Diskurs wird mit allen Mitteln geführt

Dis­kurs: „Der Klü­ge­re gibt nach“ ist sowas von überholt.

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Ist es sinn­voll, Blog­ar­ti­kel zu lesen oder Pod­casts und Vide­os zu kon­su­mie­ren, deren Inhal­te nicht kom­pa­ti­bel sind mit der eige­nen Mei­nung? Was sonst hält den gesell­schaft­li­chen Dis­kurs am Lau­fen? Ja, ich hät­te das Wort „poli­tisch“ nicht ein­fach weg­las­sen dür­fen. Denn ein biss­chen Streit ist oft inspi­rie­rend und bele­bend. Wenn es nicht gera­de um Poli­tik geht. So denkt jeder gleich, was will der von mir? Es geht zunächst mal nur um unter­schied­li­che poli­ti­sche Ansich­ten. Nur – wie weit ist es dann noch bis zum Grund­sätz­li­chen? Haben nicht alle The­men irgend­wie auch eine poli­ti­sche Komponente?

Viel­leicht war es klug, wenn die Alten sag­ten, dass man in einer Gesell­schaft nicht über Poli­tik reden sol­le. Wir wis­sen, dass die Brexit-Fra­ge in Groß­bri­tan­ni­en Fami­li­en gespal­ten hat. Bei uns gibt das in Ansät­zen auch. Die Flücht­lings­kri­se hat sicht­ba­re Grä­ben zwi­schen Freun­den und Kol­le­gen auf­ge­ris­sen. Sowas hät­te ich vor 20 Jah­ren nicht für mög­lich gehalten. 

Freude am Diskurs sieht anders aus

Ich mache das. Ich lese viel in ande­ren Blogs und schau mir Vide­os an, von denen ich weiß, dass ihr Inhalt mit mei­nem Den­ken oft ziem­lich inkom­pa­ti­bel ist und obwohl mir dabei mit­un­ter schon mal die Gal­le über­geht. Es wird wohl dar­an lie­gen, dass ich viel Zeit habe. Ich mache aber auch ungern den Feh­ler, mich dem Mei­nungs­dik­tat ande­rer zu unter­wer­fen. Das klingt jetzt stark nach rech­ten Nar­ra­ti­ven, oder? Ich ver­lin­ke kri­ti­sche Bei­trä­ge in rech­ten Blogs nicht. Sogar dann nicht, wenn ich mich mit die­sen im Text kri­tisch aus­ein­an­der­set­ze. Ich nut­ze, wie ande­re, Umschrei­bun­gen oder fische Links via Way­back­Ma­chi­ne auf und ver­lin­ke die­se URL. Das habe ich von ande­ren gelernt, die sich mit ähn­li­chen Prin­zi­pi­en her­um­quä­len. Albern und blöd. Ich ände­re das ab sofort! Dabei weiß ich inzwi­schen, wie ein paar Likes dein Leben auf den Kopf stel­len kön­nen. Als Rent­ner bin ich unab­hän­gig. Ich kann und mach das jetzt so.

Debattenkultur im Arsch

Wie ich erfah­ren muss­te, gibt es auch rech­te Come­di­ans in Deutsch­land. Ich hat­te immer behaup­tet, das sei gar nicht mög­lich, Sati­re sei grund­sätz­lich links. Aber die­je­ni­gen, die die Mei­nungs­ho­heit in die­sem Land besit­zen, haben mich inzwi­schen eines Schlech­te­ren belehrt. Die­ter Nuhr wird von lin­ken und rech­ten ange­macht. Ich wür­de als Come­di­an dar­aus die Leh­re zie­hen, alles rich­tig gemacht zu haben. 

Ein oder meh­re­re böse Wor­te über „die Wis­sen­schaft“ oder „Gre­ta“ und du bist raus aus dem demo­kra­ti­schen Dis­kurs. Danach nimmt nicht mal einer ’nen Witz von dir. Die­ter Nuhr ist wohl auf eine die­ser ima­gi­nä­ren roten Lis­ten gerutscht. Ob er noch lan­ge sei­nen Sen­de­platz bei der ARD behält? Das Eti­kett „Per­so­na non gra­ta“ kriegst du heu­te ganz flott auf die Stirn geta­ckert und die Medi­en reagie­ren mit­un­ter recht schnell auf die­se Art von Mei­nungs­schwan­kun­gen. Der Grad an Ableh­nung, den der arme Kerl in den letz­ten Mona­ten zu spü­ren bekommt, wird mir jeden­falls lang­sam unheimlich. 

Cancel Culture

Wenn es nach den Lin­ken geht, ist jeder Rech­te – das sind vie­le – mit gesell­schaft­li­cher Äch­tung abzu­stra­fen. Am liebs­ten möch­te man alle, die nicht der eige­nen Mei­nung ent­spre­chen, aus dem Dis­kurs her­aus­ka­ta­pul­tie­ren. Can­cel Cul­tu­re ist ein Begriff, der die Run­de macht, denn es geht längst nicht nur um poli­ti­sche Per­so­nen, Jour­na­lis­ten, Blog­ger, son­dern auch um Publi­ka­tio­nen oder Kul­tur im wei­te­ren Sinn. Die Art und Wei­se, wie man dem Bio-Deut­schen sei­nen ekel­haf­ten Ras­sis­mus aus­trei­ben will, ist auch ein Bei­spiel für einen Eifer, der mir Angst macht. Für man­che Leu­te scheint es einem gesteck­ten Ziel zu ent­spre­chen, ande­re (ver­meint­lich rech­te) Mei­nun­gen aus dem öffent­li­chen Raum zu ver­ban­nen. Vor allem kommt das von denen, die längst schon Twit­ter-Dis­kurs prä­gen. Ihr Bann­strahl trifft aber nicht nur sol­che wie den vega­nen Göb­bels-Ver­schnitt, der stän­dig in den Trends zu fin­den ist. Es ist put­zig, wie sol­che Leu­te immer noch behaup­ten, dass „man“ in einer Debat­te halt auch die Gegen­re­de aus­hal­ten müs­se. Dabei arbei­ten sie mit Voll­kampf dar­an, jede unlieb­sa­me Debat­te im Keim zu ersti­cken und dafür die beklopp­tes­ten Neben­the­men auf die Agen­da zu heben. Bücher­ver­bren­nung ist nicht weit. Im Grund gibt es sowas schon. Wenn man ernst­haft ver­langt, dass Ver­la­ge ihre Buch- oder Film­an­ge­bo­te kri­tisch prü­fen, ist das der Anfang. Ohne Grund hat der Begriff Can­cel Cul­tu­re nicht Hochjunktur. 

Diskurs der Feinde

Die AfD wol­len die Lin­ken mit aller Macht aus dem poli­ti­schen Dis­kurs raus­hal­ten. Sie for­dern, dem Per­so­nal der Par­tei TV-Auf­trit­te zu unter­sa­gen. Hält sich ein Sen­der nicht an die Wün­sche, kriegt er Druck, neu­deutsch: Shit­s­torm. Der Rbb hat­te kürz­lich den Ex-AfD­ler Kal­bitz im Som­mer­in­ter­view. Da war aber was los! Wie kann man die­sen brau­nen Buben eine Platt­form bie­ten? Und jetzt komm mir nur kei­ner mit der Huf­ei­sen-Theo­rie. Die war doch schon out, als Lenin gera­de die rus­si­sche Revo­lu­ti­on im April 1917 vom Aus­land aus aus­ge­ru­fen hatte. 

Die SPD ist Sar­ra­zin los und der will immer noch kei­ne Ruhe geben und zivil­recht­lich sein Recht durch­set­zen. Man­che Leu­te sind echt schmerz­frei oder haben viel Geld. Wer bei der Bun­des­wehr Offi­zier ist und irgend­was mit Social Media macht, der muss auf der Hut sein. Wehe du likt etwas, das gesell­schaft­lich nicht kon­form ist. Womit kon­form, fragst du? Na, mit dem, was lin­ke Mei­nungs­füh­rer im Inter­net oder TV-Jour­na­lis­ten als kon­form bezeich­nen. Genau weißt du es erst, wenn du ein Like für irgend­was von der AfD oder so abge­ge­ben hast. Dann bis­te gelie­fert. Und wenn dann ande­re (Jour­na­lis­ten, rächts der Mit­te) Par­tei für dich ergrei­fen und aller­lei Unan­ge­neh­mes über die Initia­to­ren der Denun­zia­ti­on (so nennt man das!) ver­öf­fent­li­chen, kriegs­te du die bür­ger­li­chen Ehren­rech­te ent­zo­gen. So in der Art jedenfalls.


Großdemos mit Ansteckungspotenzial?

Erin­nerst du dich noch an die Groß­de­mo von Black Lives Mat­ter, die vor ein paar Wochen in Ber­lin statt­ge­fun­den hat? Ich erin­ne­re mich, dass die­se Demons­tra­ti­on sehr wohl­wol­lend von Poli­tik und Medi­en beglei­tet wur­de. Man tat schließ­lich was für die gute Sache. Nicht wie der „rech­te Pöbel“, der ges­tern Ber­lin unsi­cher mach­te. Über den habe ich mich ges­tern schon aus­ge­las­sen.

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Vie­le äußer­ten sich skep­tisch, weil auch die Teil­neh­mer an der BLM Demo nahe­bei­ein­an­der waren und nicht alle Mas­ke getra­gen haben. Die Poli­zei war in die­sem Fall sehr zurück­hal­tend. Nun, die Ber­li­ner Poli­zei setz­te auf Dees­ka­la­ti­on. Schließ­lich war’s ja eine lin­ke Ver­an­stal­tung und es ging um Ras­sis­mus. Dafür lie­fen sich schon Jour­nail­le und Poli­tik (Inter­net sowie­so) gegen­sei­tig den Hys­te­rie-Rang ab. Außer dem Karl natür­lich. Der hat auch bei die­sem Anlass gesagt, was aus epi­de­mio­lo­gi­scher Hin­sicht davon zu hal­ten ist. Ich fands rich­tig, was er dazu aus­ge­führt hat.

Man weiß es nicht genau. Aber angeb­lich soll die BLM-Demo kei­ne Aus­wir­kun­gen im Infek­ti­ons­ge­sche­hen gehabt haben. Dabei liegt die­se Ver­an­stal­tung, die übri­gens auch ca. 15.000 Teil­neh­mer hat­te, inzwi­schen über ein­ein­halb Mona­te zurück. Wer kann den aktu­el­len Anstieg schon sol­chen Events zuord­nen, für den Teil­neh­mer aus der gan­zen Repu­blik nach Ber­lin, Stutt­gart oder Karls­ru­he kamen? Die Zahl der Neu­in­fek­tio­nen steigt jedenfalls. 

Wenn das so ist, hat das aber natür­lich nichts mit den BLM-Demos über­all im Land zu tun, son­dern ganz aus­schließ­lich mit der gest­ri­gen Demo gegen die Coro­na-Maß­nah­men, die von den übli­chen Ver­däch­ti­gen dafür auch ziem­lich hart ange­gan­gen wur­den. Auch von mir, wie ich anfü­gen will. Zur Ehren­ret­tung der BLM-Demons­tran­ten muss ich aber erwäh­nen, dass die meis­ten (nach den TV-Bil­dern und Fotos, die ich gese­hen habe) eine Mas­ke tru­gen, wäh­rend bei der gest­ri­gen Demo nir­gends eine zu sehen war. War­ten wir ab, was die Zah­len hergeben.

Was ist eigentlich mit der Korrelation von Neuinfektionen und Testungen?

Eins noch zum The­ma Zah­len. Kürz­lich dis­ku­tier­te ich mit einem Freund über die Ent­wick­lung der Neu­in­fek­tio­nen. Er bemän­gel­te, dass das RKI kei­ne Ver­gleichs­zah­len anbie­ten wür­de. Es bestehe aber doch ein Zusam­men­hang zwi­schen den gestie­ge­nen Neu­in­fek­tio­nen und der Aus­wei­tung der Tests. Da hat er Recht. War­um wird das immer noch nicht gemel­det? Nun, ich habe ein biss­chen recher­chiert. Es gibt sol­che Zah­len. Die fin­den aller­dings ihren Nie­der­schlag in den täg­li­chen, offi­zi­el­len Daten. War­um weiß ich auch nicht.

Erfas­sung der SARS-CoV-2-Test­zah­len in Deutsch­land (Update vom 30.7.2020), Epid Bull 30 – 31 2020 (PDF, 258 KB, Datei ist nicht barrierefrei)

Ich habe die Daten in Excel etwas ergänzt bzw. aufbereitet. 

In der letz­ten Woche (KW 30) haben wir 563.553 Tests in Deutsch­land gese­hen. Davon waren 0,8% posi­tiv. Ver­gleicht man nun die Posi­tiv­ra­ten der ver­gan­ge­nen Wochen sieht man, dass sich die­se Quo­ten nicht wesent­lich ver­än­dert haben. Seit der KW 27 liegt die Anzahl der Tests zwi­schen 505 und 563′ wöchent­li­chen Tests. Das sind ziem­lich sta­ti­sche Wer­te. Die klei­ne Theo­rie der Coro­na-Leug­ner, dass es doch klar sei, dass stei­gen­de Test­zah­len stei­gen­de Neu­in­fek­tio­nen zur Fol­ge haben, hal­te ich damit für wider­legt. Die Zunah­me von Infek­tio­nen liegt nicht dar­an, dass mehr getes­tet wird. Die pro­zen­tua­le Zunah­me der Neu­in­fek­tio­nen gegen­über der Vor­wo­che ist deut­lich höher als die der durch­ge­führ­ten Tes­tun­gen. Jemand ande­rer Ansicht? 

Clau­dia hat­te ges­tern eben­falls zum The­ma Debat­ten­kul­tur einen Bei­trag geschrie­ben, den ich hier gern ver­lin­ke: Link: Gewalt­fan­ta­sien und Hass-Kom­men­ta­re: auch „Covidio­ten“ sind Men­schen! › Digi­tal Dia­ry – Clau­dia Klinger

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Corona Demos Neuinfektionen

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2 Gedanken zu „Diskurs wird mit allen Mitteln geführt“

  1. Es gibt immerwo Men­schen die gegen All­les sind, was die gro­ße Mehr­heit für „rich­tig“ erach­ten. Die­se Men­schen, die gegen „Alles“ sind, sind meist Men­schen die das „Leben“ in vol­len „zügen“ leben wol­len, egal ob es der Mehr­heit der Men­schen scha­det. Wenn es nach­weis­lich „rich­tig“ ist, dann sind es für die­se Men­schen alles „Fakes“. Wenn Argu­men­te rich­tig sind, dann sind es „Fakes“ weil es kei­ne Gegen­ar­gu­men­te gibt. Wenn Argu­men­te aus­ge­gan­gen sind, dann müs­sen die­se Men­schen „schrei­en“ das die­se Men­schen von der Mehr­heit beach­tet wer­den. Dann (!!!) füh­len sich die­se Men­schen wie­der „wich­tig“, weil die­se Men­schen beach­tet wer­den, egal der Argu­men­te! Das kommt davon, wenn Kin­der kein Stu­ben­ar­rest bekom­men, wenn die Erzie­hung fehlt, weil die Mehr­heit ver­säumt hat, die­sen Men­schen kei­ne Gren­zen auf­zu­er­le­gen und die­se statt­des­sen „Lau­fen“ las­sen. Am Ende fragt sich die Mehr­heit war­um „Trumpel­tie­re“ plötz­lich „die Macht“ bekom­men. Ich könn­te Namen nen­nen, aber das lass ich bes­ser, da ich noch nie Zeit hat­te um zu „Pro­tes­tie­ren“, weil ich täg­lich zur „Arbeit“ muss, ob es Spaß macht oder nicht – von etwas muss ich schon die Steu­ern zah­len, dass die­se Men­schen in Ber­lin – in der „Regen­bo­gen­stadt“ ver­prel­len. Was lie­ber Horst sol­len wir machen, außer „Lau­fen“ las­sen. Da haben wir das Dilemma 😉

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