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Gesellschaft

Eine Welt ohne »Derrick« ☠ ist trotzdem lebenswert. Aber!

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von Horst Schulte

6 Min. Lesezeit

Scha­de! In ARD und ZDF wer­den zur­zeit zur Freu­de der Zwangs­bei­trags­zah­ler fast nur Wie­der­ho­lun­gen gezeigt. Dar­über sind schein­bar weni­ger Leu­te ver­är­gert als über die Zwangs­bei­trä­ge an sich.

featuredimage

Die Zeiten ändern sich.

Die­ser Bei­trag scheint älter als 8 Jah­re zu sein – eine lan­ge Zeit im Inter­net. Der Inhalt ist viel­leicht veraltet.

In ARD und ZDF wer­den zur­zeit zur Freu­de der Zwangs­bei­trags­zah­ler fast nur Wie­der­ho­lun­gen gezeigt. Vie­le sind ver­är­gert dar­über, aller­dings wohl mehr über die Zwangs­ab­ga­be an sich.

Bei einem der Flag­schif­fe deut­scher Kri­mi-Unter­hal­tung ist end­gül­tig nicht mehr damit zu rech­nen, dass noch Fol­gen auf dem Wie­der­ho­lungs-Knal­ler-Dienst­plan des ZDF erschei­nen wer­den. Die von Esprit über­sät­tig­ten Dia­lo­ge zwi­schen Der­rick, Har­ry und drin­gend Tat­ver­däch­ti­gen wer­den uns feh­len. Das ZDF ließ ver­lau­ten, dass »Der­rick« end­gül­tig aus dem Pro­gramm genom­men wird.

War­um das?, wer­den vie­le Kri­mi­fans fra­gen. Was könn­te das ZDF davon abhal­ten, frei­wil­lig auf die Aus­strah­lung von Kon­ser­ven die­ser Güte­klas­se zu ver­zich­ten? Nicht nur die deut­schen Fern­seh­zu­schau­er, auch die in ca. 100 Län­dern, in denen die­se erfolg­rei­che Serie vom ZDF ver­mark­tet wur­de, müs­sen wei­ter Ver­zicht üben.

Langeweile der Zuschauer bei Derrick-Krimis

Was könn­te die­sen schmerz­haf­ten Ver­zicht erzwun­gen haben? Lan­ge­wei­le der Zuschau­er wird es nicht sein, denn dar­auf pfeift das ZDF bekannt­lich. Nein, es muss etwas gesell­schaft­lich Rele­van­tes sein.

Hat das Nazi­ge­rücht im Som­mer­loch Auf­trieb erhal­ten? Man hör­te ja schon 2013, dass Horst Tap­pert mit 19 Jah­ren Mit­glied der Waf­fen-SS gewe­sen sei. Even­tu­ell dar­über hin­aus­ge­hen­de Ver­stri­ckun­gen Tap­perts in die Unta­ten des Nazi-Regimes blie­ben unklar. Wis­sen die ZDF-Obe­ren mehr? Die Medi­en berich­ten jeden­falls kei­ne Neu­ig­kei­ten über den Fall.

Bisschen spät: Deutsche Juristen gegen Nazis

Viel­leicht hat die ZDF-Ent­schei­dung ihren Ursprung in dem neu auf­ge­flamm­ten Ehr­geiz eini­ger Tei­le der deut­schen Gesell­schaft, mög­lichst noch leben­den Nazis vor Gericht und auch mit über 90 ins Gefäng­nis zu sper­ren? Die Juris­ten sind mit nach jahr­zehn­te­lan­gem Nichts­tun in die­sen Fäl­len so aktiv, dass ich mich fra­ge, wes­halb die­se Ambi­tio­nen so schreck­lich lang ver­schüt­tet waren.

Verlorene Abzeichen

Mein Vater (*1922) war ein knap­pes Jahr älter als Tap­pert. Er war Ober­ge­frei­ter der Wehr­macht und mit dem Eiser­nen Kreuz ers­ter und zwei­ter Klas­se sowie dem Gol­de­nen Ver­wun­de­ten­ab­zei­chen ver­se­hen. Er war bei Kriegs­be­ginn 17 Jah­re alt, Tap­pert 16. Zum Kriegs­en­de war mein Vater 23 Jah­re alt, Tap­pert also 22. Als er nach 5jähriger Kriegs­ge­fan­gen­schaft 1949 nach Hau­se zurück­kehr­te war mein Vater knapp 27 Jah­re alt. Er war, die Gefan­gen­schaft mit­ge­rech­net, 10 Jah­re im Krieg. Weg von zu Hau­se. In einem Schre­cken, über den er mit mir nur sehr wenig gere­det hat.

Der Dank des Vater­lan­des war den Sol­da­ten gewiss. Die schwe­ren Ver­wun­dun­gen und die Krank­hei­ten, an denen so vie­le nach Krieg und Gefan­gen­schaft gelit­ten haben, wur­den über­wie­gend nicht als Kriegs­fol­gen aner­kannt. Die­se Erfah­run­gen haben die Män­ner der Gene­ra­ti­on, die Pech gehabt hat, zu Mil­lio­nen gemacht. Dar­über wird bis heu­te nicht gespro­chen. Aber auch sie waren Opfer. Nicht alle, aber sehr, sehr vie­le. Sie hat­ten das Pech, für einen Staat gekämpft zu haben, den wir bis heu­te scham­haft als Nazi-Deutsch­land bezeichnen.

Wie gesagt, über die Umstän­de, unter denen mein Vater an der Ost­front und anschlie­ßend in rus­si­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft ver­brach­te, hat mein Vater, der 2010 mit 80 Jah­ren ver­starb, nur wenig gespro­chen. Meis­tens über­haupt nur dann, wenn er bei einem aus­führ­li­chen Früh­schop­pen etwas zu tief ins Glas gese­hen hatte.

Ich weiß von ihm, dass er die Abzei­chen, die er im Krieg erhielt, weg­ge­wor­fen hat und zwar bevor er in rus­si­sche Kriegs­ge­fan­gen­heit kam. Er wäre sonst, so sei­ne Erklä­rung, unter denen gewe­sen, die sofort von den Rus­sen erschos­sen wor­den wären. Es exis­tie­ren nur zwei Fotos mei­nes Vaters in Uni­form, das wäh­rend eines Hei­mat­ur­laubs zusam­men mit zwei Brü­dern gemacht wur­de. Auf die­se Fotos trägt er die Auszeichnungen.

Mein Vater hat­te einen wesent­li­chen Bei­trag an der Ent­wick­lung mei­ner Ein­stel­lung zu Krieg und Vater­land. Des­halb habe ich es nicht so mit Begrif­fen wie Nati­on oder Vater­land, schon gar nicht mit Krieg. Es erfüllt mich mit Angst und Sor­ge, wie leicht­fer­tig Poli­ti­ker mit dem Frie­den umge­hen, den Euro­pa in den letz­ten sie­ben Jahr­zehn­ten genie­ßen durf­te. Es reicht ein Blick in die Geschichts­bü­cher, um zu erken­nen, dass der Frie­den, den wir hier seit so vie­len Jah­ren genie­ßen, kei­nes­wegs so selbst­ver­ständ­lich ist, wie er für vie­le von uns heu­te zu sein scheint.

Wenn Horst Tap­pert, wie berich­tet wur­de, sei­ne Kriegs­aus­zeich­nun­gen ver­schwie­gen oder viel­leicht ver­steckt hat, kann ich dies nach­voll­zie­hen. Die wenigs­ten deut­schen Sol­da­ten hät­ten ihre Kriegs­aus­zeich­nun­gen im Nach­kriegs­deutsch­land her­um­ge­zeigt. Heu­te käme dies einer Selbst­be­zich­ti­gung als Nazi gleich. Das ist nicht in Ordnung!

Waffen – SS nicht immer freiwillig

Alle, die sich ein biss­chen für Geschich­te inter­es­sie­ren, dürf­ten wis­sen, dass die Mit­glied­schaft in der Waf­fen-SS nicht unbe­dingt frei­wil­lig war. Tap­pert war am Kriegs­en­de gera­de 22 Jah­re alt. Sein Andenken auf­grund der Mit­glied­schaft zur Waf­fen-SS so zu behan­deln, fin­de ich per­sön­lich schäbig.

Mir geht der erschre­cken­de Gedan­ke durch den Kopf, dass »die Rech­ten« mit ihren pau­scha­len Vor­wür­fen gegen Tei­le einer von poli­ti­scher Kor­rekt­heit getrie­be­nen Gesell­schaft am Ende doch nicht ganz falsch lie­gen könnten.

Das ZDF streicht »Der­rick« aus dem reich bestück­ten und abso­lut ener­vie­ren­den Wie­der­ho­lungs­re­per­toire. Man­che wird das mit Trau­er erfül­len. Ich für mei­nen Teil bin froh, dass die­ser Sen­de­platz nun mit einer zusätz­li­chen Wie­der­ho­lung des Traum­schiffs oder eines Pilcher besetzt wird. Das haben wir uns verdient.

War Spaß.

Update 22.07, 15:00 Uhr: Eben kam die Mel­dung, dass das ZDF die BILD-Mel­dung kor­ri­giert hat:

Das ZDF ist einem Medi­en­be­richt ent­ge­gen­ge­tre­ten, wonach die kul­ti­ge Kri­mi-Serie »Der­rick« wegen der SS-Ver­gan­gen­heit des Haupt­dar­stel­lers Horst Tap­pert dau­er­haft abge­setzt sei. »Das ZDF plant der­zeit kei­ne Wie­der­ho­lun­gen aus­zu­strah­len«, sag­te ein Spre­cher des Sen­ders zu n‑tv.de. Aller­dings gebe es auch kei­ne Ent­schei­dung über eine künf­ti­ge Aus­strah­lung von »Derrick«-Wiederholungen. Die Ver­ban­nung sei eine »Geschich­te der Bild«, sag­te der Spre­cher wei­ter. »Wir hat­ten schon damals kei­ne »Derrick«-Wiederholungen im Pro­gramm und pla­nen auch im Moment kei­ne«, sag­te der ZDF-Spre­cher wei­ter. Der »Derrick«-Sender ZDF, der zwi­schen 1973 und 1997 mehr als 280 Fol­gen der Kri­mi­rei­he pro­du­zier­te, hat­te kei­ne Wie­der­ho­lun­gen gezeigt, seit im Jahr 2013 bekannt gewor­den war, dass der 2008 ver­stor­be­ne Tap­pert im Zwei­ten Welt­krieg bei der Waf­fen-SS war. Das geht aus einem Doku­ment her­vor, das bei der Deut­schen Dienst­stel­le für die Benach­rich­ti­gung der nächs­ten Ange­hö­ri­gen von Gefal­le­nen der deut­schen Wehr­macht (Wast) gefun­den wor­den war.Quel­le: ZDF wider­spricht »Bild«-Bericht: »Der­rick« ist doch nicht abge­setzt – n‑tv.de | LINK

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Ich bin Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

alleiniger Autor dieses Blogs

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

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4 Gedanken zu „Eine Welt ohne »Derrick« ☠ ist trotzdem lebenswert. Aber!“

  1. Das wird gera­de ziem­lich hoch­ge­spielt. Die Mit­glied­schaft bei der Waf­fen SS heißt ja erst mal noch gar nichts, wie du es ganz rich­tig dar­legst. Viel wich­ti­ger ist es, wie Tap­pert sich spä­ter poli­tisch posi­tio­niert hat. Aber dafür weiß ich zu wenig über ihn. Ich war nie ein Tappert‑, Der­rick oder Webber-Fan.
    LG Sabienes

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  2. Heu­te unter­hal­ten vie­le »Exper­ten« sich dar­über, dass Stra­fe nur Sinn macht, wenn sie einer Tat auf dem Fuße folgt. Die­ses Ziel wäre bei Tap­pert ja nun zu 100% ver­fehlt gewe­sen. Außer­dem gibt es kei­ne kon­kre­ten Vor­wür­fe, außer halt, dass er Mit­glie­der der Waf­fen SS gewe­sen ist. Komi­sche Zei­ten sind das.

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  3. Mein Gott wie schlimm, jetzt kön­nen wie­der ein Teil der Men­schen sich bekla­gen, dass kei­ne ver­nünf­ti­gen Wie­der­ho­lun­gen im TV lau­fen, als Sie noch »Jung waren« ^^

    Mich wun­dert bei Wie­der­ho­lun­gen eher der per­sön­li­che Ein­druck, dass nur bestimm­te »Fol­gen« und »Seri­en« teils über Jah­re hin­weg wie­der­holt wer­den – z.B. Tat­ort aus Müns­ter, hier hat man doch immer den Ein­druck das immer nur die 5 Fol­gen wie­der­holt wer­den, wo der WDR feder­füh­rend bei der Pro­duk­ti­on war.

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    • Ja, die Alten bekla­gen sich immer dar­über, dass frü­her ™ alles viel bes­ser gewe­sen ist. Ich auch 🙂 Aber mit dei­nem Hin­weis hast du auch Recht. Wahr­schein­lich suchen die ver­ant­wort­li­chen Redak­teu­re sich immer die Rosi­nen raus 🙂

      Antworten

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