Gesellschaft

Das gibts nur im Film

Gegenseitig überschrieen hat man sich auch schon 1968, in den 70ern oder 90er Jahren. Haben wir das vergessen?

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von Horst Schulte

3 Min. Lesezeit

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Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 5 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Wenn die Streitereien in vielen Ländern besonders auffallen, redet man in den Medien von den Gefahren der Polarisierung der Gesellschaften und beklagt die Verrohung der Sprache. Rettungssanitäter, Ärzte, Polizisten und Vertreter anderer Institutionen werden angegriffen oder beschimpft. Etwas ist aus den Fugen geraten.

Gestern habe ich eine weitere Folge der 5. Staffel der Historienserie „Poldark“ gesehen (zu empfehlen für Fans romantischer Historienfilme). Inzwischen kenne ich alle Charaktere und deren Temperamente ganz gut. Wir sind inzwischen im Jahr 1800. Sozialen Spannungen erleben eine Hochzeit. Der Adel ist immer noch in Sorge vor den Folgen der französischen Revolution und führt ein restriktives Regime. Die Sklaverei ist noch nicht abgeschafft. Das passierte in England erst 1807.

Es findet eine abendliche Gesellschaft statt zu der ausschließlich hochgestellte Menschen Persönlichkeiten mit Begleitung eingeladen wurden. Auch in dieser Gesellschaft gilt Blasiertheit zum guten Ton.

Die Ehefrau eines inzwischen von der Regierung verfolgten ehemaligen hohen Beamten ist schwarz. Einer der Anwesenden, ein angesehener Arzt in vorgerücktem Alter, beleidigt die Frau auf schamlose Art und Weise.

Der peinliche und für einige der anwesenden kaum erträgliche Zwischenfall wird interessanterweise mit ironischen, spitzzüngigen Bemerkungen „überspielt“. Der Urheber der Beleidigung wurde nicht „rausgeschmissen“. Heute dürfte dies wohl die unvermeidliche Konsequenz eines solchen Eklats sein. Die Lage ist für einen Moment sehr angespannt, aber sie eskaliert nicht.

Ich fand das bemerkenswert, weil eine Gesellschaft in ähnlicher oder vergleichbarer Situation heute vermutlich gesprengt würde.

Derjenige, der sich einen solchen rassistischen Ausfall erlauben würde, wäre heute geliefert. Oder gingen wir darüber hinweg, wenn der gesellschaftliche Rahmen Zurückhaltung nahelegen könnte? Vielleicht sind Vorgesetzte oder Personen anwesend, vor denen man sich lieber nicht exponieren möchte?

Waren uns die Briten mit ihren (heute jedenfalls) antiquiert wirkenden gesellschaftlichen Regeln und Feinheiten in dieser Hinsicht nicht weit voraus? Das fand zu Beginn des 19. Jahrhunderts statt. Man pflegte miteinander einen vielleicht etwas künstlichen wirkenden, dafür aber schon zivilisierten Umgang.

2019 lesen wir, trennt das Brexit-Thema ganze Familien und ehemals gute Freunde.

Ist nicht doch was dran, dass unsere Einstellung, unser Erfülltsein von einem Sinn für politische Korrektheit längst ausgeufert ist und unsere „ganz normale“ zwischenmenschliche Kommunikation zu behindern?

Bevor jemand Schnappatmung bekommt: Man muss Rassisten oder Antisemiten mit klarer Kante begegnen. Generell muss es aber aus meiner Sicht unser Ziel bleiben, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Und das scheint (s. Lucke, Lindner, de Maiziere) nicht mehr zu funktionieren. Da passt das fast 220 Jahre alte Beispiel aus „Poldark“ doch ganz gut.

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Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

alleiniger Autor dieses Blogs

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

Artikelinformationen:

Gesellschaft

Antisemitismus, Rassismus

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