bild für die Lage auf dem gan­zen Planeten. 

Viel­leicht wur­de das The­ma Kli­ma­wan­del zu apo­dik­tisch behan­delt. Mir kommt es oft so vor, als hät­te genau dies dazu geführt, dass so vie­le Leu­te das The­ma am liebs­ten gar nicht mehr debat­tie­ren wür­den. Die­ser Teil der Bevöl­ke­rung stellt, wor­über sich ande­re erwar­tungs­ge­mäß sehr empö­ren, das The­ma Migra­ti­on in den Vor­der­grund. Dazu ist schon vie­les vor­ge­tra­gen wor­den. Man­ches ist — auch aus mei­ner Sicht — abso­lut berech­tigt, man­ches ent­springt, wie das bei sol­chen The­men wohl unver­meid­lich ist, ideo­lo­gi­schen Aspekten. 

Ich glau­be nicht, dass, wie Tho­mas Gigold es in einem sei­ner letz­ten Blog­bei­trä­ge sicher berech­tig­ter­wei­se beklagt hat, die Deut­schen in Mehr­heit das Haupt­pro­blem in »Aus­län­dern« sehen. Sol­chen Erhe­bun­gen möch­te ich nicht die­se Bedeu­tung bei­mes­sen. Übri­gens, genau­so wenig wie der Aus­sa­ge, dass 22 % unse­rer jun­gen Leu­te Rechts­extre­me wäh­len wür­den. An einem ande­ren Ort habe ich eine Rela­ti­vie­rung die­ser Zahl gele­sen. Dort wur­de von „nur“ 14 % gespro­chen, die der AfD zunei­gen wür­den. In mei­nen Augen wäre das immer noch schlimm genug. Aber ich wür­de lie­ber auf die Ver­nunft set­zen und dar­auf, dass die Medi­en mit solch geplan­ten Irri­ta­tio­nen gefüt­tert wer­den, damit uns Bür­gern wie­der­um ja nicht der Stoff zur Empö­rung aus­geht. Schließ­lich bleibt sie doch offen­sicht­lich ein Garant für Klicks und Auflage. 

Ich mag mir nicht aus­ma­len, wel­che Zukunft die Welt hat. Dass bei uns nur noch jeder 5. Baum gesund ist, ergibt für eine Nati­on, der his­to­risch eine gera­de­zu meta­phy­si­sche Ver­bin­dung zuge­spro­chen wird, ein fürch­ter­li­ches Bild. Dass ein bekann­ter Minis­ter­prä­si­dent Bäu­me umarmt und damit über die Medi­en eine beacht­li­che Reak­ti­on aus­lös­te, fin­de ich inter­es­sant. Aber ich mei­ne das ein­mal gar nicht nega­tiv, son­dern neh­me die Reak­ti­on auf die­sen eigent­lich bana­len Tat­be­stand als Indiz dafür, wel­chen Stel­len­wert der Wald für die meis­ten von uns hat. 

Wie kom­men wir bloß an den Punkt, an dem Kli­ma- und Arten­schutz nicht mehr dem all­täg­li­chen par­tei­po­li­ti­schen Schar­müt­zeln zum Opfer fällt? Dass Özd­emir oder ande­re auf den bekla­gens­wer­ten Zustand unse­rer natür­li­chen Umge­bung ver­wei­sen, reicht schon des­halb nicht aus, weil unser Regie­rungs­chef auf der ande­ren Sei­te nicht zu einer kor­rek­ten Ana­ly­se der Lage bereit ist. Ich tra­ge sein Bild im Kopf und wie sehr er dar­auf besteht, dass die Lage bes­ser sei als ihr öffent­lich gezeich­ne­tes Bild. Ich glau­be, die Lage ist viel erns­ter, als die meis­ten es wahr­ha­ben wol­len. Miss­mut und Ver­un­si­che­rung neh­men zu. Das ent­spricht dem Bild der Regie­rung in der Öffent­lich­keit. Ver­ant­wort­li­che Poli­tik soll­te einer ver­un­si­cher­ten Bevöl­ke­rung das erklä­ren und auf Wohl­stands­ver­lus­te (wie nied­lich die­ses Wort klingt!) vor­be­rei­ten. Poli­ti­ker müs­sen bereit sein, für ihre Posi­tio­nen zu kämp­fen. Mit Mer­kel, so scheint es mir, hat das auf­ge­hört. Mer­kel mode­rier­te, Scholz mode­riert und Fried­rich Merz will wei­ter mode­rie­ren. So wird das nichts.

Was, wenn Lind­ner, der Buh-Mann der Regie­rung, mit sei­ner nebu­lös wir­ken­den Poli­tik das ver­sucht, was die Regie­rung in ihrer Gesamt­heit nicht wagt? Wenn er pro­biert, uns dar­auf vor­zu­be­rei­ten, dass die­ser Sozi­al­staat nicht län­ger in die­ser Grö­ßen­ord­nung finan­zier­bar sein wird? Ich habe kei­ne Sym­pa­thie für Lind­ner.

Sei­ne Par­tei befin­det sich poli­tisch gese­hen in der Todes­zo­ne (5% Hür­de). Er und die FDP wer­den als Stö­ren­frie­de wahr­ge­nom­men, die die Krei­se der bei­den ande­ren Regie­rungs­par­tei­en aus par­tei­e­go­is­ti­schen Grün­den mas­siv stört. Wir kön­nen uns offen­bar nicht ein­mal mehr vor­stel­len, dass Poli­ti­ker aus Über­zeu­gung und Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl han­deln könnten.

Wir müs­sen uns dar­über im Kla­ren sein, dass har­te Zei­ten vor uns lie­gen könn­ten. Viel­leicht kommt es auch anders und wir schaf­fen das, obwohl es gera­de über­haupt nicht danach aussieht. 

Was war gleich die Inten­ti­on für mei­nen Bei­trag? Ver­än­de­run­gen sind nicht not­wen­dig, sie sind zwin­gend. Ich sage das, obwohl ich fürch­te, dass in die­sem zer­klüf­te­ten, ego­is­tisch gepräg­ten Mei­nungs­kli­ma nicht mehr viel an Gemein­schaft gedei­hen kann.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Deutschland Klima Wald Zukunft

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