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Bürgergeld sticht Hartz IV

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Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 2 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Bürgergeld bzw. Hartz IV fiel zum Glück in unserer Familie nicht an. Ich glaube, ich gehörte zeit meines Berufslebens zur „hart arbeitenden Mitte der Gesellschaft“. Wie ich diese Floskel hasse! Was ich an Steuern und Abgaben gezahlt habe, ist der Wahnsinn. Meine Frau, mein Schwager, meine Schwester – für uns alle gilt die Aussage gleichermaßen. Obwohl das auch nach unserem Renteneintritt immer noch so ist, bedeutet dies leider nicht, dass der Sozialstaat bleibt wie er ist.

Ich selbst habe durch zwei Firmenpleiten kurzfristig Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen müssen. Gott sei Dank ist mir das Hartz IV – Regime erspart geblieben. Ich bin froh, in einem Sozialstaat zu leben, und ich bin froh, dass die SPD ihr Versprechen eingelöst hat und das Bürgergeld nun Realität wird. Es gibt hauptsächlich Vorteile, aber möglicherweise auch einen Nachteil.

Menschenbild gewisser Interessengruppen

Welches Menschenbild haben die, die glauben, dass durch die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze um 53 Euro im Monat die Empfänger gegen Arbeit immunisieren würden. Nun, solche Formulierungen sollten auf ihre Autoren zurückfallen. Stattdessen bekommt die Chefredaktion der „Welt“ – eine Frau Wilton von der rechts-konservativen Leserschaft vorzugsweise bedienen, viel Zustimmung für ihren Artikel.

Wir stehen vor einer unsicheren Zukunft. Eines der Probleme, die uns in Zukunft sehr beschäftigen werden, ist der Arbeitskräftemangel. Vom Begriff Fachkräftemangel können wir inzwischen schon nicht mehr sprechen. Überall fehlen Leute. Für die, die keine ordentlichen Löhne zahlen wollen oder können, steht natürlich fest, dass die Erhöhung der Leistung um den genannten Wert das System endgültig ruiniert. Sie beziehen sich darauf, dass Arbeit sich angesichts der ach so komfortablen neuen Regelungen einfach nicht mehr lohnen würde. Die Hängematte des Ex-FDP-Chefs Westerwelle und die spätrömische Dekadenz lassen wieder einmal grüßen.

Zu wenig oder zu viel?

Wie solche Aussagen zu bewerten sind, zeigen auch die Beschwerden der anderen Seite. Für Herrn Schneider, der übrigens gerade wegen der Wagenknecht-Rede im Bundestag aus der Linkspartei ausgetreten ist, sind die auf über 500 Euro angehobenen Regelsätze viel zu gering. Sein Paritätischer Wohlfahrtsverband fordert mal schlappe 200 Euro mehr, damit die Bezieher die schlimmen Zeiten finanziell überhaupt überstehen können. Wobei das höchstwahrscheinlich dafür auch noch viel zu wenig ist. Die Repräsentanten der Sozialverbände reden verächtlich von BürgerHartz.

Ich bin für das Bürgergeld der SPD!

Und wenn es dreimal auch dazu dienen soll, das existenzielle Trauma der SPD, das Schröder mit seinen unverzeihlichen Hartz-IV-Gesetzen hinterließ, zu heilen. Wenn man erkennt, dass die Dinge falsch laufen (nicht für die Partei, sondern für die Gesellschaft), muss man auch den Mut haben, die entscheidenden Korrekturen durchzuführen. Es ist gut, wenn das Sanktionsregime umgestaltet und es nun erst nach einem halben Jahr angewendet wird. Die Sanktionen waren ja zuletzt schon außer Kraft gesetzt worden. Statt der Sanktionen sollen die Empfänger des Bürgergeldes mit 150 Euro unterstützt werden. Das Geld ist eine Weiterbildungsprämie. Da zirka Zweidrittel der Langzeitarbeitslosen keinen Berufsabschluss besitzen, erhofft man sich durch diese Prämie einen Schub von Eigeninitiative.

Zahlt ordentliche Löhne

Ich weiß überhaupt nicht, wie man Hartz IV immer noch verteidigen kann. Es hat dazu geführt, dass in Deutschland hinsichtlich der Lohngerechtigkeit kein Stein mehr auf dem anderen geblieben ist. Der viel zu große Niedriglohnbereich und die Altersarmut sind beredte Zeugen für eine Fehlentwicklung, an der nur Leute ihre Freude haben können, die direkt von diesen Zuständen profitieren. Jedenfalls nie und nimmer die Menschen, die auf ordentliche Löhne angewiesen sind.

Unternehmer und die sie unterstützenden parteipolitischen Lobbygruppen (MIT) wehren sich mit Händen und Füßen gegen die Änderung. Hartz IV war für sie so schön bequem. Es halb bei der Konstituierung des Niedriglohnsektors, also dabei, die Menschen auszupressen und angesichts der steigenden Inflation unter Druck zu halten. Piloten, Zugführer oder ähnlich komfortabel-streikende Berufsgruppen ausgenommen.

Einige Änderungen im „Regime“

Das Schonvermögen wird bei Bürgergeld-Beziehern für zwei Jahre auf 60.000 Euro festgelegt. Während dieser zwei Jahre können die Leute darüber hinaus in ihren vielleicht nach den Richtlinien zu großen Wohnung bleiben. Erst nach diesen zwei Jahren werden Vermögen und Wohnung überprüft. Es ist vorgesehen, den Beziehern von Bürgergeld nach dieser Frist mehr Vermögen zu lassen als dies bisher der Fall gewesen ist. Die Kooperation zwischen den Mitarbeitern der Jobcenter und der betroffenen Menschen soll auf Augenhöhe passieren. Welche Reformen zu diesem Zweck erforderlich oder sinnvoll sind, habe ich bisher nicht erfahren.

Der kritische Punkt bei all dem ist das, was bisher im Lohnabstandsgebot geregelt ist. Die Frage, ob eine Leistungserhöhung von 53 Euro dazu führen könnte, dass Menschen mit geringem Einkommen dazu verführt werden, ihren schlechtbezahlten Job aufzugeben und sich stattdessen für längere Zeit arbeitslos zu melden, vermag keiner ehrlich zu beantworten. Ich finde das Menschenbild derer, die diesen Teufel an die Wand malen, bemerkenswert. Es entlarvt, es fällt auf seine Urheber zurück. Es mag diese Fälle ja geben. Aber ob durch die Änderung des bisherigen Hartz-IV-Regimes, wie behauptet wird, ein bedingungsloses Grundeinkommen intendiert wird, ist ein krasser Vorwurf gegen die SPD. In erster Linie wird er von CDU/CSU und von der AfD ins Spiel gebracht.

Falsche Rechnungen, realistische Vergleiche?

Es fliegen eine Menge Memes durchs Internet, die anhand von windigen, undurchsichtigen Beispielrechnungen (z.B. schon mit Bürgergeld aber noch mit dem geltendem Mindestlohn) solche Situationen darlegen sollen. Die Lobbyisten des Handwerkes kritisieren das Bürgergeld (Hartz + 53 Euro) als zu hoch. 53 Euro sind es also, die nach diesen Leuten das Fass zum Überlaufen bringen sollen? Welch hohe Meinung die Funktionäre doch von „ihren“ Mitarbeitern haben…

»Die Verbesserungen für die Bezieher beim Schonvermögen, der Wegfall von Sanktionen, die deutliche Anhebung des Regelsatzes, die komplette Übernahme der stark gestiegenen Heizkosten – all das wird dazu führen, dass sich für mehr Menschen als bisher das Nicht-Arbeiten mehr lohnt als das Arbeiten.« Link folgen

Bürgergeld: Handwerk kritisiert Regelsatz als zu hoch – DER SPIEGEL

Wie wäre es, wenn die Löhne im Handwerk etwas angehoben würden – sagen wir um 53 Euro im Monat? Vielleicht ließe sich mit mehr Lohn auch etwas gegen den Fachkräftemangel tun? Ich sags ja nur.


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Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

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2 Gedanken zu „Bürgergeld sticht Hartz IV“

  1. Volle Zustimmung! Was ich besonders perfide finde: die ständig und immer noch wiederholte Behauptung, Hartz4-Empfänger hätte eine Energie-Flatrate. Das stimmt einfach nicht, ist leicht zu überprüfen und wurde x-mal eingewendet: Das Amt zahlt nur „angemessene“ Heizkosten – und berechnet das nach mittlerweile sehr veralteten Listen, die die aktuellen Preissteigerungen bei weitem nicht abbilden.

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  2. Es kommen mitunter Meinungen hoch, über die man tatsächlich nur den Kopf schütteln kann. Jeder kann mit einer Meinung daneben liegen. Aber wenn Vorurteile einfach so unkritisch übernommen werden, bekommt man eine Vorstellung, wohin sich das Land entwickeln könnte.

    Gestern kam in einem Zufallsinterview im WDR ein Mann zu Wort, der erklärte sich die vielen offenen Problem, die unsere Gesellschaften so belasten damit, dass unsere Politiker schließlich über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen würden. Wen er meint ist wohl klar. Darüber wird im Internet ohne Unterbrechung gelogen. Statt sich die Quellen zu beschaffen (Bundestagsarchiv, Abgeordnetenwatch) und das selbst zu checken, quatschte dieser Kerl irgendwas total Bekloppte nach. Die Verdummung wird auch von der exzessiven Nutzung der asozialen Medien gefördert.

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