Horst Schulte

Waffen oder Hunger

7 Min.

Waffen und Hunger passen nicht zusammen, sollte man denken. Ganz besonders dann nicht, wenn diese Waffen nicht zur Jagd, sondern zum Töten von Menschen benutzt werden.

Die Zahl hungernder Menschen auf diesem Planeten hat wieder stark zugenommen. Experten hatten dieses Szenarium bereits relativ kurze Zeit nach Ausbruch der Pandemie beschrieben. Alle Fortschritte, die die Menschheit im Kampf gegen den Hunger gemacht hĂ€tte, seien durch die Maßnahmen gegen die Pandemie gefĂ€hrdet, so hieß es.

Zahl der Hungernden steigt auf 828 Millionen

Wie der neue Welthunger-Index zeigt, mĂŒssen weltweit 828 Millionen Menschen hungern. Die Welthungerhilfe sieht eine „dramatische“ Situation, die sich weiter verschlechtert.

Berichte ĂŒber die Ukraine dominieren

Viel hören wir ĂŒber die katastrophalen ZustĂ€nde eigentlich nicht. Von einzelnen kurzen Berichten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einmal abgesehen, nehme ich jedenfalls davon wenig wahr. Das ist angesichts der erschreckenden und sich zeitlich ĂŒberlappenden Krisen auch kein Wunder. Einerseits. Andererseits frage ich mich aber, weshalb die (aus meiner Sicht) schon exzessive Berichterstattung ĂŒber den verbrecherischen Krieg Russlands gegen die Ukraine diesen Vorrang im Vergleich zu den nicht zur Kenntnis genommenen Dramen hat, die sich in Afrika abspielen.

Ukraine liegt nÀher als Somalia

Es gibt dafĂŒr ErklĂ€rungen. Die Ukraine liegen nĂ€her an Deutschland und ĂŒberhaupt – wann hĂ€tten wir uns schon wirklich ernsthaft um die gekĂŒmmert, die auf dem schwarzen Kontinent buchstĂ€blich an Hunger verrecken? Dagegen könnte nur Gott etwas tun und wir wissen: er lĂ€sst es laufen. Uns fĂ€llt es leichter, den Appellen eines Botschafters namens Melnyk oder des ukrainischen PrĂ€sidenten Selensky zu folgen als denen sagen wir unserer Kirchen.

Wir werden gedrĂ€ngt, mehr – viel mehr Waffen zu liefern als zuvor. Dabei hat „der Westen“ bereits Waffen und andere Hilfen in Milliardenwerten in die Ukraine geschickt. Ich verstehe das. Ich unterstĂŒtze das nicht so bedingungslos wie all die aufgeklĂ€rten und dauerempörten UnterstĂŒtzer der Ukraine, aber natĂŒrlich bin auch ich auf der Seite der Menschen dort und wĂŒnsche Putin die Pest an den Hals.

So viel Geld fĂŒr Vernichtung und Tod

Ich frage mich aber, ob wir nicht wenigstens die HĂ€lfte des Geldes, das wir fĂŒr diesen Krieg (wie es heißt im Sinne unserer eigenen Sicherheit) nach Kiews geschickt haben, nicht auch den Menschen in den besonders leidenden Regionen Afrikas schicken mĂŒssten. Ich meine, wir (vor allem die GrĂŒnen und die FDP) argumentieren doch so gern moralisch, wenn es um die UnterstĂŒtzung der Ukrainer geht.

Sollten wir nicht an die vielen Menschen denken, die z.B. in Somalia ihre Kinder sterben sehen, Tag fĂŒr Tag und in so großer Zahl? Und nicht nur denken sollten wir an sie. Wie viel Prozent unseres BIP geben wir fĂŒr RĂŒstung aus, wie viel fĂŒr diesen verfluchten Krieg und was geben wir fĂŒr die aus, die ohne Hilfe verhungern?

Deutschland macht viel. Ich weiß. Ich verstehe auch, dass die Spendenbereitschaft der Deutschen in der katastrophalen Lage, in der wir uns gerade befinden, zurĂŒckgeht. Aber gerade jetzt ist es so, dass aufgrund der Implikationen der Pandemie und dieses verfluchten Krieges mehr Menschen als in den zurĂŒckliegenden Jahren hungern.

Überforderung der Zivilgesellschaft

Die ZurĂŒckhaltung ist der Unsicherheit geschuldet, keiner weiß, was demnĂ€chst ist. Ob Jobs in großem Umfang verloren gehen werden und ob unser Sozialstaat infolge der erwarteten Rezession, von der niemand weiß, wie lange sie womöglich dauern könnte, zusammenkrachen wird.

Dieser Staat hat so viel Geld fĂŒr alle möglichen Dinge ausgegeben und zugesagt, dass es niemanden trösten dĂŒrfte, dass zuletzt immer von der im europĂ€ischen Vergleich noch moderaten Staatsverschuldungsquote geredet wurde (es ist klar, dass es nicht bei den 70 %, die im Vergleich tatsĂ€chlich nicht schlecht sind, bleiben wird). Dass unsere Infrastruktur marode ist, wird allein der Politik zugeschrieben.

Sie trĂ€gt die Verantwortung. So viel ist klar. Ich frage nur mal in die Runde: Was wĂ€re passiert, wenn nicht all die diversen Wohltaten in den letzten Jahrzehnten verteilt worden wĂ€ren und das Geld in ebendiese Infrastruktur (Bildung, Gesundheit, Straßen, BrĂŒcken, Schulen, Unis, Bahnstrecken, BĂŒrokratieabbau und was einem noch so einfiele) gesteckt worden wĂ€re.

Aber nein, wir haben die Milliarden verprasst, den Sozialstaat immer komfortabler und trotzdem höchst ineffektiv gemacht und behaupten ĂŒbrigens jetzt in etlichen Diskussionen, die ich am Rande verfolge, allen Ernstes, dass die Migranten sich nicht von unseren im Vergleich hervorragenden Sozialleistungen (Sorry, an die Bezieher von BĂŒrgergeld, noch Hartz IV) anziehen lassen (Pull-Effekte), sondern dass 
 ja was?

Migrationsfrage – Pull-Effekte?

Liegt es am guten Wetter, an der Kinderfreundlichkeit der Deutschen, am freundlichen Wesen dieses Landes ĂŒberhaupt, an den tollen Schulen und Kitas? Merkt ihr selbst, nicht? Ich habe auf diese Frage keine Antwort. Aber eins ist sicher.

Wenn das, was unsere dĂ€mlichen Politiker stĂ€ndig von FluchtursachenbekĂ€mpfung daherreden, wahr wĂ€re, mĂŒssten doch Somalia und die anderen besonders betroffenen Nationen in Afrika viel stĂ€rker unterstĂŒtzt werden. Stattdessen höre ich laute Klagen darĂŒber, wie viel Geld wir fĂŒr Entwicklungshilfe ausgeben wĂŒrden. Und ja, Deutschland (die – noch – viertgrĂ¶ĂŸte Volkswirtschaft dieses Planeten) leistet einiges.

Statistik: GrĂ¶ĂŸte GeberlĂ€nder von humanitĂ€ren Hilfszahlungen weltweit im Jahr 2021 (in Millionen US-Dollar) | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Âč Die TĂŒrkei ist nicht direkt mit der internationalen humanitĂ€ren Hilfe anderer Geber vergleichbar, da die humanitĂ€re Hilfe grĂ¶ĂŸtenteils Ausgaben fĂŒr die Aufnahme syrischer FlĂŒchtlinge in der TĂŒrkei umfasst.

Finanzielle Abgaben zu Gunsten hungernder Menschen

Die Menschheit (UNO) könnte sich darauf verstĂ€ndigen, dass fĂŒr jede Zahlung von UnterstĂŒtzungen in Kriegsgebiete (unabhĂ€ngig davon, wie gerecht die Sache sein mag
 ???) ein bestimmter (und zwingender!) Anteil an notleidende LĂ€nder in Afrika oder Asien geht.

Zudem sollte ein Anteil der UmsĂ€tze (nicht der Gewinne, weil diesbezĂŒglich leichter geschummelt werden könnte) der Waffenindustrie grundsĂ€tzlich dorthin weitergeleitet werden. Entsprechende Organisationen stellt die UN zur VerfĂŒgung. Die Berichtspflicht und Kontrollen sind, denke ich, geregelt.

Jedes Land, das einen Krieg beginnt, sollte nach einem bestimmten System sanktioniert werden. Die Mitgliedschaft einer Nation, die einen Krieg beginnt, wird so lange dieser andauert, von allen Treffen der UN ausgeschlossen. Es gibt kein Mitbestimmungsrecht in sÀmtlichen Gremien der Gemeinschaft.

Sicher werden sich die GrĂŒndervĂ€ter etwas dabei gedacht haben, als sie fĂŒr wichtige Entscheidungen innerhalb der UN oder auch der EU die Einstimmigkeit in ihre Statuten geschrieben haben. Die Frage, die ich nicht beantworten kann, ist, ob ohne solche vermutlich durchaus elementaren Verabredungen diese Organisationen ĂŒberhaupt zustande gekommen wĂ€ren. Wir sehen leider, dass diese Prinzipien die HandlungsfĂ€higkeit der Gremien maximal einschrĂ€nken. Die EU werden von LĂ€ndern wie Ungarn oder Polen zur Lachnummer gemacht. Wohin soll das fĂŒhren?

Reformen in EU und UN (keine Einstimmigkeit, sondern das Mehrheitsprinzip muss gelten)

Andererseits haben wir diese gerade in Krisenzeiten so eminent wichtigen und durchaus mĂ€chtigen Organisationen und wir sollten uns davor hĂŒten, sie aus nationalistischen Motiven zu beschĂ€digen oder zulassen, dass sie womöglich scheitern. Das sollten wir, die Menschen, nicht zulassen.

Dabei sind gerade diese Tendenzen in den letzten Jahren bedauerlicherweise unĂŒbersehbar. Die ReformfĂ€higkeit solcher bĂŒrokratischen und diplomatischen UngetĂŒme ist ein schweres Handicap. Gerade im Fall der UN sollte die Staatengemeinschaft alles daran setzen, dieses bald zu beseitigen. Gelingt das nicht, wĂ€re es nach dem Völkerbund die zweite „gutgemeinte Initiative“, die uns nicht davor bewahrt hat, in den Abgrund zu schauen.

Horst Schulte

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurĂŒck. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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FlĂŒchtlinge, Gesellschaft

Russland, Waffen

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