Bedburg, Gesellschaft

Den Strukturwandel bewältigen?

„Sie dürfen nicht alles glauben, was Sie denken“
– Heinz Erhardt

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Wer kein Eigenheim besitzt, kann kommunalen Planungen entspannter entgegensehen. Mieterinteressen haben naturgemäß weniger Gewicht bei etwaigen Anhörungen als jene von Eigentümern. Einschränkungen der Wohnqualität sind schließlich nichts im Vergleich zu möglichen Wertverlusten eigener Immobilien.

Als damals (1995) der Bau eines größeren Wohnhauskomplexes unsere Sicht auf den Park verbaute, waren meine Frau und ich wenig erfreut. Nur wen interessierte das schon? Wir empfanden es damals als großes Glück, eine so schöne Mietwohnung gefunden zu haben. Auch Mitte der 90er Jahre gab es in unserer Region große Probleme, eine Wohnung zu finden.

Die hiesigen Kommunen sind vom erst noch bevorstehenden Strukturwandel voll betroffen. Wenn die Grünen an die Macht kommen, ist nicht auszuschließen, dass der Kohleausstieg vor 2038 stattfindet. Umso mehr als das neuste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes das Terrain für neue Verhandlungen weit geöffnet hat. Auch insofern ist bei dem Thema Eile geboten. Jedenfalls können sich die Verantwortlichen mit ihren Planungen nicht zu viel Zeit lassen. Unser SPD-Bürgermeister ist ein emsiger Mann, der nicht nur auf diesem Feld äußerst aktiv ist. Wir finden, er macht seine Sache richtig gut.

Ob andere BürgerInnen der Stadt das auch so sehen? Ich glaube schon, denn seine gut frequentierte Facebook-Seite lässt daran wenig Zweifel. Er informiert sehr regelmäßig über die Inzidenzen im Stadtgebiet und erklärt insbesondere bei diesem Thema sehr zuverlässig und regelmäßig. Kurz: Er kümmert sich!

Neben insgesamt 3 großen Quartierprojekten, die momentan im Stadtgebiet laufen, soll nun im Westen der Stadt ein neues Gewerbegebiet entstehen. Heute lese ich, dass sich deswegen in der Stadt eine Protestbewegung gebildet hat. 600 BürgerInnen (aus verschiedenen Ortsteilen) haben sich diesem Protest angeschlossen, eine Petition wurde begleitend gestartet.

Wie aus den Unterlagen der Bezirksregierung Köln zu entnehmen ist, sei abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch der Stadt dort kein Gewerbegebiet, sondern mit der Bezeichnung „GIBPlus“ ein vorrangiges Industriegebiet auf der 750.000 Quadratmeter großen Fläche geplant. Dies sei für die Bewohner der in unmittelbarer Nähe liegenden Ortschaften eine unzumutbare Belastung. Der Vorwurf: „Wie kann man ernsthaft ein neues Industriegebiet in dieser Größe mit einem 24/7-Tages- und Nachtbetrieb bei einer minimalen Distanzfläche von nur circa 250 Metern zur Wohnbebauung in Kaster und Königshoven planen, wenn schon bei Windrädern eine Distanz von mindestens 1000 Metern gefordert wird?“

Bedburg: Protest formiert sich: 600 Bürger wenden sich gegen Gewerbegebiet | rheinische-anzeigenblaetter.de

Ich verstehe die Leute, die das Projekt kritisch sehen. Andererseits ist das nur typisch für das, was in unserem Land abläuft. Es ist, finde ich, nur noch eine Frage der Zeit, bis die Versäumnisse im Ausbau und in der Pflege der Infrastruktur auch für die letzten BürgerInnen unübersehbar werden. Dann könnte es allerdings zu spät sein, um noch wirksam die vielen Fehlentwicklungen zu beheben. Aber wir haben ja die Politik, der wir all diese Versäumnisse, die nur noch mit einem krass überdrehten Individualismus zu erklären sind, in die Schuhe schieben können. Von diesen Möglichkeiten machen wir zu gern Gebrauch. Unsere eigene Verantwortung für das Ganze schieben wir beiseite.

Zum Glück gibt es da noch die Gerichte, die je nach eigenem Gusto oder politischer Gesinnung der RichterInnen ihrerseits Einfluss auf derartige Entscheidungen nehmen. Dass RichterInnen keineswegs neutral, sondern oftmals auch sehr parteiisch handeln, fällt mir immer häufiger unangenehm auf. Dass sich Politiker auf der anderen Seite darauf zu verlassen scheinen, dass ihre juristisch-handwerklichen Mängelarbeiten von eben solchen Richtern korrigiert werden, macht mich auch nicht glücklicher.

Allein, wenn ich Bundestagsvize Kubicki mit seinem Juristen-Palaver über die Maßnahmen gegen die Pandemie in etlichen Talkshows der Republik daher schwadronieren höre, packt mich das nackte Entsetzen. Juristen beklagen sich allgemein gern darüber, dass in der Pandemie lediglich Virologen oder Epidemiologen „gehört“ würden. Dabei ist die deutsche Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) von Beginn an in alle Beratungen eingeschaltet gewesen (übrigens auch durch ihre Mitglieder in den verschiedenen Ebenen der Landespolitik). Dort gibt es Vertreter aller wissenschaftlicher Disziplinen.


Mich bringt es auf die Palme, dass Greenpeace und FFF beim Bundesverfassungsgericht mit ihrer Beschwerde zum Inhalt des Klimaschutzgesetzes durchgedrungen sind. Vor allem deshalb, weil der Eindruck einer von Mängeln behafteten Arbeit der Bundesregierung bestätigt wird und Vertreter beider Parteien (Altmaier, CDU und Scholz, SPD) die Gerichtsentscheidung absurderweise als Bestätigung ihrer Politik zu verkaufen suchen.

Es ist wie bei vielen anderen Themen. Politik lässt es, vermutlich aus Angst vor den Reaktionen der WählerInnen, bewusst an Weitsicht fehlen. Dabei sollten die Verantwortlichen durch zahllose andere Beispiele unter den damit verbundenen Schmerzen längst begriffen haben, dass Gerichte, sobald sie deshalb angerufen werden, unzulängliche Gesetze zurückweisen. Dass dies immer mit einem Schaden für unsere Demokratie verbunden ist, scheint diese Flitzpiepen schlicht nicht zu interessieren.

Dass sich die Grünen nun berufen fühlen, die Gelegenheit zu ergreifen und an den Korrekturen des Gesetzes nach Kräften mitzuwirken, finde ich fast beunruhigend. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich das anhand der Stimmungslage im Land genauso darstellen dürfte. Die anderen Parteien drucksen (AfD ausgenommen) bloß herum. Sie reden davon, dass das Urteil eine Chance sei, die man unbedingt nutzen müsse.

Wenn ich die Entscheidung des Verfassungsgerichtes richtig verstanden habe, fehlen dem Gericht genaue Angaben zu den Maßnahmen von 2030 bis 2050. Ihm war es nicht genug, per Gesetz lediglich mit einem strategischen Vorhaben abgespeist worden zu sein. Aber wie man darauf kommen kann, dass dieses Defizit unter freundlicher Mithilfe des Verfassungsgerichtes ausgeglichen werden könnte, erschließt sich mir nicht. Oder ist die Einlassung der Vertreter der Kläger anders zu verstehen?

Diese erlaubten es verfassungsrechtlich jedoch nicht, die physischen Grundlagen menschlicher Existenz aufs Spiel zu setzen und damit auch die Demokratie zu untergraben. Genau das drohe jedoch, wenn die Klimapolitik unambitioniert bleibe.

Klimaschutzgesetz: Die Entscheidung entzweit die Koalition

Verweist man politische Entscheidungen künftig am besten nicht immer gleich ans Verfassungsgericht, sodass die noch mal drüber gucken können? Wäre das eine Option über die wir uns auch unter demokratietheoretischen Aspekten freuen dürfen?

Wenn ein Ökonom als Reaktion auf das Urteil feststellt, dass die Entscheidung des Verfassungsgerichtes nahelegen würde, dass Deutschland allein maßgeblichen Einfluss auf die Reduktion der globalen Temperaturen hätte, darf man mit dem Kopf schütteln, oder? Vielleicht wären unilaterale Selbstverpflichtungen sogar kontraproduktiv, fragte er. Erfolgversprechend seien nur konzertierte Maßnahmen auf multinationaler Ebene. Davon sind wir leider weit entfernt, trotz Biden.

Der BDI fordert, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel (auch die Festlegung irgendwelcher Grenzwerte) weder von Ministerien noch von Gerichten festgelegt werden dürften. Vielmehr sei dies die Aufgabe der Legislative. „Der Industrieverband BDI verlangte nach dem Urteil, die Politik müsse die langfristigen CO2-Ziele nun auf parlamentarischem Wege festlegen.“ (Quelle: FAZ)

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Quelle Featured-Image: HorstSchulte.com

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